Besonders gut ist Achtsamkeit für die wiederkehrenden Depressionen untersucht. Hier hilft ein speziell darauf ausgerichtetes, achtwöchiges Achtsamkeitstraining, die Rückfallhäufigkeit um die Hälfte zu vermindern. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass der Achtsamkeitskurs genauso wirksam ist wie Antidepressiva. Es hilft auch bei Ängsten, Schlafstörungen, emotionalem Essen und anderen Alltagssüchten sowie vielen anderen anhaltenden emotionalen Problemen.
Wie wirkt Achtsamkeit bei Depressionen?
Es sind im Wesentlichen zwei Bestandteile, die z.B. Depressionen wieder entstehen lassen:
- Das Überdenken, Grübeln, Kopfkino, Sorgen, etc.
- Das Wegschieben dieser Gedanken durch gedankliches Verdrängen oder Ablenkung mittels Handy, PC, Fernseher, Essen usw.
Dadurch haben die Gedanken, die eigentlich aus den Problemen rausführen sollen, leider die Macht Betroffene tiefer und tiefer hineinzureißen.
Die gute Nachricht ist, dass wir mit der Achtsamkeit das Instrument in der Hand haben, um genau gegen diese beiden Mechanismen angehen zu können. Achtsamkeit kann uns dabei helfen, die Aufmerksamkeit in den Körper zu lenken. Weg von den Gedanken und hinein in die Erfahrung.
Dadurch wenden wir uns der Erfahrung zu und lenken uns nicht ab. Wenn wir das noch mit einer Prise Freundlichkeit uns selbst gegenüber sowie Akzeptanz und Interesse verbinden, gewinnen wir die Kontrolle zurück.
Welche Ergebnisse kann Achtsamkeitstraining erzielen?
Wissenschaftliche Studien zeigen eine 50%ige Minderung der Rückfälle in Depressionen und Angstzustände. Auch emotionales Essen geht nach bereits vier Wochen etwa um die Hälfte zurück. Sechs Monate nach einem Achtsamkeitstraining zu Schlafstörung haben neun von zehn Teilnehmern Verbesserungen beim Schlaf festgestellt. Das heißt, wir haben es hier auch mit einem langfristigen Ansatz zu tun, der einiges an eigenem Einsatz erfordert.
Wie viel Zeit muss ich investieren?
Faustregel: Umso mehr ich einbringe, desto mehr hole ich für mich raus. Bei der Depressionsbehandlung etwa ist in den acht Wochen eine Stunde tägliche Übungspraxis gefordert. Hinzu kommen acht Mal die zweieinhalbstündigen Kurstage einmal pro Woche. Es ist also ein intensives Training, für das ein klarer Entschluss hilfreich ist. In anderen Programmen gibt es auch gute Erfahrung mit häufigen kurzen Übungen, z.B. bei der Raucherentwöhnung.
Gibt es unerwünschte Nebenwirkungen?
Heutzutage wissen wir, dass es Nebenwirkungen gibt. Insbesondere wenn von stark belastenden Lebensereignissen berichtet wird, sind gezielte Unterweisungen notwendig, um Nebenwirkungen zu minimieren. Mit einem erfahrenen Kursleiter können die allermeisten etwas aus dem Kurs für sich rausholen.
Gibt es Situationen, in denen eine Teilnahme an einem solchen Kurs nicht richtig ist?
Das ist etwa der Fall, wenn die Depression so stark ist, dass die Alltagsbewältigung eingeschränkt ist oder starke Suizidtendenzen vorliegen. Dann ist es wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt und andere Maßnahmen sind vorrangig. Wenn es später besser geht, kann der Kurs sinnvoll sein. In der Regel kann man sich vorher darüber informieren. Im Vorgespräch kann es schließlich näher geklärt werden.
Regelmäßiges Achtsamkeitstraining verbessert die Rückfallquote bei Depressionen. (© dulezidar - iStock)
Was muss ich tun, um an einem solchen Kurs teilzunehmen?
Leider gibt es in Deutschland nur sehr wenige Therapeuten, die ausreichend in MBCT oder anderen solchen Verfahren ausgebildet sind. Man kann sie leicht über den MBSR-MBCT Verband Deutschland suchen, der nur qualifizierte Lehrer aufnimmt. Dann kann in einem Vorgespräch geklärt werden, ob das für den Interessenten passt.
MBCT bei Depressionen ist in der Leitlinie der Depressionsbehandlung aufgenommen. Daher kann diese Behandlung im Rahmen einer Verhaltenstherapie über die Krankenkasse abgerechnet werden. Bedingung dafür ist, dass der Therapeut über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt.
Das können Sie tun, wenn es niemanden in Ihrer Nähe gibt
Es gibt das sehr gute MBCT-Arbeitsbuch, mit dem man das Programm selbständig oder mit seinem Therapeuten durcharbeiten kann.
Sollte das Fernbehandlungsverbot für Ärzte aufgehoben werden, kann eine Online-Therapie die Versorgung gegebenenfalls verbessern. So wie am Center for Mindfulness der UMASS, USA. Hier begannen die Achtsamkeitskurse unter Jon Kabat-Zinn.
Im englischsprachigen Raum gibt es auch einige gute App-Anwendungen etwa für Ängste oder emotionales Essen. Sie wurden entwickelt und erforscht von Prof. Judson Brewer. Bald wird es auch zur Depression eine MBCT-App auf Englisch geben, wenn die Forschungen von Prof. Zindel Segal abgeschlossen sind. Zur Stressbewältigung gibt es auch im deutschsprachigen Raum einige kostenpflichtige Anwendungen.