Artikel 29/06/2016

Wie wirkt therapeutische Hypnose?

Team jameda
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Bis auf den heutigen Tag hat der Begriff „Hypnose“ einen Beiklang von Magie und Zauberei. Das liegt vielleicht auch an den merkwürdigen „Hypnoseshows“, die im TV dem staunenden Publikum dargeboten werden. Tatsächlich hat die therapeutische oder medizinische Hypnose seit Jahrzenten einen festen Platz im Repertoire psychotherapeutischer Methoden. Therapeutische Hypnose zählt bei vielen Störungen zu den wirksamsten therapeutischen Vorgehensweisen überhaupt.

Aber wie können wir uns die heilende Wirkung von Hypnose vorstellen? Wieso wirkt Hypnose so nachhaltig und relativ schnell bei Angststörungen, Depressionen, bei Stresserkrankungen, bei Erkrankungen durch Überlastung und auch Suchtmustern wie der Abhängigkeit von Tabak?

Die Wirkung von Hypnose

Im normalen Bewusstseinszustand wirken sehr viele neuronale Muster beim Erinnern, Beurteilen und Reagieren auf Ereignisse in der Umwelt (auch unserer inneren Umwelt) zusammen. In dem ständigen Fluss unseres Bewusstseins nehmen wir Dinge wahr, wir erinnern uns und reagieren so, wie wir es aus Erfahrung gelernt haben.

Dieser Fluss ständigen Wahrnehmens und Handelns ist uns aber ganz überwiegend nicht bewusst: diesen Funktionsmodus könnten wir als „implizit“ bezeichnen, so wie wir auch über sehr viele „implizite“ Erinnerungen und Erfahrungen verfügen. Das sind Erinnerungen und Erfahrungen, die zwar real in unserem Gehirn vorhanden sind und dort ihre Wirkung entfalten, aber von uns nicht bewusst erkannt werden.

Da kann es natürlich auch schädigende Erinnerungen oder Erfahrungen geben: zum Beispiel beängstigende Erlebnisse in frühester Kindheit oder sogar vor der Geburt. Da kann es Erlebnisse von Unkontrollierbarkeit, fehlender Orientierungsmöglichkeit oder großer Verlassenheit gegeben haben. Diese schädigenden Erfahrungen sind keinesfalls immer nur die großen Katastrophen des Lebens. In den Augen Anderer mag es sich dabei auch um weniger wichtige oder kaum beachtete Ereignisse handeln.

Folgen schädigender Erinnerungen bzw. Erfahrungen

Wiederholt erfahrene ungünstige Erlebnisse erzeugen im Gehirn neuronale Muster, die im Betroffenen konkret beobachtbare körperliche Veränderungen bewirken. So können ungünstige neuronale Muster nicht nur entstehen, sondern in der Wiederholung immer weiter verstärkt werden. Das Alarmzentrum Amygdala zum Beispiel wird messbar größer und damit sensibler für mögliche Gefahren.

Das Gedächtniszentrum Hippocampus wird durch schädigende Ausschüttung von Stress-Botenstoffen angegriffen und verkleinert sich. Im Gefolge wird Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit vermindert. Es gibt noch viele weitere schädigende Wirkungen, die sich in den verschiedensten Arealen des Gehirns und des ganzen Körpers messbar manifestieren.

Der menschliche Verstand

Ja - aber da gibt es ja auch noch unseren klaren Verstand! Warum sagt der nicht: „Halt Stopp! - Angst ist hier doch völlig sinnlos, also aufhören mit Zittern und dem Schweißausbruch“. Der Verstand könnte doch auch das Kommando geben: „Wieso denn Depression - Schluss jetzt damit! Draußen scheint doch die Sonne!“ Oder: „Rauchen ist ja schädlich, das weiß ich doch! Ab jetzt also kein Rauchen mehr!“

Sind wir also alle nur zu willensschwach, um uns selbst zu heilen?

Leider funktioniert es tatsächlich nicht so gut über den Verstand. Denn die Zentren in unserem emotionalem Gehirn, die hauptverantwortlich sind für die Störung unseres Wohlbefindens und auch das Suchtverhalten steuern, wirken neuronal mit vielen Verbindungen sehr stark und sehr nachdrücklich in das „Denkhirn“ hinein.

Das emotionale Gehirn hat erstaunlich viel Einfluss auf das „Denkhirn“. Umgekehrt sind die Verbindungen vom „Denkhirn“ zum emotionalen Hirn ausgesprochen schwach. Man kann sich ungefähr ein Verhältnis von 1: 8 Millionen Nervenverbindungen zum Nachteil des „Denkhirns“ vorstellen. Es liegt also nicht am fehlenden Willen, sondern an der Grundkonstruktion unseres Gehirns. Der bewusste Wille hat oft nur eine schwache Wirkung und wenig Befehlsgewalt. Vom Denkhirn kommen - bildlich gesprochen - eher sehr zurückhaltend und leise geäußerte Vorschläge und deutlich weniger klare und deutliche Botschaften.

