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Die Infektion mit Borreliose-Erregern nach einem Zeckenstich ist keine harmlose Angelegenheit. In Deutschland treten geschätzt rund 800 000 Neuinfektionen pro Jahr auf. Wahrscheinlich mehr als eine Millionen Menschen leiden hierzulande an einer chronischen persistierenden Infektion. Die meisten davon unentdeckt und unbehandelt.

Viele Menschen sind nach einem Zeckenstich sehr beunruhigt und machen sich Sorgen hinsichtlich einer möglichen Borrelien-Infektion. Diese Sorge ist zwar berechtigt, jedoch sollte das Infektionsrisiko realistisch eingeschätzt und das weitere therapeutische Vorgehen danach ausgerichtet werden.

Wie hoch ist das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich und wie sollte gehandelt werden, wenn noch keinerlei Infektionssymptome vorliegen? Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf das Vorgehen, wenn der Patient nach einem Zeckenstich (noch) keinerlei Symptome einer Frühborreliose aufweist (z. B. Wanderröte oder grippeähnliche Symptome ohne Schnupfen).

Das durchschnittliche Risiko, nach einem Zeckenstich eine Infektion mit Borrelien zu erleiden, ist relativ gering und liegt zwischen 3 - 6 %. Eine generelle Einnahme von Antibiotika nach einem Zeckenstich ohne weitere Symptome ist daher nicht notwendig.

Allerdings steigt dieses Risiko sowohl mit dem Durchseuchungsgrad der Zecken, als auch mit der Saugzeit. Der Anteil der Zecken, die Borreliose-Erreger enthalten, ist regional verschieden und liegt zwischen 10 - 40 % mit den höchsten Raten in Süddeutschland. Das Infektionsrisiko nach einem Stich mit einer infizierten Zecke erhöht sich drastisch auf 20 - 35%.

Entscheidend für das weitere Vorgehen ist die Einschätzung der Saugzeit der Zecke, da die Borrelien-Erreger zumeist erst nach einer Saugzeit von mehr als 8 Stunden in den menschlichen Körper gelangen. Daher ist das Infektionsrisiko selbst bei einem Stich mit einer infizierten Zecke gering, wenn die Zecke rasch entdeckt und sachgerecht entfernt wurde. Es ist sehr wichtig, sich selbst, aber vor allem Kinder, nach dem Aufenthalt im Freien jeden Abend nach Zecken abzusuchen. Wird die Zecke erst am nächsten Morgen entdeckt oder ist sie bereits sehr vollgesogen, dann ist davon auszugehen, dass die Zecke bereits länger als 8 Stunden saugte.

Wenn noch keinerlei Krankheitssymptome vorliegen, ist auch in solchen Fällen keine Antibiotika-Einnahme erforderlich. Allerdings ist es jetzt ratsam, die Zecke im Labor auf Borrelien untersuchen zu lassen (sog. „Zecken-PCR“). Enthält die Zecke keine Erreger, dann ist auch keine Therapie notwendig. Wurden in der Zecke dagegen Borrelien gefunden, dann besteht ein sehr hohes Infektionsrisiko. Eine antibiotische Frühtherapie über mindestens 10 Tage mit den bevorzugten Wirkstoffen Minocyclin oder Clarithromycin ist ratsam.

Besteht die Möglichkeit nicht, die Zecke untersuchen zu lassen, ist der Nachweis der Infektion durch bestimmte Labortests bereits 7 - 10 Tage nach dem Stich möglich (Elispot oder Lymphozytentransformationstest). Diese Tests werden meist nur von Speziallaboratorien angeboten und sind nicht zu verwechseln mit den allgemein bekannten Antikörpertests, welche erst nach rund 4 - 6 Wochen die Infektion nachweisen können.

Zeigen diese Tests keine Infektion an, bedarf es keiner weiteren Therapie, jedoch sollte der Patient angehalten werden, in den nächsten Wochen auf die Symptome einer Frühborreliose zu achten. Im Zweifelsfall kann eine klassische Antikörperbestimmung nach 4 - 6 Wochen erfolgen. Dieses Vorgehen empfiehlt sich auch für Patienten, bei denen die Durchführung von Elispot oder Lymphozytentransformationstest nicht möglich ist.

Ist allerdings eine erfolgte Infektion durch das Laborergebnis bewiesen, so ist das therapeutische Vorgehen genauso, als wenn der Patient bereits Symptome einer akuten Borrelieninfektion aufweist. Eine mindestens 30-tägige Antibiotikatherapie mit den Wirkstoffen Minocyclin (Zieldosis von 2 x 100 mg) oder Clarithromycin (Zieldosis 2 x 500 mg) ist dann notwendig. Bei beiden Medikamenten ist die Therapie einschleichend zu gestalten. Für Kinder ist das Mittel der Wahl Clarithromycin (in einer gewichtsangepassten Dosierung).

Der sehr häufig noch eingesetzte Wirkstoff Doxycyclin scheint nach den Studien von Sapi E et al aus dem Jahre 2011 die Entwicklung einer persistierenden Infektion eher zu begünstigen. Daher sollte Doxycyclin nicht mehr eingesetzt werden, auch wenn diese Erkenntnis in noch kaum eine Leitlinie Eingang gefunden hat.

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