Ca. 1-2 % der deutschen Bevölkerung leiden unter einer Histaminintoleranz. Darunter weitaus mehr Frauen als Männer. Was steckt hinter der Unverträglichkeit und welche Diagnosen und Verhaltensweisen sollten Betroffene beachten?
Histaminintoleranz: Das steckt dahinter
Bei der Histaminintoleranz (HIT) reichert sich der Botenstoff „Histamin“ im Körper an und provoziert vielfältigste Symptome. Einige davon ähneln den Symptomen einer klassischen Nahrungsmittelallergie (Sofort-Typ-Allergie I). Das ist keineswegs verwunderlich, da Histamin bei der Typ-I-Allergie für das Auftreten der Symptome verantwortlich ist.
Bei der HIT hingegen ist das Immunsystem nicht am Krankheitsgeschehen beteiligt. Es handelt sich demnach nicht um eine „echte“ Allergie! Da die Symptome allerdings denen einer Allergie ähneln, wird die HIT als "Pseudoallergie" bezeichnet.
So wirkt Histamin im Körper
Histamin ist keineswegs nur schädlich. Es kommt auch im Körper von Gesunden vor. Es ist ein sogenanntes „biogenes Amin“ (organischer Ammoniak-Abkömmling), der dem Organismus sehr nützlich ist. Nicht jedoch, wenn es sich im Körper anreichert.
Histamin regelt folgende Körperfunktionen und:
- fördert die Bildung von Magensäure,
- steigert die Aktivität des Darmes,
- fördert die Anspannung der Muskeln von Bronchien und Gebärmutter,
- wirkt gefäßerweiternd und damit senkend,
- regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Appetit und die Lernfähigkeit und
- kann Entzündungsprozesse auslösen.
Der Körper produziert zwar auch selbst Histamin. Andererseits führen wir dem Organismus Histamin aber auch über die Nahrung zu.
Durch den Konsum histaminreicher Nahrungsmittel steigt der Histamin-Gehalt im Körper stark an. Gesunde Menschen können diese Histaminflut mittels Enzymen, allen voran der Diaminoxidase (DAO), sehr schnell abbauen. Die Aktivität der DAO, die von den Zellen der Darmschleimhaut produziert wird, wird von den Vitaminen C und B6, von Zink und Kupfer bestimmt.
Menschen mit HIT leiden unter einem Ungleichgewicht zwischen der Zufuhr und dem enzymatischem Abbau. Die individuelle Histamintoleranzschwelle wird überschritten und die durch Histamin vermittelten Symptome treten auf.
Symptome innerhalb und außerhalb des Verdauungstrakts
Die Symptomatik ist äußerst vielfältig. Häufig treten Beschwerden im Verdauungstrakt, wie z. B. Blähungen, Krämpfe und Durchfälle auf. Bei derartigen Beschwerden denkt man durchaus an die Möglichkeit einer HIT. Anders hingegen bei Symptomen außerhalb des Verdauungssystems. Diese werden oftmals nicht oder nicht sofort mit einer HIT in Verbindung gebracht.
Hier treten auf:
- Husten,
- Niesen,
- Fließschnupfen,
- Kopfschmerzen,
- Schwindel,
- Migräneanfälle,
- Herzrhythmusstörungen,
- wiederholte Blasen- und Harnröhrenentzündungen,
- Hautausschläge,
- Couperose,
- Juckreiz,
- Müdigkeit
- u. a.
Die Diagnose der HIT wird nicht nur dadurch erschwert, dass sie eine Vielzahl unspezifischer Symptome auslösen kann. Sondern auch dadurch, dass sie sich oft erst Stunden nach dem Essen, also zeitverzögert zur Nahrungsaufnahme, zeigen können.
Zudem gibt es keinen spezifischen Laborparameter, der die Existenz einer HIT eindeutig belegt.
Das ist einer der vielen Gründe dafür, dass die HIT-betroffenen Patienten bis sie eine Diagnose erhalten, oftmals einen langen Leidensweg hinter sich haben.
Ein Blick auf die Ursachen
Zudem sind die Ursachen der Histaminintoleranz multifaktorell und möglicherweise noch nicht vollends geklärt. Man geht davon aus, dass Betroffene zu wenig DAO oder in seiner Aktivität vermindertes DAO produzieren.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass das bei Weitem nicht der einzige Faktor ist. Die Ursachen sind um einiges vielfältiger. Häufig sind die Aktivität und das Ausmaß der DAO-Bildung bei Betroffenen sogar absolut in der Norm.
