Artikel 10/07/2019

Systemisches Coaching von Klienten mit Burnout-Gefahr

Dr. Ing. Jörg Bergbauer Heilpraktiker für Psychotherapie
Dr. Ing. Jörg Bergbauer
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Burnout-Behandlung durch Coaching: Der jameda-Heilpraktikertipp erklärt, wie es funktioniert.

1. Burnout - Zustand zwischen „Wollen“, „Sollen“ und „Können“

Alles was Menschen widerfährt, welche Herausforderungen sie suchen oder wie sie selbst auf ihre Umwelt einwirken und reagieren, kann kurz- oder mittelfristig eine Stress- und Belastungssituation darstellen und damit zum Burnout führen. Entscheidend ist hierbei, wie Sie Ereignisse wahrnehmen und interpretieren und wie Sie mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Fähigkeiten, Ressourcen und Überzeugungen diese verarbeiten können.

Im Folgenden wird ein Modell vorgestellt, das dazu dienen kann, im Rahmen eines Coachings Ansatzpunkte für Maßnahmen auf individueller, kollegialer und organisatorischer Ebene aufzuspüren, um so die Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit des Klienten zu erhalten und zu fördern. Unterschieden wird hierbei zwischen den drei Ebenen:

WOLLEN

Das WOLLEN steht für persönliche Ziele, Erwartungen und Selbstwirksamkeit, die Ansprüche und Anforderungen, die jemand an sich selbst stellt, an seine Leistungsfähigkeit und die Maßstäbe an seinen Erfolg. Es meint aber auch Erwartungen an andere Personen, um seine Ziele oder Aufgaben erfüllen zu können.

KÖNNEN

Das KÖNNEN bezieht sich auf fachliche, soziale und persönliche Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen, aber auch Verhaltensmerkmale und körperliche Merkmale.

SOLLEN

Das SOLLEN umfasst Anforderungen, die auf eine Person durch ihren Beruf, durch private Aufgaben oder durch gesellschaftliche Verpflichtungen zukommen. Dabei beinhaltet das SOLLEN auch Hindernisse und Beeinträchtigungen, die der reibungslosen Erfüllung des Arbeitsauftrages im Wege stehen, z.B. Beziehungsstörungen oder Verhaltensweisen von Personen, die zu dem eigenen Verhalten nicht kompatibel sind.

Für eine stabile Arbeitszufriedenheit und einer positiven Bewertung der Selbstwirksamkeit sollte das Verhältnis von SOLLEN, WOLLEN und KÖNNEN ausgeglichen sein. Bei gravierenden, andauernden Ungleichgewichten kann es zu einem Beginn des Burnout-Prozesses und damit zu körperlichen, geistigen und emotionalen Erschöpfung kommen.

1.1. Verhältnis SOLLEN zu KÖNNEN

Eine gute Passung zwischen SOLLEN und KÖNNEN wird als „Eignung“ bezeichnet. Damit ist derjenige in der Lage, die ihm gestellten Anforderungen zu erfüllen und mit den beruflichen Belastungen konstruktiv umzugehen. Ein dauerhaftes Missverhältnis von SOLLEN und KöNNEN hat jedoch negative Folgen, da es sich auf die Psyche des Betreffenden und sein berufliches Verhalten auswirkt.

KÖNNEN > SOLLEN = Unterforderung

Von Anfang an bestehende oder durch persönliche Weiterentwicklung entstehende Überqualifikation

KÖNNEN < SOLLEN = Überforderung

Unzureichende Eignung für die Tätigkeit, z.B. durch mangelnde Qualifikation oder die persönliche Entwicklung hält nicht Schritt mit den Veränderungen im beruflichen Umfeld.

1.2. Verhältnis WOLLEN zu KÖNNEN

Für eine zufriedenstellende Arbeitssituation ist die Frage von Bedeutung, ob jemand will, was er kann und kann was er will. Das Verhältnis von WOLLEN zu KÖNNEN betrifft somit den Aspekt der Motivation, d.h. dem Streben nach Zielerfüllung.

WOLLEN > KÖNNEN = Selbstüberforderung

„Narzisstische Versuchungen“ und Überengagement führen zu Ungenügen, was als persönliches Versagen erlebt wird und Frustration hervorruft

WOLLEN < KÖNNEN = Selbstoptimierung

Schonung und Minimalismus gegenüber Anstrengung und Leistung (persönliche „Wertehirarchie“) oder Vermeidung von Aktivitäten aufgrund mangelndem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und negativer Erfahrungen.

Eine gute Balance zwischen WOLLEN und KÖNNEN ist somit eine wichtige Voraussetzung für positive Arbeitszufriedenheit. Dazu tragen unter anderem bei:

  • Realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen
  • Angemessene Vorstellung über die Veränderbarkeit von Situationen und Verhaltensweisen von Personen
  • Zu den eigenen Fähigkeiten passende Ansprüche und Erwartungen an sich selbst, verbunden mit gesunden Maßstäben für Erfolg und Selbstwirksamkeit
  • Selbstdisziplin bei der Übernahme von Aufgaben und Verpflichtungen

1.3. Verhältnis WOLLEN zu SOLLEN

WOLLEN und SOLLEN handeln von einem anderen Motivationsaspekt: der Identifikation mit dem Arbeitsauftrag und den Bedingungen, unter denen er ausgeführt werden soll.

