Artikel 02/03/2011

Fragen und Antworten zum Risikofaktor "Familiärer Darmkrebs"

Dr. med. Berndt Birkner Internist, Gastroenterologe
Dr. med. Berndt Birkner
Internist, Gastroenterologe
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Ca. 30 % der Menschen, die an Darmkrebs erkranken, haben ein familiär erhöhtes Risiko für diese Erkrankung. Insgesamt sind in Deutschland etwas vier Millionen Menschen davon betroffen. Die meisten haben entweder überhaupt keine Kenntnis davon, dass es in ihrer Familie ein erhöhtes Risiko für diese Krebserkrankung gibt, oder wissen nicht, dass für sie andere Vorsorgeempfehlungen gelten als für Menschen ohne familiäre Belastung. Es gibt gegenwärtig keine praktischen Maßnahmen, um Menschen mit erhöhtem Darmkrebsrisiko in der ärztlichen Alltagspraxis frühzeitig zu identifizieren und über geeignete Vorsorgestrategien aufzuklären.

Umso wichtiger ist es, die betroffene Personengruppe über die Medien darüber aufzuklären, was das Vorliegen eines familiären Risikos für sie bedeutet, wie sie es erkennen und auf welche Weise sie sich wirkungsvoll vor Darmkrebs schützen können.

Mein persönliches Darmkrebsrisiko

1. Was versteht man unter einem familiär erhöhten Darmkrebsrisiko?

  • Wenn in einer Familie in mehreren Generationen einer Linie jeweils ein oder mehrere Fälle von Darmkrebs vorkamen/-kommen.

  • Von einem familiär erhöhten Risiko spricht man aber auch im Zusammenhang mit dem Risiko aller direkter Verwandter (Eltern, Geschwister, Kinder) derjenigen Personen, die erstmals in einer Familie an Darmkrebs erkranken.

2. Wer ist von einem familiär erhöhten Darmkrebsrisiko betroffen?

  • Jeder direkte Verwandte eines Darmkrebspatienten.

  • Jeder direkte Verwandte von Personen, bei denen Polypen (Adenome) erkannt wurden.

  • Jeder direkte Verwandte von Personen, bei denen Magen-, Eierstock-, Gebärmutter- und/oder Harnleiterkrebs erkannt wurde.

3. Um wie viel erhöhte sich das eigene Darmkrebsrisiko, wenn ein direkter Verwandter Darmkrebs hat?

  • Bei einem Fall von Darmkrebs in der Familie verdoppelt bis verdreifacht* sich das Risiko aller direkten Verwandten (Eltern, Geschwister, Kinder), ebenfalls an Darmkrebs zu erkranken.

4. Um wie viel höher liegt das eigene Risiko, wenn zwei oder mehr meiner direkten Verwandten an Darmkrebs erkrankt sind und wenn es in der Familie eventuell auch noch Fälle von Magen-, Eierstock-, Gebärmutter- und/oder Harnleiterkrebs gibt?

  • Wenn mehrere direkte Verwandte an Darmkrebs erkrankt sind, liegt der Verdacht nahe, dass eine erbliche Form von Darmkrebs vorliegt. Gleiches gilt für das Auftreten von Magen-, Eierstock-, Gebärmutter- und/oder Harnleiterkrebs in Verbindung mit Darmkrebs. Bei erblichem Darmkrebs
    steigt das Risiko direkter Verwandter, ebenfalls an diesem Krebs zu erkranken, auf 60-80%* an.

*Darmkrebsrisiko bei familiären und hereditären Risikopersonen unter 55 Jahren, Colon Cancer Risk in Persons at Familial or Hereditary Risk Aged < 55 Years A. Waldmann, H. Raspe, A. Katalinic, Z Gastroenterol 2009; 47(10): 1052-1058, DOI: 10.1055/s-0028-1109515, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

5. Ab welchem Alter kann ich von einem familiär erhöhten Darmkrebsrisiko betroffen sein?

  • Bei direkten Verwandten von Darmkrebspatienten (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das Risiko, an Darmkrebs und/oder Darmpolypen (Adenomen) zu erkranken, gegenüber der Normalbevölkerung um 10 Jahre vorverlegt. Steigt das Risiko bei durchschnittliche belasteten Personen ab dem Alter von 50 Jahren steil an, ist dies bei familiär belasteten Personen bereits ab dem Alter von 40 Jahren der Fall.

