Artikel 24/03/2018

Der Gang zum Urologen würde Schnarchern nicht im Traum einfallen

Dr. Dr. Stefan Buntrock Urologe, Sportmediziner
Dr. Dr. Stefan Buntrock
Urologe, Sportmediziner
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Die meisten Betroffenen wissen gar nicht um ihr Problem. Kein Wunder, denn sie schlafen während es passiert. Erst wenn Bettgenossen anfangen, nachts in andere Zimmer umzuziehen, kommen nächtliche Atmungsstörungen ans Licht. Dabei ist Schnarchen keine Bagatelle. Im Schlaf erschlafft die Muskulatur im Rachenraum und blockiert die freie Passage der Atemluft. Im schlimmsten Fall können sich die Atemwege komplett verschließen, was zu Atemaussetzern führt. Das nennt man „Schlafapnoe“. Sie lässt den Sauerstoffgehalt im Blut sinken. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Körper.

Wer schlecht schläft, ist tagsüber immer müde, kann sich nicht konzentrieren und macht schneller Fehler, die im schlimmsten Fall zu verhängnisvollen Unfällen führen. Auch der Kreislauf ist betroffen. Nächtliche Atmungsstörungen erhöhen das Risiko für plötzlichen Herztod, Schlaganfall und Herzinfarkte und können sogar depressive Symptome auslösen. Und wenn Sie „Blutdruck“ haben, könnte ein möglicher Auslöser in schlechtem Schlaf begründet sein.

Warum ist der Urologe der richtige Ansprechpartner?

Nächtliches Wasserlassen ist ein häufiges Problem bei älteren Patienten. Typischerweise ist das Befinden am Tage gar nicht so schlecht, nur in der Nacht will die Blase keine Ruhe geben. Dafür kann es unterschiedliche Ursachen geben. Zum einen wird uns heutzutage von allen Seiten eingeredet, wir sollen trinken, trinken, trinken. Doch wer viel trinkt, scheidet auch viel aus, besonders, wenn er es vor dem Schlafen tut. Zum anderen nehmen Körperfunktionen mit dem Alter ab.

Normalerweise wird Urinausscheidung während des Schlafens über ein Hormon gedrosselt. Bei älteren Menschen kann die Hormonproduktion verringert sein. Die Folge ist eine erhöhte Harnproduktion in der Nacht.

Auch die Pumpfunktion des Herzens spielt eine Rolle. Ein starkes Herz hat keine Mühe, der Schwerkraft zu trotzen und die Ansammlung von Flüssigkeit in den Beinen („Ödeme“) zu verhindern. Wer jedoch unter Ödemen leidet, weiß aus Erfahrung, dass er nachts das ein oder andere Mal auf die Toilette muss. Denn im Liegen hat es das Herz leichter mit dem Pumpen, so dass die Nieren den Flüssigkeitsüberschuss während dieser Zeit nach draußen befördern. Nicht zuletzt können auch Medikamente für eine erhöhte Urinproduktion sorgen.

Welche Rolle kann eine Schlafapnoe spielen?

Eine mögliche Erklärung besagt, dass in der Lunge ein Unterdruck durch die kollabierte Rachenmuskulatur  entsteht. Dadurch strömt venöses Blut zurück in den Vorhof des Herzens und erhöht dort den Druck. In der Herzwand gibt es Druckfühler, die den Druck registrieren. Erhöhter Druck signalisiert: zu viel Flüssigkeit im Körper. Also schütten die Herzmuskelzellen ANP aus, das atriale natriuretische Peptid. Die Nieren reagieren darauf mit erhöhter Harnproduktion. Die Folge: nächtliches Wasserlassen.

Es gibt jedoch auch Menschen, die nachts trotz großen Harndrangs nur kleine Mengen ausscheiden. Hier gibt es auch tagsüber oft Probleme mit plötzlichem Harndrang, der nur schlecht oder gar nicht unter Kontrolle zu bringen ist und manchmal mit unfreiwilligem Harnverlust endet. Die Urologen sprechen hier von einer überaktiven Blase. Der Zusammenhang zwischen überaktiver Blase und Schlafapnoe wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Der nächtliche Sauerstoffmangel korreliert dabei mit der Drangsymptomatik. Behandelt man die Schlafapnoe, verbessert sich das Beschwerdebild.

Übrigens: Bei Menschen mit Schlafapnoe ist die Frequenz nächtlicher Toilettengänge um 52-77 % erhöht, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung.

Schlechter Schlaf kann Sexualfunktionsstörungen verursachen

Sexualfunktionsstörungen wirken sich ebenfalls auf nächtlichen Sauerstoffabfall durch Atmungsstörungen aus. Ein vor wenigen Jahren veröffentlichter Datenvergleich mehrerer Studien zu dem Thema kam zu dem Schluss, dass ein bis zwei Drittel der Männer und Frauen mit Schlafapnoe Sexualfunktionsstörungen aufwiesen. Es handelte sich um Potenz-, Libido- oder Orgasmusstörungen. Sie konnten durch eine Behandlung der Schlafapnoe deutlich verbessert werden.

Wer ist betroffen?

Besonders Männer haben ein erhöhtes Risiko. Sie sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Etwa 3-7 % der Männer und 2-5 % der Frauen leiden unter Schlafapnoe. Das Risiko nimmt ab dem mittleren Lebensalter zu und ist ans Körpergewicht gekoppelt. Übergewicht und Fettleibigkeit sind gravierende Risikofaktoren. In dieser Gruppe ist wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge fast die Hälfte von Schlafapnoe betroffen.

Darüber hinaus begünstigen Rauchen und abendlicher Alkoholgenuss (auch kleine Mengen) die nächtlichen Atemaussetzer.

Was kann man tun?

Der Lebensstil sollte zuerst auf den Prüfstand. Gewichtsnormalisierung, Sport, Verzicht auf Rauchen und Alkohol bis vier Stunden vor dem Schlafengehen sind so wirkungsvoll, dass alleine dadurch langfristig eine beträchtliche Verbesserung erzielt werden kann.

Die kontinuierliche Überdruckbeatmung (CPAP) ist bei Schlafapnoe sehr effektiv und wird häufig verordnet. Über eine Nasenmaske wird Raumluft in die Atemwege gepumpt und sie wird dadurch offengehalten. Es gibt weitere Verfahren, die jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.

Wie kann ich herausfinden, ob ich unter Schlafapnoe leide?

Für eine ordentliche Diagnose muss man in einem Schlaflabor übernachten. Um jedoch einen ersten Eindruck zu erhalten, ob man sich diesem Aufwand unterziehen sollte, kann eine einfache Polygraphieuntersuchung gute Dienste leisten. Diese Untersuchung findet zu Hause im eigenen Bett statt. Sie besteht aus einem Brustgurt, einer Nasenmaske und einem Fingerling für die Sauerstoffmessung. Im Prinzip liefert die Polygraphie Daten zu Schnarchereignissen, Apnoephasen und kritischem Sauerstoffmangel. Wenn sich hier ein Anfangsverdacht ergibt, geht es im nächsten Schritt zum Schlafmediziner ins Schlaflabor.

Fazit

Nicht jeder Schnarcher hat auch Atemaussetzer. Allerdings ist Schlafapnoe bei bestimmten Risikofaktoren häufig. Daher ist es auch in der Urologie sinnvoll, Schlaf in die Betrachtung mancher urologischer Probleme miteinzubeziehen.

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