WOLLEN > SOLLEN = Perfektionismus

Belastung und Unzufriedenheit aufgrund überhöhter persönlicher Standards („innere Antreiber“ und Glaubenssätze)

WOLLEN < SOLLEN = innere Kündigung

Protestform gegen die Arbeitssituation, d.h. Distanzierung von der beruflichen Pflichterfüllung (Kündigung des „psychologischen Vertrages“)

Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jemand will, was er soll, wenn er einen bestimmten Arbeitsplatz gewählt hat. Dennoch kann es - insbesondere über eine längere Zeitspanne hinweg, zu unterschiedlichen Entwicklungsverläufen von SOLLEN und WOLLEN kommen, z.B. durch

  • Inhaltliche Änderungen im Berufsbild
  • Unüberbrückbare Spannungen mit Vorgesetzten oder Kollegen
  • Unterschiedliche Interpretation des Arbeitsauftrages
  • Diskrepanz zwischen institutionellen und individuellen Wertvorstellungen

2. Konstruktivistische Sichtweise als Bausteine für das Coaching

Wie bereits oben erwähnt werden Stress- und Belastungssituationen im beruflichen Alltag von verschiedenen Menschen auch unterschiedlich wahrgenommen und bewertet - die Sicht auf die Welt muss dabei nicht zwangsläufig eine Abbildung der Realität sein. Dies bedeutet in der Folge, dass jeder einzelne auch unterschiedlich mit solchen Situationen umgeht. Das hängt damit zusammen, dass unser alltägliches Handeln durch individuelle Erfahrungen, implizite Glaubenssätze und unhinterfragte Überzeugungen gesteuert wird.

Für das Coaching im Rahmen einer Burnout-Prävention bedeutet dies, dass sich das Verhältnis von WOLLEN, SOLLEN und KÖNNEN zueinander und damit die individuelle Arbeitszufriedenheit nicht mittels objektiver Kriterien durch den Coach bestimmen lässt, sondern dass es vielmehr von der Wirklichkeitskonstruktion des Klienten abhängt.

Damit lässt sich durch den Coach auch keine Zuordnung des Klienten zu einer Burnout-Phase vornehmen. Nicht jeder Mitarbeiter, der zum Beispiel über einen längeren Zeitraum das Gefühl der Überforderung hat, muss zwangsweise Burnout-Symptome zeigen. Vielmehr geht es darum herauszufinden, wie der sich Klient selber sieht, wie er seine Situation beschreibt und wie er sich selber in dieser Situation empfindet.

Drei Wege, mit denen der der Coach Ihnen helfen kann

Diese Sichtweise, dass jeder Mensch die Welt durch seine „Brille“ sieht, er sich damit seine Wirklichkeiten erschafft und wir alle damit in nicht identischen Welten leben, führt dazu, dass auch die Lösungen für bestimmte Problematiken nicht dieselben sein können. Standardisierte Konzepte, wie ein Klient mit seiner Stress- und Belastungssituation umzugehen hat und wie er sich daraus befreien kann, können daher nicht greifen.

Für den Coach macht es somit Sinn, den Klienten als Experten für die Einschätzung seiner Lage und damit auch für die Lösung seiner Probleme anzusehen. Zur Aktivierung dieser impliziten Problemlösungskompetenz beim Klienten kann der Coach

a) den Klienten bei der Erzeugung neuer Informationen unterstützen, indem er Unterscheidungen anbietet, die der Klient bisher noch nicht genutzt hat;

Veränderung ist nur möglich, wenn der Klient etwas neu und anders sieht als bisher, wenn er neue Sichtweisen entwickeln kann. Dazu braucht der Klient neue Informationen, da jede Information einen Unterschied bezeichnet. Und diese Unterschiedsbildung lässt aus einer monokausalen Sichtweise häufig im Klienten eine versteckte Dynamik in Richtung Problemlösung entstehen.

b) sich für die Ansichten des Klienten über gewisse Sachverhalte interessieren und weniger für die Sachverhalte an sich;

Bestimmte Ansichten sind häufig mit einem bestimmten Verhalten verbunden. Insbesondere verdeckte Ansichten und Meinungen engen dabei das Verhalten des Klienten stark ein. Indem die Sachverhalte durch den Coach hinterfragt werden, können diese verdeckten Ansichten und deren Bedeutung für den Klienten herausgearbeitet, überpr�ft und modifiziert werden, so dass sich neue Verhaltensmuster entwickeln lassen.

c) durch unterschiedliche Hypothesen eine neue Sicht der Wirklichkeit beim Klienten erzeugen;

Lösungsmöglichkeiten durch den Klienten werden oft unter Annahme konstanter Rahmenbedingungen getroffen. Durch alternative Einschätzungen des Zusammenwirkens von Handlungen und Ursache sowie Sinn und Angemessenheit der derzeitigen Lösung durch den Coach lassen sich neue Wirklichkeiten kreieren, wodurch sich die Wahrnehmungsvielfalt des Klienten, seine Entscheidungsmöglichkeiten und damit seine Handlungskompetenz erhöht.

Der sich daraus ergebende Erkenntnisgewinn für den Klienten führt dazu, dass dieser seine Wahrnehmungsweise sowie sein Handlungsfeld erweitern oder verändern kann. Der damit erzeugte neue Blick auf seine Situation lässt ihn neue Wege erkennen und damit individuelle Lösungsschritte entwickeln, die er selber in konkrete Taten umsetzen kann, um so seinen Burnout-Prozess zu unterbrechen.

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