Ist bei einem Unfall das Kniegelenk betroffen, kann sich die Kniescheibe ausrenken und man spricht von einer Patellaluxation. Sie geht mit Schmerzen einher und die Betroffenen müssen Bewegungseinschränkungen in Kauf nehmen. Daher lohnt es sich, einen Blick auf Prophylaxemöglichkeiten sowie konservative und operative Behandlungen zu werfen.
Ursache der Patellaluxation
Das passiert häufig im Rahmen eines direkten Unfalls durch Sturz auf das Knie oder seitliches Anpralltrauma (ca. 3 %). Durch ein inadäquates Ereignis bei vorbestehenden, anatomischen Veränderungen. Diesbezüglich muss
- das fehlerhaft ausgebildete Gleitlager der Kniescheibe,
- die hochstehende Kniescheibe,
- das Verhältnis des Gleitlagers zum Kniescheibensehnenansatz,
- das X-Bein,
- Rotationsfehler im Ober- und Unterschenkel sowie
- Schwächen im Bereich der Muskeln und Sehnen genannt werden.
Natürlich kann die Patella (Kniescheibe) bei der Geburt bereits luxiert (ausgerenkt) sein (kongenitale Patellaluxation). Das ist meist mit anderen Deformitäten wie einem X-Bein kombiniert. Durch fehlerhaften Zug im äußeren Muskel des vierköpfigen Oberschenkelmuskel (M. vastus lateralis des M.quadriceps). Durch neurologische Erkrankungen oder nach ärztlicher Behandlung einer äußeren Instabilität (iatrogene Patellaluxation)
Was kann man prophylaktisch tun?
Hier steht das richtige Muskelaufbau- und Koordinationstraining im Vordergrund. Sportarten mit schnellen Richtungswechseln sind ein Risikofaktor. Aufwärmen der Muskulatur und optimale Ausrüstung beim Sport sowie allgemeine Unfallverhütung sind hier besonders wichtig.
Typische Begleitverletzungen
- Verletzung des inneren Sehnenzügels (mediales patellofemorales Ligaments [MPFL]),
- des Seitenbandapparates oder der Kreuzbänder. Knorpel- und Meniskusverletzungen,
- Verletzungen des Quadrizeps, Knochenmarksödem (bone bruise) der Kniescheibe und/oder des Oberschenkelknochens.
Klassifikation
- nach der Richtung: nach außen (lateral), nach innen (medial [meist ärztlich bedingt]), selten vertikal oder Luxation ins Gelenk
- ursächlich (ätiologisch): akute unfallbedingte oder fehlpositionierte, wiederkehrende (rezidivierende), gewohnheitsmäßige(habituelle), chronische, angeborene (kongenitale) oder ärztlich bedingte (iatrogene) Patellaluxation
Klassifikation nach Dejour:
Objektive Patella-Instabilität:
1. wenigstens eine Patellaluxation
2. wenigstens eine anatomische Prädisposition
Potentielle Patella-Instabilität:
1. Patellofemoraler Schmerz
2. eine oder mehrere anatomische Prädispositionen
3. (noch) keine Patellaluxation
Patellofemorales Schmerzsyndrom:
1. Schmerzen hinter der Kniescheibe
2. keine Luxation
3. keine anatomische Prädisposition
Was kann nichtoperativ/konservativ behandelt werden:
- traumatische Erstluxation ohne knöcherne Abscherverletzungen (osteochondrales Flake) nach Abwägung der individuellen Wahrscheinlichkeit einer Reluxation
Was sollte operativ behandelt werden:
Absolute OP-Indikationen:
- Osteochondrale Flakefraktur
- Nicht retinierbare Patellaluxation (Ausnahme !)
- Luxationsfraktur (Ausnahme !)
Relative OP-Indikationen:
Zur Therapieplanung ist das Verstehen der anatomisch-biomechanischen Pathologie mit differenzierter kausaler Behandlungsstrategie entscheidend.