Weitere Ursachen bzw. Faktoren können sein:
- Der gesteigerte Konsum histaminreicher Nahrungsmittel oder sog. Histamin-Liberatoren (Nahrungsmittel, die im Körper gespeichertes Histamin freisetzen)
- Beschädigungen der Darmschleimhaut („Leaky Gut“ = löchriger Darm) und ein Ungleichgewicht in der Darmflora. Eine Fehlbesiedelung des Darmes (Dysbiose) mit Histamin produzierenden Darmbakterien erhöht den Histaminspiegel im Darm und führt zu Schäden an der Dünndarmschleimhaut (Leaky Gut). Sie kann zusätzlich zur Verminderung der DAO-produzierenden Schleimhautzellen führen. Der „löchrige Darm“ bewirkt eine vermehrte Aufnahme von Histamin vom Darm ins But.
- Die Hemmung der DAO durch Medikamente (z. B. Antirheumatika, Schmerzmittel, Psychopharmaka...)
- Alkoholkonsum: Alkohol sorgt für eine vermehrte Freisetzung von Histamin, mindert die Aktivität der DAO und macht die Darmschleimhaut durchlässiger.
- Der gesteigerte Konsum anderer biogener Amine, die auch über das Enzym DAO abgebaut werden und bezüglich des enzymatischen Abbaus mit Histamin konkurrieren.
- Eine eventuell leichte und somit nicht bekannte Nahrungsmittelallergie vom Typ-I. Sie kann dazu führen, im Verdauungstrakt immunologisch bedingt Histamin gebildet wird und sich die Beschwerden der Histamin-Intoleranz verstärken.
- Sehr selten ist eine systemische Erkrankung der Histamin freisetzenden Mastzellen die Ursache
Diese Diagnoseverfahren geben Aufschluss
Treten Symptome der HIT auf, sollte zunächst eine „echte“ Typ-I-Allergie durch Bestimmung der Allergie-Typ-I spezifischen IgE-Antikörpern ausgeschlossen werden. Werden diese nicht nachgewiesen, sollte eine Histaminintoleranz als Ursache erwogen werden.
Zur Diagnostik können u. a. herangezogen werden:
- die Messung der DAO-Aktivität,
- die Histaminkonzentrationen in Blut oder Stuhl,
- die quantitative Bestimmung von Abbauprodukten des Histamins im Urin,
- Messung der Zink-, Kupfer- und Vitamin-B6-Konzentrationen im Blut
- Eine mindestens 4-wöchige Histamin-Eliminationsdiät.
- mittels Stuhlanalyse eine Analyse der Darmflora und Bestimmung von Substanzen im Stuhl, die auf ein Leaky-Gut-Syndrom hinweisen
Behandlung: Eine histaminarme Ernährung kann helfen
Histamin ist in fast allen Lebensmitteln enthalten und unterliegt, je nach Zubereitung, Reifegrad, Sorte, etc. starken Schwankung .In frischen Nahrungsmitteln ist der Histamingehalt meist nur gering. Hohe Konzentrationen entstehen durch Reifung und Fermentation.
Beispiele für histaminreiche Nahrungsmittel:
- stark gereifte Käsearten,
- stark verarbeitete Fleisch- und Wurstprodukte,
- Fisch und Krustentiere,
- alkoholhaltige Getränke,
- vergorene Lebensmittel (z. B. Sauerkraut),
- Fertiggerichte,
- Tomaten, Erdbeeren und Zitrusfrüchte,
- Kakao und Schokolade sowie
- Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker.
Bei der Eliminationsdiät sollten nicht nur histaminreiche Nahrungsmittel gemieden werden, sondern auch Lebensmittel, die als Histamin-Liberatoren gelten oder reich an biogenen Aminen sind.
Ein erfahrener Therapeut hält entsprechende Nahrungsmittellisten bereit.
Was bedeutet die Diagnose Histaminintoleranz für die Patienten?
Die Erfahrung zeigt: Auch wenn die Diagnose Histaminintoleranz eine Einschränkung im Ernährungsstil beinhaltet, sind die Betroffenen dennoch sehr froh, wenn die Diagnose steht. Nun wissen sie endlich, woher ihre Beschwerden kommen und fühlen sich ernst genommen. Und in vielen Fällen lässt sich die Symptomatik vermindern.