Artikel 19/04/2019

No-Scalpel-Vasektomie: sicherer und schonender geht es nicht!

Prof. Dr. med. Johannes Ullrich Schwarzer Urologe, Androloge
Prof. Dr. med. Johannes Ullrich Schwarzer
Urologe, Androloge
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Die Sterilisationsvasektomie beim Mann ist die sicherste Form der Schwangerschaftsverhütung.

Die Sterilisationsvasektomie wird nach groben Schätzungen mindestens 50.000 Mal pro Jahr in der BRD durchgeführt. Exakte Zahlen über die tatsächliche Häufigkeit der Vasektomie in deutschen Praxen und Kliniken liegen nicht vor. Nach Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung waren im Jahr 2007 3% der Männer sterilisiert.

Was kann mit einer Vasektomie erreicht werden?

Eine Vasektomie ist ein sinnvoller Beitrag des Mannes zur Verhütung in der Partnerschaft, um der Partnerin belastende Maßnahmen wie Pille, Spirale oder Eileiterdurchtrennung zur ersparen. Sie ist in den westlichen Industrieländern als Verhütungsmaßnahme fest etabliert. Die Sterilisation des Mannes (vor allem in der minimal-invasiven ‘No-Scalpel-Technik’) in örtlicher Betäubung ist wesentlich weniger belastend als die Sterilisation der Frau, die in Vollnarkose durchgeführt werden muss.

Durch die Sterilisation ist der Mann zeugungsunfähig, ohne dass dabei die Potenz oder der Hormonhaushalt beeinflusst wird. Die durch die Vasektomie herbeigeführte Unfruchtbarkeit sollte als endgültiger Zustand gewollt sein.

Was spricht gegen eine Vasektomie?

Als mögliche Gründe gegen die Vasektomie gelten ein Alter unter 30 Jahren und Kinderlosigkeit, schwere Allgemeinerkrankungen sowie bereits bestehende chronische Hodenschmerzen wegen des Risikos der Schmerzverstärkung durch die Sterilisation.

Sollten sich die Lebensumstände ändern, sodass ein erneuter Kinderwunsch besteht, kann die Sterilisation operativ rückgängig gemacht werden. Alternativ können Spermien auch operativ gewonnen und anschließend für eine künstliche Befruchtung verwendet werden. Beide Verfahren bieten gute Erfolgschancen, jedoch keine Erfolgsgarantie.

Operationstechnik bei der Sterilisation

Die Sterilisationsvasektomie wird in Deutschland seit vielen Jahrzehnten in weitgehend standardisierter Technik durchgeführt. Trotzdem gibt es bisher keine Leitlinien zur Sterilisationsvasektomie einer deutschen medizinischen Fachgesellschaft. Jedoch liegt eine europäische Leitlinie aus dem Jahr 2012 vor. Ihr zufolge gelten folgende Kriterien als entscheidend für die operative Qualität:

  • die Durchtrennung der Samenleiter
  • die Verschorfung
  • die Unterbindung der Samenleiterstümpfe
  • die Verlagerung der Samenleiterstümpfe in verschiedene Gewebsschichten

Für den Erfolg der Sterilisation kommt es also nicht darauf an, wie lang die herausgetrennten Stücke der Samenleiter sind. Der operative Zugang zur Vasektomie erfolgt über eine oder zwei skrotale Hautschnitte am Hodensack, sodass die Samenleiter durchtrennt werden können. Eine feingewebliche Untersuchung der entfernten Samenleiterstücke ist nicht erforderlich.

Die Autoren der EAU-Leitlinien sind sich bei dieser Technik einig. Sie sagen, dass durch die oben genannten Operationsschritte die geringste Rate an Vasektomieversagen und Rekanalisation erreicht werden kann.

Die ‘No-Scalpel-Vasektomie’ ist die schonendste Technik

Die bereits seit Jahrzehnten bekannte und ursprünglich aus China stammende Technik der No-Scalpel-Vasektomie (NSV) ist durch den Zugang über nur eine Stichinzision am Hodensack weniger traumatisch als der beidseitige Zugang bei der herkömmlichen Vasektomietechnik.

Ebenso verursacht die spezielle Ringklemme bei der NSV weniger Trauma als die herkömmlich verwendeten Klemmen. Deshalb erfährt die Sterilisation ohne Skalpell (No-Scalpel-Vasektomie) in vielen Ländern eine zunehmende Verbreitung. Auch in Deutschland. Die Leitlinien der ‘European Association of Urology’ führen sie als die schonendste Technik.

Ablauf des Eingriffs

Der ca. 20-minütige Eingriff erfolgt in der Regel in örtlicher Betäubung, die zu völliger Schmerzfreiheit während und nach dem Eingriff führt. Dabei wird ein kleiner Einstich in die Haut des Hodensacks vorgenommen. Dann werden beide Samenleiter mit speziellen Instrumenten durch die kleine Öffnung am Hodensack hervorgeholt und durchtrennt. Meist werden kleine Stücke der Samenleiter (1-2 cm) entfernt.

