Artikel 10/04/2014

Herzensangelegenheit: Sex - Was ist nach einem Herzinfarkt oder unter KHK noch erlaubt?

Prof. Dr. med. Christian A. Schneider Internist, Kardiologe, Ernährungsmediziner
Prof. Dr. med. Christian A. Schneider
Internist, Kardiologe, Ernährungsmediziner
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Die meisten Leute werden es bestätigen: Sexuelle Aktivität ist eine wichtige Komponente unserer Lebensqualität. Gerade aus diesem Grund ist es so wichtig, dieses Thema mit Herzpatienten ins Gespräch zu bringen. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa die Hälfte bis zu drei Viertel der Patienten, die kürzlich einen Herzinfarkt erlitten oder eine Bypass Operation erhielten, weniger häufigen und seltener befriedigenden Sex beklagen. Dies mag verschiedene Gründe haben. Unter anderem spielen Nebenwirkungen der Medikamente, Depressionen und vor allem die Angst, eine erneute, vielleicht sogar tödliche Herzattacke beim Liebesspiel zu provozieren, eine große Rolle. Diese Angst besteht nicht nur auf der Seite der Patienten selber, sondern auch ihre Partner sind häufig in großer Sorge und folglich gehemmter. Scheuen sie sich also nicht, das Gespräch mit dem Partner und dem Arzt zu suchen. Der Kardiologe wird dabei von vielen Patienten am kompetentesten und vertrauenswürdigsten für diese Aufklärungsaufgabe empfunden. Da Sex eine Art der körperlichen Aktivität ist, können einfache Belastungstest prüfen, ob, beziehungsweise welchem Risiko der Herzpatient gegebenenfalls durch sexuelle Aktivität aussetzt ist.

Generell lässt sich sagen, dass beim Vorspiel nur ein geringer Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdrucks zu verzeichnen ist. Lediglich während der 10-15 Sekunden des Orgasmus wird vom Herzen Höchstleistung gefordert. Doch auch hier werden nur selten Werte des systolischen Blutdrucks über 170 mmHg oder des Pulses über 130 pro Minute überschritten (Messungen bei jungen, gesunden Männern). Auch nach der lustvollen Aktivität kehrt rasch der Ruhepuls und Blutdruck zurück. Der „Bettsport“ ist vergleichbar mit anderen körperlichen Aktivitäten bei 3-5 Metabolischem Äquivalent (MET), wie zum Beispiel dem Nordic Walking oder gemächlichem Schwimmen. 1 MET entspricht einem Umsatz von 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute, sprich dem Ruheumsatz bezogen auf das Körpergewicht. Diese Einheit dient dem Vergleich des Energieverbrauchs verschiedener Aktivitäten.

Der wissenschaftlichen Empfehlung der American Heart Association zufolge, sollten Patienten, die nach klinischer Beurteilung ein geringes Risiko zur Entwicklung kardiovaskulärer Symptome aufweisen, das „Startsignal“ bekommen, sich wieder sexuell zu betätigen. Dies ist gegeben, wenn Belastungen von ≥3 bis 5 METs ausgeführt werden können, ohne dass Brustschmerz, signifikante Luftnot, ischämische ST-Streckenänderungen, Blutdruckabfall oder Arrhythmien auftreten. Anders ausgedrückt: Wer ohne Beschwerden zwei Etagen und mehr steigen oder „strammen Schrittes“ gehen kann, darf sich der Leidenschaft hingeben.

Was bedeutet das konkret für unterschiedliche Krankheitsbilder?

  • sechs Wochen nach einem unkomplizierten Herzinfarkt dürfen Patienten bedenkenlos sexuell aktiv werden, sofern sie bei milder körperlicher Aktivität keine kardialen Symptome wie Brustschmerz oder Luftnot aufweisen. Auch ein früherer Beginn ist meist möglich, es sollte jedoch Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden
  • Patienten die eine komplette perkutane koronare Revaskularisierung (PTCA, Dehnungsbehandlung) erhielten, dürfen bereits einige Tage nach dem Eingriff, sofern dieser ohne Komplikationen verlief, sexuellen Lüsten nachgehen
  • Nach einer offenen Herzoperation sollte sechs bis acht Wochen, je nach Heilungsgrad der Sternotomie, gewartet werden
  • Patienten mit leichten Klappenfehlern, sofern sie keine oder nur milde Symptome zeigen, können ebenfalls Sex aus ärztlicher Sicht, ohne Sorgen genießen. Bei schweren Klappenfehlern sollte zuvor in jedem Fall eine Stabilisierung des Zustandes und eine Therapie erfolgen
  • Auch prothetische Klappen, reparierte oder erfolgreich mittels Katheter behandelte Klappen, sowie Schrittmacher oder implantierte Kardioverter-Defibrillatoren zur primären Vorsorge und ohne mehrfach vorangegangene Schockabgabe, stellen keinen Grund dar, auf Sex zu verzichten.

Anders sieht es bei Patienten mit instabilen, dekompensierten und/oder schweren, symptomatischen, kardiovaskulären Erkrankungen aus. Diese sollten so lange auf das Liebesspiel verzichten, bis ihr Zustand stabil ist und sie optimal medikamentös eingestellt sind.

Darüber hinaus darf man darf nicht verschweigen, dass durch sexuelle Aktivität ein leicht erhöhtes Risiko einer Reinfarzierung besteht. Diese Erhöhung geht jedoch häufig mit einer Kombination aus außerehelichem Sex, jüngerem/n Partner/in, fremder Umgebung, Alkohol und exzessivem Essen einher. Vermeiden sie also unnötigen Stress und betätigen sie sich so, wie es ihnen gut tut. Das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen beim Beischlaf kann im Übrigen durch kardiale Rehabilitationsmaßnahmen und Sport gesenkt werden.

Wichtig zu wissen ist auch, dass Männer, die potenzsteigernde Medikamente wie PDE-5-Hemmer (z.B. Sildenafil) einnehmen, sich keine Sorgen machen brauchen, auf diese nach einem Infarkt verzichten zu müssen. Sie sind bei stabiler KHK durchaus erlaubt und sinnvoll. Eine absolute Kontraindikation besteht allerdings bei Nitrateinnahme. Nehmen Sie niemals Viagra unter Nitrattherapie ein und auch 24-48 h nach Sildenafilgebrauch darf trotzdem keine Nitratgabe erfolgen. Bei auftretender Angina-Symptomatik muss dann der Arzt aufgesucht werden.

Zu guter Letzt: Sex ist eine Freude des Lebens, die uns auch im Alter und nach Krankheit „am Herzen liegt“. Scheuen sie sich nicht nachzufragen und Bedenken oder Ängste bei Ihrem Arzt zu thematisieren. Lassen sie ihre Herzerkrankung keinen unnötigen Einfluss auf ihr Sexualleben nehmen und genießen sie, was möglich ist und gut tut.

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