Artikel 29/09/2013

Chronischer Schmerz und Entzündung - wie das Lymphsystem beteiligt ist (Teil 2)

Team jameda
Team jameda
chronischer-schmerz-und-entzuendung-1

Durch den gestörten Schlackenabtransport im Gewebe kommt es in den Zellen zu einem eingeschränkten Zellstoffwechsel, was bis zur Ausbremsung der Mitochondrien und ihrem Zitrat-Zyklus führen kann. Die Folge ist Muskelsteifheit, Muskelschmerz (Triggerpunkte), Verkürzungsgefühl und das Gefühl von bleibendem Muskelkater.

Fehlt jetzt aber die Beweglichkeit, die die Flüssigkeitszirkulation im Körper unterstützt, dann kann es zu einem zusätzlichen Eindicken der Lymphe im Extrazellular-Raum kommen. Ein passendes Beispiel ist die frisch gekochte Hühnersuppe, die über Nacht stehengelassen, eine Gelee-artige Konsistenz aufweisen kann. Erst das Erhitzen, und somit Bewegen, sorgt für eine Verflüssigung. Aus diesem Grunde sind Massagen oft nicht nachhaltig, da sie nur lokal eine Bewegung im passiven Zustand erzeugen.

Hinzukommt, dass die nervale Versorgung des Lymphsystems über das autonome Nervensystem alleinig durch die Aktivität des Sympaticus (anregend, tonisierend, anspannend) erfolgt. Der Parasympaticus als Gegenspieler hat keine direkte Wirkung auf die Muskelzellen der Lymphbahnen. Er wird vorher auf die Nervenfasern des Sympaticus verschaltet. Langfristig gesehen ist dies vom Nachteil, weil persistierender Schmerz Stress auslöst und somit den Sympaticus befeuert, der bei zu viel Aktivität und fehlender Hemmnis seines Gegenspielers eine Starrheit der Muskelzellen im Lymphsystem erzeugt. Dies ist der fließende Übergang zum bio-psychosozialen Erklärungsmodell für chronifizierten Schmerz.

Es kommt somit zu einem Teufelskreislauf aus lokalem, chemischen Problem mit fehlender Ausheilung und lokaler Stoffwechselkrise sowie systemisch (den ganzen Körper) betreffendem Lymphstau, was wiederum lokal die Regulationsmechanismen hemmt.

Dieses Wissen wird meines Erachtens viel zu wenig genutzt. Selbst in den operativen Fächern wie Chirurgie, Gynäkologie, Kieferchirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, die ja wissentlich die Lymphbahnen durchtrennen, wird postoperativ viel zu wenig der Lymphfluss korrigiert oder wieder ermöglicht. Da die Lymphkapillaren nicht einsehbar sind, werden sie als unwichtig erachtet. In der orthopädischen Medizin wird darauf schon deutlich mehr Rücksicht genommen, alleine, weil dadurch die Operationsergebnisse besser sind.

Was ist daher empfehlenswert?
Chronische Schmerzen und Entzündungen, bei denen eine auslösende und persistierende Schädigung ausgeschlossen wurde, sollten unbedingt auf lokale Stauung und im Weiteren, den ganzen Körper betreffende Lymphabflussstörungen untersucht werden. Die Untersuchung erfolgt optisch (Schwellung, Rötung, verstrichene Konturen, Einschnürungen der Strümpfe,…) und wird unterstützt durch die Palaptionsfähigkeit des Untersuchers. Hier tasten sich zum Beispiel kleine Knötchen, teigiges Unterhautgewebe, lokale Wärmedifferenzen, ein lokaler Schmerz lässt sich bei wenig Druck auslösen.

Manuelle Medizin und osteopathische Medizin beschäftigen sich immer mit den Regulationskreisläufen im Körper und wollen durch gezielte manuelle Techniken die Rückstellkräfte aktivieren. Das Lymphsystem als Transportsystem, Boten- und Nährstoffüberbringer sowie als wichtiger Schmerzinduzierer muss immer in die Behandlung mit einfließen. Eine manualmedizinsche Behandlung von Fasziendistorsionen oder Gelenkblockierung wird immer die Lymphbahnen mitbehandeln. Ein Rückstau von Lymphe im Bauchraum ist für in viszeraler Osteopathie ausgebildete Ärzte und Therapeuten gut zugängig und eine dankbare Behandlungsmethode. Dazu kommen gezielte Techniken auf die großen Lymphbahnen im Brustkorb, die den Unterdruck im System wieder herstellen und die Zirkulation anregen. Die Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten, die in manueller Lymphdrainage ausgebildet sind, ist Gold wert.

Als Arzt ist kritisch zu hinterfragen, ob der Einsatz von Schmerzmitteln, die auf die Entzündungskaskade wirken, weiterhin sinnvoll ist. Es besteht die Möglichkeit auch anders auf die lokalen Stoffwechselreaktionen Einfluss zu nehmen. Nitrosativer Zellstress wird gut durch hohe Vitamin B12-Gaben gegenreguliert. Oxidativer Zellstress und das massive Vorhandensein von freien Radikalen erfordern Antioxidantien. Es gibt diverse Homöopathika die unterstützend wirken können. Simple Maßnahmen wie Zink-Leimverbände oder Quarkumschläge können unterstützend eingesetzt werden.

Chronischer Schmerz und Entzündung sollten zusätzlich zu allen flankierenden Maßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt des Beteiligten Lymphsystems betrachtet werden. Manuelle Medizin und osteopathische Medizin können sehr sinnvolle Ergänzungen sein. Die durch die Behandlungen oft erlebte Entspannung als Zeichen einer positiven Rückkopplung aus dem Gewebe, wirkt zusätzlich auf die oben beschriebenen Vorgänge im autonomen Nervensystem. Die mittlerweile schon etablierten Entspannungsverfahren wie Ausdauersport, Yoga, autogenes Training, progressive Muskelrelaxation und ähnliche, die in der psychosomatischen Medizin fester Bestandteil sind, lassen sich in diesem Kontext gut einbringen und ihre Wirkung gut erklären.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.