Artikel 01/08/2015

Hashimoto: Müdigkeit trotz guter Medikamenten-Einstellung?

Team jameda
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Weil fehlgeleitete Abwehrzellen die Schilddrüse von Hashimoto-Patienten langsam zerstören, produziert das kleine schmetterlingsförmige Organ nicht mehr genügend Hormone. Um diesen Mangel auszugleichen, müssen Betroffene die fehlenden Hormone in Form von Tabletten einnehmen. Doch viele Patienten klagen trotz guter Medikamenten-Einstellung über Müdigkeit. Woran das liegen kann, wollte jameda vom Schilddrüsen-Spezialisten Dr. Lunow wissen.

jameda: Müdigkeit kann viele Ursachen haben und muss nicht zwangsläufig mit Hashimoto Thyreoiditis zusammenhängen. Wie erkennen Patienten, die bereits Medikamente gegen ihre Symptome einnehmen, woher ihre Müdigkeit kommt?
Dr. Lunow: Die Ursachen ihrer Müdigkeit herauszufinden, ist für Patienten sehr schwierig – nur selten liegen so offensichtliche Gründe vor wie eine schlechte Schlafhygiene, beispielsweise durch viele Tassen Kaffee am Abend. Auch für den Arzt ist es nicht leicht, die richtige Diagnose zu stellen: Er muss einige Tests durchführen, um herauszufinden, ob typische Begleiterkrankungen von Hashimoto wie etwa Rheuma, Vitamin- und Nährstoffmangel oder Entzündungen anderer Organe die Müdigkeit verursachen. Erst wenn sie auszuschließen oder behandelt sind, liegt eine falsche Medikamenteneinstellung nahe. Dann sind die Hormongaben schrittweise anzupassen, bis die Müdigkeit verschwindet.

jameda: Kommt es häufig vor, dass Hashimoto-Patienten trotz guter Medikamenten-Einstellung von ständiger Müdigkeit geplagt sind?
Dr. Lunow: Ja. Viele Patienten glauben, richtig eingestellt zu sein, sind es aber gar nicht. Ein TSH-Wert von 2 – 4 μIU/ml gilt in vielen Laboren als normal. Patienten mit 2 μIU/ml können aber bereits eine Unterfunktion haben. Weil sich die Werte des Patienten innerhalb der Norm befinden, erkennen Hausärzte das Problem und damit die eigentliche Ursache der Müdigkeit aber oft nicht. Ich schätze, dass dies bei über 50 Prozent der Patienten der Fall ist.

jameda: Helfen gängige Hausmittel gegen Müdigkeit, wie etwa eine bessere Schlafhygiene, mehr Bewegung und Entspannung sowie eine gesunde Ernährung auch Hashimoto-Patienten?
Dr. Lunow: Hängt die Müdigkeit mit einer falschen Medikamenteneinstellung zusammen, hilft eine Umstellung des Lebensstils wenig. Ein gesunder Lebensstil ist aber trotzdem wichtig, weil Stress neue Schübe auslösen kann. Regelmäßige Entspannung beugt also eine Verschlimmerung der Erkrankung vor. Das gilt auch für eine gesunde Ernährung: Die Zwangsjodierung deutscher Lebensmittel hat die Anzahl der Hashimoto-Patienten vermutlich in die Höhe getrieben. Daher sollten Patienten darauf achten, nicht zu viel Jod zu sich zu nehmen.

jameda: Das Hormon, das für unser Energielevel verantwortlich ist, heißt „T3“. Manche Hashimoto-Patienten können jedoch nicht genug T3-Hormone produzieren – und sind müde. Kann eine Anpassung der Medikamente helfen?
Dr. Lunow: Wenn es durch die Therapie nicht gelingt, die Müdigkeit oder andere Symptome in den Griff zu bekommen, sollte der Arzt neben einer ausreichenden Therapie mit T4, aus dem der Körper T3 herstellen kann, auch Selen verordnen, das die Umwandlung des T4 fördert. Manchmal ist es aber auch notwendig, zusätzlich zum Speicherhormon T4 das stoffwechselaktive T3 als Tablette einzunehmen. Die Dosis wird schrittweise angepasst, damit die Patienten am Ende nicht überaktiv sind.

jameda: Könnte die Müdigkeit auch mit einem Mangel an B12, Eisen, Vitamin D oder Folsäure zusammenhängen?  
Dr. Lunow: Nährstoffmängel sind sehr häufig und können tatsächlich Müdigkeit verursachen. Eisenmangel beispielsweise bleibt oft unerkannt, weil die Eisenbestimmung im Blut sehr ungenau ist. Besser ist es, das Ferritin, den Speicherstoff des Eisens, ebenfalls zu messen. Auch hier ist Vorsicht bei den Normwerten geboten, die bei 10 – 160 mg liegen. Schon bei 30 mg kann ein Mangel vorliegen. Ähnliches gilt für Vitamin D: Ein Wert von 20 mg gilt als normal, 30 mg sind aber besser. Deshalb leiden viele Patienten unter einem Mangel, ohne es zu wissen.

jameda: Sind Hashimoto-Patienten häufiger von Nahrungsunverträglichkeiten betroffen, die für die ständige Müdigkeit verantwortlich sein können?
Dr. Lunow: Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen nicht nur bei Hashimoto-Patienten häufig vor. Wenn der Magen und vor allem der Dünndarm wichtige Nährstoffe nicht richtig aufnehmen, fehlt dem Körper Energie. Außerdem fühlen sich manche Patienten durch die Blähungen, die durch die Unverträglichkeit entstehen können, wie benebelt. Da die Symptome unspezifisch sind, wissen viele allerdings gar nichts von ihrer tatsächlichen Ursache.

jameda: Könnte auch eine schlechte Verdauung zu chronischer Müdigkeit führen?
Dr. Lunow: Der Darm ist für ein funktionierendes Immunsystem sehr wichtig, weil sich dort rund 80 Prozent aller Abwehrzellen unseres Körpers befinden. Häufig finden wir bei Hashimoto-Patienten Begleiterkrankungen wie Histaminintoleranz oder Fruktosemalabsorption. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kommen auch vor, sind aber erfreulicherweise bei Hashimoto-Thyreoiditis im Vergleich zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten eher selten zu finden.

jameda: Was würden Sie Hashimoto-Patienten raten, die sich trotz ausreichender Therapie ständig müde fühlen?
Dr. Lunow: Entspannungstechniken zu erlernen, ist sehr sinnvoll. Denn das Immunsystem ist eng mit der Psyche verbunden. Das zeigt eine Studie, bei der Forscher Krebspatienten vor und nach Mitteilung ihrer Diagnose Blut abnahmen. Schon eine halbe Stunde nach Erhalt der Diagnose brach ihr Immunsystem zusammen. Deshalb gilt: Alles, was der Psyche gut tut, hilft auch dem Immunsystem – und hält gesund.

jameda: Vielen Dank für das Gespräch!

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