Artikel 20/09/2019

9 Fragen zur Rotatorenmanschette: Was tun, wenn die Sehne gerissen ist?

Dr. med. Julian Dexel Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
Dr. med. Julian Dexel
Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
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Der jameda-Orthopädentipp erklärt Ursachen, Symptome & Behandlung der gerissenen Rotatorenmanschette.

1. Was ist die Rotatorenmanschette?

Die Rotatorenmanschette ist eine Muskel-Sehnen-Platte, die den Oberarmkopf umfasst und ein wichtiger Bestandteil des Bewegungsapparates der Schulter ist. Zu Rissen der Rotatorenmanschette kommt es meistens aufgrund von Abnutzung (degenerative Rupturen) und seltener durch Unfälle (traumatische Rupturen).

Die Rotatorenmanschette besteht aus vier Muskeln und ihren dazugehörigen Sehnen, die vom Schulterblatt zum Oberarm reichen und unser Schultergelenk umgeben:

  • Vorderer Unterschulterblattmuskel (Musculus subscapularis) – Innendreher
  • Oberer Obergrätenmuskel (Musculus supraspinatus) – Abspreizer
  • Hintere Muskeln der RM – Außendrehung
  • Untergrätenmuskel (Musculus infraspinatus)
  • Kleiner runder Armmuskel (Musculus teres minor)

Die Muskeln sorgen dafür, dass der Arm abgespreizt und nach innen und außen gedreht werden kann. Außerdem hält die Rotatorenmanschette den Oberarmkopf mittig im Gelenk und ermöglicht ein harmonisches Gleiten in alle Bewegungsrichtungen.

2. Wie häufig ist die Rotatorenmanschettenruptur?

Die Ruptur der Rotatorenmanschette ist die häufigste Erkrankung der Schulter. Das Risiko der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter und mit dem Funktionsanspruch an die Schulter. Meistens ist die Sehnen des Abspreizers (M. Supraspinatus) betroffen. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette kann lange Zeit ohne Symptome verlaufen und unentdeckt bleiben.

3. Welche Ursachen und Risikofaktoren der Rotatorenmanschettenruptur gibt es?

Unterschieden werden unfallbedingte und abnutzungsbedingte Rupturen. Rein unfallbedingte Verletzungen sind deutlich seltener. Sie treten vor allem bei Stürzen auf den abgespreizten oder angelegten Arm auf oder bei starken Krafteinwirkungen mit heftigem Festhalten oder Auffangen.

Am häufigsten sind Verletzungen, die ein akutes Ereignis auf einen chronischen Schaden aufweisen. Hierbei sorgt eine Verletzung ohne große Krafteinwirkung oder eine ruckartige Bewegung der Schulter oder des Armes dafür, dass eine bereits vorgeschädigte Sehne abreißt.

Alle Strukturen im Körper unterliegen einem natürlichen Alterungsprozess und die Sehnenplatte nimmt im Alter an Dicke ab. Das kann schlussendlich in einem Riss enden. Dieser Prozess kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden.

Eine vermehrte Belastung, wiederkehrende Verletzungen oder auch Rauchen können diesen Verschleißprozess beschleunigen. Als weiterer Risikofaktor können die Kalkschulter (Sehnenverkalkung der Rotatorenmanschette) und das Impingementsyndrom (Engpasssyndrom unter dem Schulterdach) genannt werden.

4. Welche Symptome und welche Beschwerden treten bei einer Rotatorenmanschettenruptur auf?

Die Beschwerden bei einem Rotatorenmanschettenriss können sich unterscheiden und reichen von kompletter Beschwerdefreiheit bis hin zu massiven Schulterschmerzen mit stark eingeschränkter Beweglichkeit und Kraftverlust.

Es können Teilrupturen oder kleinere Risse auch ohne oder mit nur kurzen Beschwerden auftreten. Größere Risse machen sich in vielen Fällen durch ziehende oder stechende Schmerzen im Schulterbereich bemerkbar. Verstärkt werden die Schmerzen vor allem, wenn der Arm bewegt wird. Z. B. bei einer Drehbewegung oder beim Abspreizen gegen einen Widerstand.

Von einer Bewegung unabhängige Ruheschmerzen werden ebenfalls beschrieben. Außerdem berichten viele Patienten, dass Sie auf der betroffenen Schulter nicht mehr liegen können und Nachtschmerzen haben.

Vor allem bei verschleißbedingten Erkrankungen treten anfangs häufig wenig Schmerzen auf, weshalb die Diagnose oft erst verspätet gestellt wird.

Es werden Teilrisse von Komplettrissen unterschieden. Häufig gehen diese auch ineinander über. Das heißt, ein Riss kann im Verlauf an Größe zunehmen. Bei dem kompletten Abriss eines Muskels kann sich die Sehne zurückziehen und der Muskel abbauen und verfetten.

Bleibt eine Rotatorenmanschettenruptur unentdeckt und unbehandelt, kann es zu einem starken Verschleiß der Gelenkpartner in Form von Arthrose kommen. Dabei verschiebt sich der Oberarmkopf, was durch die gerissene Rotatorenmanschette bedingt ist. Es entsteht das Erkrankungsbild der Defektarthropathie.

5. Wie wird die Diagnose gestellt?

Neben der Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und einer gezielten körperlichen Untersuchung können erste Rückschlüsse auf eine Schädigung oder Unversehrtheit der Rotatorenmanschette festgestellt werden. Bei entsprechendem Verdacht schließt sich eine radiologische Untersuchung an.

