Artikel 19/08/2016

Welche OP-Methode ist die beste bei Hallux valgus?

Dr. med. Gernot Vogels Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
Dr. med. Gernot Vogels
Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
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Die Entwicklung eines Spreizfußes und damit auch das Abweichen des Großzehs zur Mitte des Fußes (Hallux valgus) hängt von vielen Faktoren ab. Meistens wird jedoch falsches Schuhwerk in den Vordergrund gestellt. Die Spreizfußentwicklung bei jungen Menschen sowie die Beobachtung, dass manchmal ein Fuß einen stark ausgeprägten Hallux valgus aufweist und der andere Fuß vergleichsweise normal aussieht, zeigen, dass auch veranlagungsbedingte Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Bei der Frage, auf welche Weise der Spreizfuß korrigiert werden kann, muss der Fuß stets in seiner Gesamtheit beurteilt werden.

Ab wann sollten Betroffene zum Arzt?

Viele Betroffene haben wenige Beschwerden im Bereich der Vorwölbung (dem Hallux) selbst, sondern in der Mitte des Fußes. Durch die Abweichung des ersten Mittelfußknochens nach außen hin werden die verbleibenden Mittelfußknochen bei der Abrollbewegung überlastet und dadurch entsteht der Schmerz in der Fußmitte.

Die Fehlstellung des großen Zehs im Grundgelenk führt dazu, dass Kanten der einzelnen Gelenkpartner jeweils in der Knorpeloberfläche des anderen Gelenkpartners schleifen und dort die Entwicklung einer vorzeitigen Verschleißkrankheit (Arthrose) begünstigen.

Der Satz ‘Fußfehlstellungen sollte man erst dann operieren, wenn es gar nicht mehr geht’ gilt daher schon lange nicht mehr - vielmehr sollte dann eingegriffen werden, wenn die Fehlstellung noch nicht so stark ausgeprägt ist und mit der Korrektur Folgeschäden vermieden werden können.

Die Diagnose

Die Betrachtung des Fußes, die Schilderungen der Betroffenen, die körperliche Untersuchung und Röntgenaufnahmen ermöglichen eine präzise Diagnostik.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Einlagen und Fußgymnastik helfen zwar dem Fuß, den Belastungen des Alltages besser standzuhalten, sie sind aber nicht dafür geeignet, eine bereits vorhandene Fußfehlstellung zu beseitigen oder deren Fortschreiten zu verhindern.

Die moderne Fußchirurgie versucht, Form, Funktion sowie Ästhetik zu vereinen - die ‘beste’ Operationsmethode gibt es deshalb nicht. Individuell muss für jede(n) Patienten/Patientin die beste Operationstechnik gefunden werden:

In den meisten Fällen muss, um einen dauerhaften Behandlungserfolg sicherzustellen, der 1. Strahl (d.h. der 1. Mittelfußknochen mit dem Ballen) und der große Zeh gerichtet und stabilisiert werden. Operationstechniken, bei denen lediglich der Mittelfußknochen kurz hinter dem gelenknahen Anteil (dem Köpfchen) durchtrennt, verschoben sowie wieder fixiert wird, erscheinen zwar weniger aufwändig, sind aber häufig nicht geeignet, langfristig das Behandlungsergebnis zu sichern.

Operation nach Scarf oder Chevron

Bei gering ausgeprägten Fehlstellungen kann es ausreichend sein, den Mittelfußknochen in sich z-förmig oder v-förmig zu durchtrennen, ihn anschließend zu verschieben und in der Regel mit Schrauben zu fixieren (Operation nach Scarf oder Chevron).

Operationsverfahren nach Lapidus

Ist die Abweichung des Mittelfußknochens jedoch größer und der Ballen ausgeprägter, reichen diese Operationsmethoden keinesfalls aus. Vielmehr muss dann der 1. Mittelfußknochen ausgehend von seiner Basis zurückgeschwenkt werden. Hierfür eignet sich das Operationsverfahren nach Lapidus am besten.

Dieses bereits in den dreißiger Jahren erstmals beschriebene Verfahren hat sich vor einigen Jahren durch eine Neuentwicklung eines deutschen Mediziners stark verbreitet – es handelt sich dabei um eine kleine Titanplatte, die unter den Mittelfußknochen angelegt wird.

