Artikel 11/08/2015

Das jameda-Interview: 9 Fragen an Dr. med. Gerhard Ascher

Team jameda
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken könnten, stellt jameda Dr. med. Gerhard Ascher interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Arzt und Neuerungen in der Orthopädie.

jameda: Herr Dr. Ascher, was hat Sie motiviert, Orthopäde zu werden?
Herr Dr. Ascher: Leben heißt Bewegung. Und Bewegung bedeutet Lebensfreude. Die Orthopädie beschäftigt sich mit unserem Stütz- und Bewegungsapparat. Sie beinhaltet viele konservative Behandlungsansätze, aber auch handwerklich interessante operative Korrekturmöglichkeiten. Und sie entwickelt sich sehr dynamisch. Unsere Patienten decken alle Altersgruppen ab und vor allem die Sportler sind hoch motiviert, wenn es um ihre Gesundheit und Genesung geht.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Ascher: Ich liebe zufriedene Patienten. Schmerzfreiheit oder die Wiederherstellung gewohnter Leistungsfähigkeit bedeuten häufig Dankbarkeit und Wertschätzung. Das ist den teils hohen Stressfaktor wert. Leider können oft nur Teilerfolge erzielt werden. Die Gewebsalterung, der noch wenig zufriedenstellende Knorpelersatz, chronischer Schmerz, gelegentliche Operationskomplikationen und vieles mehr bleiben Probleme trotz intensiver Forschung. Zu hohe Ansprüche auch im Alter, der Kampf mit Übergewicht und konditionellen Defiziten sind weitere Erfolgskiller, denen wir täglich begegnen.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Ascher: Zum einen die unnötige Angst vor sinnvollen Operationen, die in der Hand des Spezialisten eine sehr hohe Erfolgsaussicht bieten und Spätschäden vermeiden. Zum anderen teils übertriebene Erwartungen in eine „Reparaturwerkstatt Orthopädie“, die wir z.B. im Bereich der Gewebsregeneration oder nach schweren Unfällen mit Gewebszerstörung noch nicht leisten können. Hier werden Risiken oft unterschätzt. Und zudem noch die übersteigerte Hoffnung auf teils paramedizinische Außenseitermethoden, die für teures Geld und ohne wissenschaftliche Fundierung mit viel Werbeaufwand verkauft werden. Notwendige Therapien werden damit oft unnötig verzögert oder sogar verhindert.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Dr. Ascher: Der Haltungs- und Bewegungsapparat braucht ständige Bewegung und Training. Sein größter Feind sind Trägheit und Passivität. Operationen bedeuten zunächst immer einen enormen Verlust an Kraft, Koordination und Beweglichkeit.
Sich nur auf Krankengymnastik 2-3 mal pro Woche zu verlassen, kann ohne tägliche intensive Hausaufgaben kaum zum Erfolg führen. Hier macht sich der Vorteil der Patientenführung gegenüber Kliniken oder Operationszentren extrem bemerkbar, weil wir mit unserem auch konservativen Schwerpunkt den Menschen als Ganzes nie aus den Augen verlieren.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient den Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Ascher: Wenn sich der Fortschritt nicht einstellt, den wir und natürlich auch unsere Patienten erwarten, fragen wir gezielt nach möglichen Ursachen, z.B. nach Art und Häufigkeit der Physiotherapie und des Begleittrainings. Wir erklären erneut die funktionellen Zusammenhänge und vor allem eben die negativen Folgen von Passivität. Gegenteiliges Fehlverhalten wie zu frühe Belastung oder Überdehnung durch übertriebenes oder gar unzulässiges Bewegungstraining kann natürlich auch zu irreparablen Schäden bei Bandrissen oder nach Operationen führen. Dann können wir in Einzelfällen nicht mehr sinnvoll reagieren. Vorausschauende Aufklärung ist damit immer der wichtigste Schritt in der Partnerschaft Arzt-Patient.