Artikel 04/01/2017

Das jameda-Interview: 9 Fragen an Frau Brigitte Gallwitz

Team jameda
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Brigitte Gallwitz interessante Fragen zu ihren Erfahrungen als Allgemeinmedizinerin.

jameda: Frau Gallwitz, was hat Sie motiviert, Allgemeinmedizinerin zu werden?
Frau Gallwitz: Ich wollte schon immer Menschen aller Altersstufen betreuen. In der Allgemeinmedizin behandele ich den Säugling ebenso wie den alten Menschen. Das war mir sehr wichtig.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Frau Gallwitz: Jeder Mensch ist ein Unikat und so muss ich mich auf jeden neu einstellen. Die größte Freude empfinde ich, wenn ich mit einer individualisierten Therapie dem Menschen helfen kann. Die größte Herausforderung stellt für mich das Herstellen der Therapietreue dar. Nur wenn der Betroffenen verstanden hat, warum er z.B. die Ernährung umstellen, ein bestimmtes körperliches Training absolvieren und er bestimmte Präparate einnehmen muss, dann kann die Therapie Erfolg haben. Kurz gesagt, meine Erklärungen müssen so verständlich sein, dass keine Fragen offenbleiben.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Frau Gallwitz: Vorurteile ist vielleicht zu viel gesagt - doch Skepsis erlebe ich schon öfters. In der Regel verfliegt diese Skepsis, wenn ich meinen Patienten erkläre, warum ihr Stoffwechsel da Probleme macht, das Immunsystem nicht mehr gut funktioniert, das Abnehmen nicht klappen will, obwohl sie sich doch so kasteien, warum sie sich müde und abgeschlagen fühlen, obwohl sie 7-8 Stunden schlafen und, und, und!

jameda:  Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltekraft vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Frau Gallwitz: Es gilt das bereits Gesagte. Minutiös erklären, warum das, was ich verordne und an Lifestyle Änderung vom Patienten verlangen muss, nötig ist. Auch erkläre ich bereits bei der Erstkonsultation, dass der Patient mit wieviel Geduld und Zeit rechnen muss, ehe das Problem gelöst ist. Es ist wichtig bei jeder Konsultation nachzufragen, was sich im Befinden geändert hat. Es liegt in der Natur des Menschen, dass Verbesserungen kaum wahrgenommen werden. Nur die Verschlechterung einer Funktion wird sofort registriert.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt.
Frau Gallwitz:  Beim ersten Mal frage ich natürlich nach, welche Gründe es gibt, den Therapieplan nicht zu befolgen. Gibt es da Probleme, müssen diese gelöst werden. Stelle ich wiederholt fest, dass die Person sich an nichts hält und nutzen Erklärungen und Umstellung des Therapieplans nichts, dann scheint der Leidensdruck des Patienten nicht sehr hoch zu sein und er sollte sich überlegen, ob er die Therapie fortsetzen möchte.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Frau Gallwitz: Ich würde für die Medizinstudenten ein Studienfach einführen, dass ich Mikronährstoffmedizin oder angewandte Biochemie nennen würde. Das müssten alle bereits praktizierenden Mediziner in einem 2-semestrigen Kurs zwangsweise absolvieren, denn Die Biochemie ist die Mutter aller Diagnostik!

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben die Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Frau Gallwitz: Da möchte ich auf das eben gesagte nochmals hinweisen: wir Ärzte müssen uns wieder darüber klarwerden, dass wir die Aufgabe haben nach den Ursachen der Krankheit zu forschen und nicht einfach ein paar Pillen verordnen, die das Symptom „zuschmieren’! Wir sind viel zu pharmagläubig geworden und haben verlernt „vernetzt’ zu denken.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Frau Gallwitz: Es gibt sicher nicht nur einen Patienten, den ich nie vergessen werde. Doch eine Begebenheit fällt mir sofort ein: einer meiner Krebspatienten, der einen künstlichen Darmausgang wegen eines Enddarmkrebses mit Chemotherapie und Bestrahlung bekommen hatte - das volle Programm also - wurde von mir unterstützend behandelt, damit er das alles besser übersteht. Er fragte mich ganz verschämt und leicht stotternd, ob es sein könnte, dass meine Therapie ihm die Freuden der Sexualität wiedergegeben hat. Damit hatte er gar nicht mehr gerechnet, da diese Funktion schon lange erloschen geglaubt war.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Frau Gallwitz: Es ist ganz wichtig, auf eine gesunde Ernährung mit reichlich Gemüse, mäßig Obst, Fleisch und Fisch von glücklichem Getier zu achten. Die Lebensmittel sollten saisonal, regional und von hoher Qualität sein. Sicher sind in „Bio’ auch Schadstoffe zu finden, doch eben deutlich weniger als in den konventionell hergestellten Lebensmitteln. Es gilt der Satz: Du bist , was Du isst!

Zu meiner Person

Nach schwerer Erkrankung mit langem Klinik-/Reha-Aufenthalt war ich ernüchtert, was den Umgang mit Menschen in den Kliniken betrifft. Ich vermisste die Aufklärung über Diagnostik, Therapiemöglichkeiten und Prognose. Diese Erfahrungen waren maßgeblich für meine Entscheidung, Medizin zu studieren. Ich war in diversen Kliniken tätig, bis ich mich im Mai 2000 in eigener Praxis niederließ. Ich absolvierte die Zusatzausbildung Ernährungsmedizin und so kam ich zur orthomolekularen Medizin. Nach 15 Jahren Kassentätigkeit wollte ich nicht mehr nur Symptome behandeln, so eröffnete ich meine eigene privatärztliche Praxis.

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