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) ist notwendig, um zu beurteilen, ob sich die Sehne durch das Zurückziehen verfettet hat und ob sich die Muskulatur abgebaut hat. Damit kann eine Entscheidung getroffen werden, welche Verfahren zur Behandlung verwendet werden können.

6. Wie wird die Erkrankung behandelt?

Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Schädigung und dem Leidensdruck des Pateinten. Nur selten ist eine umgehende operative Behandlung notwendig, sodass am Anfang meist eine konservative Therapie mit Schmerzmedikamenten begonnen werden kann. Sie sollten eine entzündungshemmende Wirkung haben (Nichtsteroidale Antirheumatika wie zum Beispiel Naproxen, Diclofenac oder Ibuprofen). Des Weiteren ist in diesem Stadium eine Physiotherapie sinnvoll (Bewegungs-, Koordinations- und Kräftigungsübungen mit dem Ziel der Zentrierung des Oberarmkopfes in der Gelenkpfanne).

Injektionen mit cortisonhaltigen Präparaten in das Gelenk sollten zurückhaltend erfolgen. Denn die Schmerzen und die Entzündung können zwar kurzfristig reduziert werden, allerdings geht das auf Kosten der Sehnenqualität und der Chancen auf Einheilung bei einer Operation.

In manchen Fällen können die Beschwerden nicht konservativ gelindert werden und nehmen zusammen mit Funktionseinschränkungen mit der Zeit zu. Dann sollte eine operative Behandlung in Erwägung gezogen werden.

Bei älteren Patienten wurde in den letzten Jahren zumeist die konservative Therapie empfohlen. Aufgrund der steigenden Aktivität bis ins hohe Alter und dem demographischen Wandel in unserer Gesellschaft steigt die Zahl an Patienten, die sich mit einer schmerzhaften Einschränkung der Schulter nicht abfinden wollen.

Aktuelle Studien der letzten Jahre zeigen, dass gerade der aktive ältere Patient von einer Operation profitiert und sich Funktion und Schmerzen signifikant verbessern. Durch die schonende Vorgehensweise der Arthroskopie kann die Sehne auch bei älteren Pateinten mit Erfolg rekonstruiert werden.

7. Wie erfolgt die operative Therapie?

Die Operation findet in einer Vollnarkose statt. Sie kann konventionell offen oder minimalinvasiv arthroskopisch mit der Schlüssellochtechnik erfolgen. Das Verfahren sollte entsprechend der Leitlinie „Rotatorenmanschette“ nach Erfahrung des Operateurs, in Abhängigkeit der Schädigung und dem Patientenwunsch gewählt werden.

Bei der arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette werden Fadenanker in den Oberarmkopf eingebracht. Die Anzahl ist abhängig von der Rissgröße. Mit den Fäden wird die Sehne gefasst, sodass sie wieder am Knochen befestigt ist und einheilen kann.

Bei ausgedehnten Rissen oder weit zurückgezogenen Sehnen kann gegebenenfalls nur ein Teilverschluss erfolgen. Sollte bereits eine Defektarthropathie bestehen, sollte die Versorgung mit einem Kunstgelenk in Erwägung gezogen werden.

8. Wie ist die Nachbehandlung?

Die Schulter ist für ca. sechs Wochen in einem Schulterkissen ruhiggestellt, damit die Sehne einheilen kann. Es kann jedoch zur Körperpflege abgelegt werden.
In dieser Phase der Nachbehandlung erfolgen nur passive Bewegungsübungen (Bewegungen von außen) durch die Physiotherapie oder durch einen Bewegungsstuhl.

Nach diesem Zeitintervall kann die Schulter aktiv bewegt werden, um die Muskulatur mit der Physiotherapie oder in einer ambulanten Rehabilitation (für drei Wochen) wieder zu kräftigen. Nach drei Monaten erlangen die Patienten in den allermeisten Fällen eine gute und schmerzfreie Schulterfunktion zurück. Je nach Ausdehnung der Verletzung kann dies auch bis zu sechs Monate betragen.

Jeder Patient erhält ein detailliertes Nachbehandlungsschema für den Patienten und den nachbehandelnden Physiotherapeuten.

9. Ist jeder Riss der Rotatorenmanschette vergleichbar?

Bei der heutigen Behandlung der Rotatorenmanschette muss die Diagnostik und Therapie sehr differenziert und individualisiert auf den Patienten bezogen erfolgen.

Es stehen eine Vielzahl von diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung, aus deren Vielfalt das optimale Konzept für den Patienten gewählt werden muss. Das ist die Aufgabe des modernen, auf Schulterproblemen spezialisierten Orthopäden.

Zusammenfassung

Operationsdauer

Ca. 45-60 min

Krankenhausaufenthalt

Nur bei schweren Begleiterkrankungen

kurzstationär

1-2 Tage

Ambulante Operation

In den meisten Fällen

Schulterorthese (Abduktionskissen)

4-6 Wochen

Rehabilitation

Physiotherapie und Eigenübungen (Ggf. ambulante Rehabilitation über ca. drei Wochen)

Arbeitsunfähigkeit

ca. 6-12 Wochen, je nach beruflicher Belastung

Risiken

  • Wundheilungsstörung
  • Vereiterung/Infektion
  • erneuter Riss (stark abhängig von der Rupturgröße und der fettigen Degeneration)
  • adhäsive Kapsulitis/Frozen Shoulder (Eingeschränkte Beweglichkeit)

Behandlungsalternativen

Konservative Therapie

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