Die Stümpfe der Samenleiter werden dann verschorft, mit Nähten unterbunden und in verschiedene Gewebsschichten verlagert. Und zwar so, dass sie nicht mehr zusammenwachsen können. Die Samenleiterstümpfe müssen nicht – wie es gelegentlich praktiziert wird – umgeschlagen werden. Die vor allem in den USA propagierte „Open-End-Vasektomie“ erscheint nicht vertretbar. Denn dadurch erhöht sich das Risiko, dass die Samenleiter erneut zusammenwachsen deutlich.

Mögliche Komplikationen der Behandlung

Jeder noch so kleine Eingriff kann Komplikationen verursachen, aber die Komplikationsrate bei der NSV ist sehr gering. Es kann akute Komplikationen wie Nachblutung mit Bluterguss (Risiko 0,5 %), Wundinfektion (Risiko 1 %) oder Allergie gegen ein örtliches Betäubungsmittel (Risiko < 0,5 %) geben. Daneben gibt es langfristige Komplikationen. Insbesondere das sogenannte ‘Postvasektomie-Syndrom’, auch ‘Genitalneuralgie’, genannt.

Dabei handelt sich um ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich eines oder beider Hoden. Es strahlt oft in die Leiste aus, mit unterschiedlicher Ausprägung. Es kann sofort oder erst Wochen nach der Vasektomie auftreten und ist manchmal nur schwer zu therapieren. Dieses Schmerzsyndrom wird in der medizinischen Literatur mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit beschrieben (bis zu 5 %). Ob es auftritt, ist von der Vasektomietechnik und von der Erfahrung des Operateurs abhängig.

Alles spricht dafür, dass ein bleibendes Schmerzsyndrom nach der Vasektomie dann auftreten kann, wenn die Samenleiter bei der Vasektomie relativ grob unter Miterfassung von begleitenden Nerven und anderen Gewebsstrukturen durchtrennt wurden. Aus diesem Grund tritt ein Postvasektomie-Syndrom nach einer korrekt durchgeführten No-Scalpel-Vasektomie, wo die Präparation des Samenleiters sehr subtil erfolgt und keine Begleitstrukturen unterbunden werden, extrem selten auf.

Hier spielt also die Erfahrung des Operateurs die entscheidende Rolle. Eine weitere mögliche Komplikation der Vasektomie in herkömmlicher Technik stellt die Bildung einer Hydrozele dar. Das ist ein sogenannter ‘Wasserbruch’ in einem oder beiden Hoden.

Über die o. g. möglichen Komplikationen wird der Arzt den Patienten vor der Entscheidung zur Sterilisation ausführlichst aufklären.

Dabei wird er den Patienten gegebenenfalls auch über die wissenschaftliche Diskussion über ein fragliches Prostatakrebsrisiko durch die Sterilisation informieren. Er wird auch darauf verweisen, dass es derzeit wissenschaftlich nicht bewiesen ist.

Außerdem wird über die Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen der Samenflüssigkeit zum Nachweis fehlender Spermien in der Samenflüssigkeit und über die trotzdem bestehende Möglichkeit einer Wiedervereinigung eines oder beider Samenleiter und damit erneuter Zeugungsfähigkeit zu jeglichem späteren Zeitpunkt aufgeklärt. Das tritt allerdings sehr selten ein.

Auflistung der am ehesten möglichen Komplikationen:

  • Akutkomplikationen (innerhalb der ersten Tage):
  • Bluterguss durch Nachblutung
  • Allergische Reaktionen
  • Wundinfektion

Längerfristige Komplikationen:

  • Postvasektomie-Syndrom (= Genitalneuralgie): chronische Hoden und/oder Leistenschmerzen
  • Kugelige Narbenbildung an den Samenleiterstümpfen
  • Flüssigkeitsansammlung im Hodensack
  • Psychische und sexuelle Probleme (nicht organisch bedingt)
  • Risiko der Rekanalisation zu jedem späteren Zeitpunkt

Erforderliche Aufklärungsinhalte vor Vasektomie:

  • Akutkomplikationen wie Allergie, Nachblutung, Infektion etc.
  • Längerfristige Komplikationen und mögliche Folgen wie Postvasektomie-Syndrom (Genitalneuralgie), Samenleitergranulome, Hydrozele testis, psychische und sexuelle Probleme
  • Postoperative Spermiogrammkontrollen bis zum Nachweis der Azoospermie
  • Rekanalisationsrisiko zu jedem späteren Zeitpunkt
  • Diskussion über fragliches Prostatakrebsrisiko

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