Artikel 19/02/2019

Das jameda-Interview: 10 Fragen an Frau Prof. Dr. Kerstin Brocker

Prof. Dr. Kerstin Brocker Frauenarzt (Gynäkologe)
Prof. Dr. Kerstin Brocker
Frauenarzt (Gynäkologe)
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Prof. Dr. Kerstin Brocker interessante Fragen zu ihren Erfahrungen als Gynäkologin.

jameda: Frau Prof. Dr. Brocker, was hat Sie motiviert, Frauenärztin zu werden?

Frau Prof. Dr. Brocker: Die Frauenheilkunde umfasst alle Facetten im Leben einer Frau. Von Schwangerschaft und Geburt, über Veränderungen in der Pubertät bis hin zu Krebserkrankungen und dem Tod. Diese Vielfalt, die mir immer wieder in meinem Alltag begegnet, finde ich besonders spannend an meinem Fachgebiet.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Frau Prof. Dr. Brocker: Die unterschiedlichen Geschichten der Menschen in der Praxis sind teilweise sehr spannend und fließen manchmal auch in bestimmte Krankheitsmuster mit ein. Nur leider bleibt häufig nicht die Zeit auf diese Hintergründe und Zusammenhänge ausreichend einzugehen. Hier sehe ich eine große strukturelle Herausforderung, die im aktuellen Gesundheitssystem nur sehr schwer zu lösen ist. Am meisten Freude im Praxisalltag bereiten mir Patientinnen, die zufrieden die Praxis verlassen.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?

Frau Prof. Dr. Brocker: Oft höre ich in der Praxis ‘weibliche Frauenärzte seien wie Feldwebel, daher bin ich seit 20 Jahren zu einem Mann gegangen’.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?

Frau Prof. Dr. Brocker: Ja, das ist leider manchmal so in der Medizin. Aber ich gebe meinen Patientinnen Hilfsmittel an die Hand, wie man manch eine schlimme Situation besser erträgt. Ich nehme mir die Zeit und höre zu, um gemeinsam mit der betroffenen Patientin einen passenden Lösungsweg zu finden.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?

Frau Prof. Dr. Brocker: Mir ist wichtig, dass meine Patientinnen gut informiert sind und sie von mir auch eine ehrliche Einschätzung bekommen. Wenn mir dann eine Patientin berichtet, dass sie eine bestimmte Tablette nicht einnehmen wollte, nachdem sie den Beipackzettel gelesen hat, bin ich froh über die Ehrlichkeit. Dann kann man auf Ängste oder vielleicht auch Missverständnisse eingehen. Und oftmals gibt es ja auch Therapiealternativen, die wir dann gemeinsam besprechen können.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?

Frau Prof. Dr. Brocker: Ich würde die pauschale Vergütung abschaffen, mit der Ärzte pro Quartal bezahlt werden, egal ob nur ein Rezept am Empfang abgeholt wird oder der Arzt mehrfach mit einer komplexen Fragestellung konsultiert wird. Es sollte meiner Meinung nach die individuelle Leistung vergütet werden.

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?

Frau Prof. Dr. Brocker: Das ‘A und O’ mit Patienten ist, ihnen zuzuhören. Dies geht im aktuellen Praxisalltag leider häufig unter, da man sich dafür auch Zeit nehmen muss. Aber oftmals kann man durch eine gute Praxisorganisation auch zeitliche Räume schaffen, um sich in notwendigen Situationen die Zeit nehmen zu können – ohne dass die nächsten Patientinnen warten müssen.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapien oder Geräte, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?

Frau Prof. Dr. Brocker: Im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe ist natürlich der Ultraschall ein zentraler Punkt der ärztlichen Diagnostik. Hier informieren wir uns ständig über neue Optimierung der Geräte und versuchen etwaige Erneuerung zeitnah in die Praxis zu integrieren. Aber auch moderne Geräte zur Beurteilung des Gebärmutterhalses (Kolposkopie) oder zur Überwachung des Kindes im Mutterleib (CTG-Gerät) mit direkter digitaler Übertragung ins medizinische Dokumentationssystem liegen vor.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?

Frau Prof. Dr. Brocker: Es gibt viele Patientinnen, die mir immer noch in Erinnerung sind. Dies sind emotional freudige Ereignisse wie zum Beispiel im Kreissaal oder auch traurige Geschichten, wie sie zum Beispiel in der Onkologie vorkommen können. Da könnte ich jetzt unzählige Beispiele nennen… und ehrlich gesagt, kommen jeden Tag neue spannende Erlebnisse in meinem Berufsalltag dazu.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Frau Prof. Dr. Brocker: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Nutzen Sie dieses Angebot der Krankenkassen und gehen Sie zum Mammographie-Screening, auch wenn es vielleicht nicht angenehm ist. Es bedeutet natürlich nicht, dass immer ein unauffälliger Befund erhoben werden kann, aber man entdeckt den Krebs früher und kann entsprechend eingreifen.

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