  • Liegt in einer Familie ein erbliches Darmkrebsrisiko vor, erhöht sich das Risiko für direkte Verwandte hingegen bereits ab dem Alter von 20-25 Jahren.

6. Kann ich das Entstehen von Darmkrebs trotz des Vorliegens eines erhöhten familiären Risikos vermeiden?

  • Auch für Menschen mit familiär erhöhtem und/oder erblichem Darmkrebsrisiko gilt, dass sich das Entstehen von Krebs durch das rechtzeitige Erkennen von Krebsvorstufen (Polypen/Adenomen) verhindern lässt. Personen mit erblicher Belastung müssen allerdings andere Vorsorgeregeln als die Normalbevölkerung befolgen.

7. Welche Vorsorgemöglichkeiten werden mir im Fall eines erhöhten Darmkrebsrisikos empfohlen?

  • Allen Personen, die von einem familiär erhöhten oder erblichen Risiko betroffen sind, wird empfohlen, Darmkrebsvorsorge ausschließlich mittels Darmspiegelung durchzuführen. Stuhltests, wie sie der Bevölkerung mit durchschnittlichem Risiko ab dem Alter von 50 Jahren angeboten werden, werden bei belasteten Personen als nicht ausreichend angesehen.

8. Ab welchem Alter sollte ich bei Vorliegen einer familiären Belastung mit der Darmkrebsvorsorge beginnen?

  • Bei moderater Belastung (ein direkter Verwandter mit Darmkrebs) empfehlen Experten, 10 Jahre vor dem Alter, in dem der Verwandte an Darmkrebs erkrankte, spätestens jedoch im Alter von 40 bis 45 Jahren, mit der Vorsorge zu beginnen.

  • Das familiäre Risiko ist umso höher, je früher der Zeitpunkt der Diagnosestellung bei dem erkrankten Verwandten war. Wurde Darmkrebs bei diesem z. B. bereits im Alter von 40 oder 45 Jahren erkannt, sollten alle direkten Verwandten mit 30 bzw. 35 Jahren mit der Darmkrebsvorsorge beginnen.

  • Bei erblicher Belastung (mehrere Verwandte mit Darm-, Magen-,Eierstock-, Gebärmutter und/oder Harnleiterkrebs) sollten präventive Darmspiegelungen bereits ab dem Alter von 25 Jahren durchgeführt werden.

9. Wie erkennt man, ob in der Familie ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs besteht?

  • Wer an Darmkrebs erkrankt ist, muss wissen, dass aufgrund seiner eigenen Erkrankung alle direkten Verwandten (Eltern, Geschwister, Kinder) ein erhöhtes Risiko für diesen Krebs haben, und sollte seine Verwandten entsprechend aufklären und zur Teilnahme an einer präventiven Untersuchung motivieren.

  • Da in vielen Familien nicht offen über Krebserkrankungen von Angehörigen gesprochen wird, ist das wirksamste Mittel, um das Vorliegen einer familiären Belastung festzustellen, die Familienforschung: Wer in der Familie war/ist an welchem Krebs gestorben/erkrankt? Sind bei nahen Verwandten bösartige Tumore des Darms, Magens, Eierstocks, der Gebärmutter und/oder der Harnleiter aufgetreten, und wenn ja, in welchem Alter?

  • Ein wichtiges Indiz für die Einschätzung des eigenen Darmkrebsrisikos ist das Alter, in dem die betroffenen Familienmitglieder mit Darmkrebs und/oder Darmpolypen bzw. Magen-, Eierstock-, Gebärmutter oder Harnleiterkrebs diagnostiziert wurden. Je jünger das Alter bei Diagnosestellung, desto höher das Risiko, bereits in jungen Jahren an Darmkrebs zu erkranken.

10. Übernimmt meine Versicherung die Kosten für die Darmspiegelung vor dem Alter von 55 Jahren, wenn ich eine familiäre Belastung habe?

11. Was muss ich tun, wenn ich feststelle, dass ich eine familiäre Belastung für Darmkrebs habe?

  • Am besten lässt man sich von einem Facharzt für den Magen-/Darmtrakt (Gastroenterologe) über das weitere Vorgehen und die risikoangepasste Vorsorge beraten.

  • Bei Verdacht auf Vorliegen eines erblichen Risikos ist es sinnvoll, dass sich die Familie außerdem von einem Humangenetiker beraten lässt.

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