- vollständig rupturiertes mediales patellofemorales Ligament (MPFL) bzw. mediales Retinaculum
- Subluxationsstellung im Seitenvergleich
- knorplige Abscherverletzung (Chondrale Flake-Fraktur), freier Gelenkkörper, rezidivierende Luxationen bzw. Rezidivinstabilität
- Versagen der konservativen Behandlung
Wie läuft die nichtoperative/konservative Therapie ab?
- Aufklärung über Behandlung und Verlauf
- Alternativverfahren
- Komplikationen, Risiken und Langzeitfolgen der funktionellen Behandlung
Viele Patellaluxationen können konservativ behandelt werden. (© Monika Wisniewska - fotolia)
- Diagnostik und Behandlung von Begleitverletzungen
- Immobilisation des betroffenen Kniegelenkes für wenige Tage, anschließend 4-Punkte-Orthese mit stufenweise limitierter Flexion für einen Zeitraum von insgesamt 6 Wochen nach dem Unfallereignis
- Leitliniengerechte Thromboseprophylaxe
- Physikalische Maßnahmen (z.B. Elektrotherapie, Eis, Massage, Taping)
- Teilbelastung der betroffenen Extremität
- Physiotherapie (Bewegungsübungen, aktiv-assistiertes Training, Isometrie (unter besonderer Berücksichtung des M. vastus medialis), progressiver Widerstand, andere)
- Übergang zur funktionellen Nachbehandlung 6 Wochen nach dem Unfallereignis
Dauerfolgen
- chronische Instabilität der Patella
- Arthrose des Patellofemoralgelenks
Prognose
Nichtoperative Behandlung
- nach durchschnittlich 7,5 Jahren sehr gute und gute subjektive Ergebnisse 67-81 %
- hohe Reluxationsrate zum Zeitpunkt der Erstluxation 39- 50 %
- erhöhtes Arthroserisiko
Operative Behandlung
Erstluxation
- Prognose abhängig von den Begleitverletzungen, der Therapie, der Weiterbehandlung und Mitarbeit des Patienten
- 41-96 % sehr gute und gute subjektive Ergebnisse 4,5 Jahre postoperativ
- Reluxationsrate 0-31 %
- auch nach operativer Therapie erhöhtes Arthroserisiko
Rezidivierende Luxation
- nach knöchernen- oder Weichteileingriffen Reluxationsrate von 6-9 % nach 10 Jahren
- Reluxationsrate nach MPFL Ersatz 0-9 % nach 5 Jahren
- 8 Jahre nach Trochleaplastik bei Trochleadysplasie ca. 30 % degenerative Veränderungen
Prävention von Folgeschäden
Ärzte behandeln die Patellaluxation prophylaktisch sowie konservativ und operativ. (© travnikovstudio - fotolia)
- Verstehen der anatomisch-biomechanischen Pathologie mit differenzierter kausaler Behandlungsstrategie
- operative Stabilisierung osteochondraler Läsionen
- operative Stabilisierung bei rezidivierenden Luxationen und assoziierten Knorpelschäden, um eine retropatellare Arthrose zu vermeiden
- Bei Frauen, jungen Patienten und positiver Familienanamnese sollte man beachten, dass das Reluxationsrisiko nach erstmaliger Patellaluxation und konservativer Therapie erhöht ist.
Fazit
Die konservative Therapie ist für einen Großteil der Patellaluxationen der empfohlene Weg. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass dies für die Erstluxation sowie einer "blanden" Diagnostik nach der Wiedereinrenkung gilt. Ein großer Teil der operativen Therapien zielt auf die Reduktion der langfristigen Arthrose ab. Im nichtoperativen Bereich ist hier insbesondere die Kräftigung der innenseitigen Kniestreckmuskulatur zu nennen, welche langfristig auch auf eine Reduktion der Arthrose abzielt.
Hierbei stehen die kurzfristige Ruhigstellung und die anschließende Kräftigung im Vordergrund.
Der Artikel orientiert sich an der aktuellen Leitlinie zur Patellaluxation, eine Überarbeitung dieser ist im Laufe dieses Jahres geplant (Stand 04/2019).