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Ascher: Ich bin zum Beispiel ein erklärter Gegner der „Flatrate-Mentalität“ in der Medizin. Diese aktuelle pauschalierte Erstattungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen ohne Bezug zu Häufigkeit oder Inhalt der Arztbesuche fördert nur den schnellen Patientendurchsatz und nicht die Zuwendung und Führung und zerstört die Qualität der Behandlung. Notwendige Kontrollen sind in diesem Konzept unrentabel und der chronisch oder ernsthaft Kranke wird zur Belastung. Andererseits sollte man unnötige Arztbesuche oder Luxusmedizin viel mehr über Eigenbeteiligung beschränken. Auch die konservative Orthopädie ist in den letzten zehn Jahren unverantwortlich abgewertet worden, in der Folge wird heute oft zu schnell und zu viel operiert. Fitness und Gewichtskontrolle würde ich durch Beitragsnachlässe belohnen.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Ascher: Die Orthopädie ist ein sehr dynamisches Gebiet in der Medizin. Die Operationsverfahren werden ständig optimiert und weniger invasiv. Die regenerative Medizin macht Fortschritte. Beispiele sind die neuen Sehnenverankerungstechniken an Knie und Schulter mit verbesserter Stabilität auch bei älteren Patienten. Oder die Injektion von Thrombozytenkonzentrat mit Wachstumsfaktoren zur Gewebsregeneration, die Hyaluronsäurespritzen in Gelenke und an Sehnen. Auch die fokussierte Stoßwelle für Fersensporn und Kalkschulter, die optische Statikvermessung und vieles mehr. Sehr wichtig bleibt bei der heutigen Vermarktung in der Boulevardpresse und in den Broschüren der Firmen der seriöse Arzt, der die sogenannten Neuerungen kritisch bewerten kann und nur sinnvoll nach individueller Beratung einsetzt.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Ascher: Meine große Erfahrung beruht auf Jahrzehnten ärztlicher und sportmedizinischer Tätigkeit. Es gibt damit in meinem Leben zahlreiche tolle Erinnerungen, insbesondere aus der Zeit der Leistungssportbetreuung. Ich habe ja die ersten Paralympics in Seoul 1988 für Deutschland ärztlich geführt, den 1. FC Nürnberg zu Andi Köpkes und Hansi Dorfners Zeiten als Mannschaftsarzt begleitet und Boris Becker und das deutsche Davis Cup Team im Tennis bis 2002 betreuen dürfen. In der täglichen Arbeit sind die schönsten Erlebnisse natürlich die Begegnungen mit den genesenen und rundum zufriedenen Patienten.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Ascher: Bitte nehmen Sie Beschwerden und Verletzungen gerade auch in jungen Jahren immer ernst. Bestehen Sie auf einer klaren Diagnose. Es gibt zum Beispiel keine „Wachstumsschmerzen“. Achten Sie auf Ihre Fitness und übertreiben sie nichts. Steigern Sie die Belastung langsam, vor allem in neuen Sportarten. Und bewahren Sie sich einen gesunden Menschenverstand in einer „kommerzialisierten Medizinwelt“, die den Mediziner immer mehr aus dem Zentrum drängen will.
Gegenseitiges Vertrauen und seriöse medizinische Beratung können Sie vor unnötigen Operationen oder unsinnigen konservativen Therapien bewahren.

Zur Person

Dr. Gerhard Ascher ist Facharzt für Orthopädie und ein weithin anerkannter Kniespezialist. Zu seinen Schwerpunkten gehören die arthroskopische Gelenkchirurgie, vor allem der Kreuzbandersatz, Meniskus- und Knorpeloperationen, Injektionsbehandlungen sowie das konservative Wirbelsäulenmanagement. Dr. Ascher verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Betreuung von Spitzensportlern und übt im Eden Reha-Zentrum Donaustauf eine Lehrtätigkeit im Bereich Sportphysiotherapie und Manuelle Medizin aus.

Zur Praxis

Seit der Gründung 1987 durch Dr. Gerhard Ascher wurde die Praxis zu einem Facharztzentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie weiterentwickelt. Heute arbeiten sechs hoch spezialisierte Ärzte im Team, die sich insbesondere in ihren operativen Schwerpunkten hervorragend ergänzen. Der Patient wird so an Knie, Schulter, Sprunggelenk, Fuß und Hüfte, an Rücken und Wirbelsäule nach modernstem Standard behandelt.

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