Artikel 06/01/2017

Was ist Psychosynthese? So funktioniert die Teilpersönlichkeitsarbeit nach Assagioli

Team jameda
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Erhält man vom Arzt, der Familie oder von Freunden den Ratschlag, psychische Probleme mit Hilfe einer Psychotherapie zu bearbeiten, sind Betroffene womöglich erst einmal ratlos. Oftmals kommen Fragen auf wie: „Was ist das überhaupt?“, „Was wird in einer Psychotherapie gemacht?“, „Gibt es unterschiedliche Herangehensweisen?“. Informieren Sie sich in diesem Artikel, was man unter Psychosynthese versteht und wie genau die Teilpersönlichkeitsarbeit abläuft.

Was ist Psychosynthese?

Ein bekanntes psychotherapeutisches Verfahren ist die Psychosynthese. Sie unterscheidet sich von der Psychoanalyse, der Verhaltenstherapie und der Gesprächspsychotherapie in vielen Punkten grundlegend.

Der italienische Arzt Roberto Assagioli (1888 - 1974) entwickelte in seiner Doktorarbeit 1910 die ersten Grundlagen für das therapeutische Konzept der Psychosynthese. 1911 stellte er eine für seine Zeit vollkommen neue Sichtweise auf den Menschen im Besonderen und das Leben im Allgemeinen vor. Es gelang ihm, die damals populäre Psychoanalyse mit verschiedenen Konzepten diverser Weisheitstraditionen zusammenzuführen.

Assagioli war viele Jahre mit S. Freud befreundet, kam dann aber zu dem Schluss, dass Freud mit seiner Psychoanalyse zu sehr „im Keller der Psyche“ arbeitete. Für Assagioli umfasste Freuds Konzept nur einen kleinen Teil dessen, was uns Menschen ausmacht. Stattdessen wollte er auch „im Dachgeschoss“ arbeiten und den Menschen deutlich umfangreicher betrachten.

Neben den biologischen Trieben des Unbewussten fand er weitere Aspekte, die allen Menschen gemein sind, wie Erfüllung, Kreativität, Weisheit, Freude, Sinn und Liebe.

Damit sah er vor allem die Bereiche, die uns miteinander verbinden. In der Psychosynthese stellt die Erkenntnis und Erfahrung, dass wir als Individuen über uns hinaus durch diese verbindenden Elemente eine Brücke zu allen anderen Menschen schlagen können, einen wichtigen Entwicklungsschritt dar. Deshalb sprechen wir in diesem Zusammenhang von „transpersonaler Psychotherapie“.

Ursachen von psychischem Leid

Es ist eine Illusion, anzunehmen, dass wir nur aus einer einzigen Persönlichkeit bestehen!

Viel eher macht uns eine Vielzahl von Teilpersönlichkeiten oder Persönlichkeitsblasen aus. Dies ist die wichtigste Erkenntnis in der Psychosynthese - die im Übrigen durch die aktuelle neurobiologische Hirnforschung bestätigt wird und in neuere psychotherapeutische Konzepte Einzug hielt (Ego-State-Therapie, Dialog des Inneren Teams, Schematherapie).

Im Alltag – besonders, wenn wir im Autopiloten-Modus unterwegs sind und nicht achtsam handeln – wechseln wir von einer Teilpersönlichkeit so schnell in die nächste Persönlichkeitsblase, dass wir diesen Wechsel oft gar nicht wahrnehmen.Wir bekommen beispielsweise nicht wirklich mit, dass wir uns in der Rolle des Mitarbeiters vollkommen anders verhalten, denken und fühlen als in der Rolle des Ehepartners oder der eines Elternteils.

Diese Funktionsweise unseres Gehirns ist jedoch sehr wichtig, weil Automatismen den Alltag enorm erleichtern können.

Schwierig wird es jedoch im ungemein komplizierten zwischenmenschlichen Zusammenspiel. Oder wenn sich eine Persönlichkeitsblase derart stark aufgebläht hat, dass sie unser Ich besetzt und wir aus der Rolle des Angsthasen, des Trauerkloßes oder etwa des Wütenden nicht mehr ohne Weiteres herauskommen.

Dann sind wir nicht mehr „Herr im eigenen Haus“ oder „Dirigent“ des Ensembles unserer Teilpersönlichkeiten. Unser wachbewusstes Ich verliert seine Handlungs- und Wahlfreiheit - und wir haben keinen Kontakt mehr zu den verbindenden Aspekten - die Seele erstarrt.

Sehen wir uns selbst und das Leben nur noch durch die getönte Brille einer scheinbar übermächtigen Teilpersönlichkeit, sind oftmals psychische Probleme die Folge: Betroffene entwickeln Depressionen, Ängste, Zwänge und andere Störungen.

Wie funktioniert die Teilpersönlichkeitsarbeit?

Voraussetzung für die Teilpersönlichkeitsarbeit ist zunächst ein gewisses Maß an Achtsamkeit, um zu erkennen, wann und wie sich die nächste Persönlichkeitsblase aufbläht.

Dann können wir hinter das Offensichtliche blicken und erfahren, was denn dieser innere Teil von uns will und weshalb er sich so aufgebläht hat.

Der schwierigste Schritt ist die Akzeptanz. Was wir nämlich nicht wahrhaben wollen, können wir auch nicht verändern. Niemand möchte ein Trauerkloß oder ein Angsthase sein - der liebevolle Blick auf diese Aspekte kann allerdings helfen, ihn durch Annahme zum Ausgleich zu bringen.

Aus einer distanzierten Sichtweise heraus können wir dann lernen, Teilpersönlichkeiten ganz bewusst zu koordinieren - bis sie in der Synthese miteinander und mit unserem Ich harmonisch agieren.

Für diese Schritte hält die Psychosynthese einige Instrumente bereit, wie zum Beispiel die innere Bilderarbeit (Imaginationen), das automatische Schreiben oder die Aufstellungsarbeit.

Am Ende dieses Prozesses kommen wir wieder zu unserer Wahlfreiheit, nämlich zu handeln, wie wir es wollen und nicht, wie unsere Teilpersönlichkeit es wünscht.

Dann kann sich die Erstarrung der Seele auflösen und wir können wieder flexibel auf das Leben und seine Anforderungen reagieren. Und wir erkennen, dass uns Menschen mehr miteinander verbindet, als trennt.

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