In der Trance einer Hypnose können die schädlichen Verarbeitungsmuster im emotionalen Gehirn aber trotzdem wirkungsvoll verändert werden.

Hypnotische Trance – Was bewirkt sie?

Therapeutische Hypnose wirkt direkt am Ort der Verursachung einer psychischen oder psychosomatischen Störung. Damit umgeht therapeutische Hypnose elegant den Nachteil der schwachen Verbindung vom „Denkhirn“ zum emotionalen Hirn. Hypnotische Trance ermöglicht, dass in dem mentalen Bewusstseinszustand der Trance unter Anleitung des Therapeuten vorhandene neuronale Muster im emotionalen Gehirn gelockert und aufgebrochen werden und neue, heilsame Netzwerke gebildet und allmählich gefestigt werden.

Man kann etwas vereinfacht sagen, dass Betroffene in der Hypnose mit Unterstützung und Anleitung des Therapeuten kreativer werden, neue Lösungs- und Veränderungsmöglichkeiten intuitiv entdecken. Vorhandene Ressourcen werden nachhaltig gestärkt oder erneuert werden. Alte und eingefahrene Muster des Erlebens und Erleidens werden konkret am Ort der Entstehung im emotionalen Gehirn durch neue und bessere Erfahrungen verändert.

Dabei ist die bildhafte Vorstellung durchaus berechtigt, dass Hypnose direkter im emotionalen Gehirn ihre Wirkung erzielt. Hypnose arbeitet über Gefühle und Emotionen, implizite Erinnerungen und nicht über den expliziten Verstand.

Wie wir sehen, wirkt Hypnose durch den besonderen Zustand der Trance nicht über das „Denkhirn“ mit seinen eher abstrakten und emotional neutraleren Einsichten - so wie das bei manchen anderen therapeutischen Verfahren der Fall ist. In Trance ist es zum Beispiel möglich, eine Angststörung „distanziert“ zu erleben, gezielt zu verändern und schließlich zu bewältigen. Und die neu erfahrene Möglichkeit der Bewältigung dieses normalerweise äußerst beunruhigenden Erlebnisses erzeugt in der Folge ein ganz neues und positives neuronales Muster.

Dieses kann immer weiter gefestigt und verstärkt werden. Unser Gehirn ist zum Glück bis ins hohe Alter äußerst plastisch. Es verändert sich ständig. Krank wird es meist erst, wenn es keine Anregungen oder Notwendigkeiten zu neuem Lernen mehr erhält.

Krankheitsbewältigung mit Hypnose

Neue Erfahrungen in Hypnose wirken sich direkt und sogar messbar in der neuronalen Struktur aus. Diese neuen Erfahrungen schaffen auch neue Möglichkeiten der Bewältigung. So hilft in einer psychovegetativen Notsituation wie zum Bespiel beim Panikanfall eine verbesserte neuronale Hemmung dieser Symptome (z.B. Schwitzen, Zittern, Fremdheitsgefühl, Todesangst). Diese verbesserte in Hypnose erlernte und gefestigte neuronale Hemmung bewirkt letztlich die Heilung einer Panikstörung.

Die Trance der Hypnose kann also verstanden werden als ein besonderer mentaler Zustand, in dem eine tiefgreifende Veränderung und ein Aufbrechen vorhandener und festgefahrener schädigender neuronaler Muster ermöglicht wird. Heilsame Veränderungen im emotionalen Gehirn werden gebahnt. Dadurch können neue, für die eigene Lebensbewältigung besser geeignete neuronale Muster dauerhaft verankert werden. Ressourcen werden nachhaltig gestärkt. Die neuen und zur Lebensbewältigung besser geeigneten Erfahrungs- und Verhaltensmuster werden immer mehr zum ganz normalen Bestandteil von Leben und Erleben.

Die Störung wird so weit zurückgedrängt, bis sie für das Bewusstsein letztlich nicht mehr wahrnehmbar ist und auch im äußeren Leben keine Belastung mehr darstellt. Und damit kann der Prozess der Heilung und Veränderung durch Hypnose zu einem nachhaltigem therapeutischen Erfolg führen.

Fazit

Zu warnen ist vor vorgefertigten Hypnose-CDs oder ähnlichem, die unrealistische oder auch ethisch bedenkliche und verantwortungslose Versprechungen machen. Ich möchte betonen: Therapeutische Hypnose ist ein sehr wirkungsvolles Verfahren, das deshalb mit besonderer Sorgfalt und Verantwortung eingesetzt werden muss. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung ist eine sorgfältige Diagnose durch den erfahrenen Therapeuten und ein individueller Behandlungsplan für den Patienten.

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