Da die Korrektur an der Basis des Mittelfußknochens beginnt, können auch größere Fehlstellungen konsequent beseitigt werden. Die gelenkige Verbindung im Bereich zur Fußwurzel, wo ohnehin nur winzige Bewegungen stattfinden, wird beseitigt. Der Knochen verwächst und wird durch die Metallplatte in der neuen Position stabilisiert, wodurch eine anhaltende Korrektur gewährleistet ist.

Vorbereitungen und Ablauf der Operation

In den meisten Fällen können Vorfußoperationen ambulant durchgeführt werden. Voruntersuchungen beim Hausarzt stellen sicher, dass die Narkose so risikoarm wie möglich abläuft.

Je nach Umfang des Eingriffes dauert eine derartige Operation zwischen einer halben Stunde und etwas mehr als einer Stunde. Danach erfolgt die Überwachung durch die Narkoseärzte im Aufwachraum.

Nach ungefähr einer weiteren Stunde entscheidet der Narkosearzt, ob der Patient entlassen werden kann. Zu diesem Zeitpunkt müssen Unterarmgehstützen und ein Vorfußentlastungschuh, die im Vorfeld über die Krankenkasse verschrieben werden, bereitstehen.

Die Unterarmgehstützen müssen meistens nur in den ersten Tagen nach der Operation genutzt werden. Wie lange der Vorfußentlastungschuh getragen werden muss, entscheidet der Operateur in Abhängigkeit von der durchgeführten Operation. Der Zeitraum schwankt meistens zwischen 2 und 6 Wochen.

Ist mit Schmerzen nach der OP zu rechnen?

Starke Schmerzen nach einer Operation können fast immer vermieden werden: nach Einleitung der Narkose kann vor Operationsbeginn ein schmerzstillendes Medikament in die Nerven des Fußes gespritzt werden.

Es handelt sich im Prinzip um das gleiche Verfahren, das auch der Zahnarzt anwendet, um seine Behandlungen schmerzarm durchführen zu können. Wenn überhaupt stärkere Schmerzen bestehen, so klingen diese in der Regel binnen weniger Tage ab. Die meisten Patienten kommen zu der Aussage: ‘das hatte ich mir viel schlimmer vorgestellt’.

Nachbehandlung

Nach dem Eingriff ist es wichtig, dass Patienten konsequent den verschriebenen Vorfußentlastungschuh tragen und nicht nach eigenem Ermessen (beispielsweise nachts beim Gang zur Toilette) darauf verzichten.

In der Regel kommt es noch für längere Zeit zu Schwellungen des operierten Fußes. Je konsequenter dem Fuß am Anfang die Gelegenheit gegeben wird, zur Ruhe zu kommen (Hochlagerung, Kühlung, wenig Herumlaufen), umso schneller bildet sich die Schwellung zurück. Bei größeren Eingriffen ist es aber durchaus realistisch, dass eine Restschwellung auch noch nach 3-4 Monaten besteht.

In vielen Fällen wird nach der Operation Krankengymnastik, gelegentlich auch Lymphdrainage verschrieben. Zusätzlich werden die Patienten angeleitet, auch eigenständige Übungen mit den Zehen durchzuführen (wichtig!).

Sportarten wie Joggen sind in den ersten drei Monaten nach der Operation in der Regel nicht möglich. In den ersten acht Wochen ist es sinnvoll, auf hohes, enges Schuhwerk (auch wegen der Schwellung) zu verzichten.

Derartige Schuhe drängen den Zeh von Anfang an wieder in eine falsche Richtung, außerdem wird die punktuelle Belastung im Bereich des Vorfußes häufig noch als schmerzhaft empfunden. Eine langsame, individuell unterschiedliche Steigerung ist in Absprache mit dem Operateur am sinnvollsten.

Fazit

Fehlstellungen im Bereich des Vorfußes sind kein reiner Schönheitsfehler. Sie bedürfen der differenzierten Untersuchung durch einen in der Fußchirurgie erfahrenen Spezialisten, um ein sinnvolles Therapiekonzept mit dem Patienten zu erarbeiten.

Operative Behandlungsansätze müssen konsequent durchgeführt werden. Die Nachbehandlung ist wichtig, sie umfasst neben der körperlichen Schonung das Tragen eines Vorfußentlastungsschuhs, Krankengymnastik sowie ein gewisses Maß an Geduld, um dem Fuß die Gelegenheit zu geben, mit diesem größeren Eingriff fertig zu werden.

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