Artikel 11/07/2017

Wie wird Methadon angewendet? Die Renaissance eines Schmerzmittels

Dr. med. Lorenz Hotz Anästhesiologe, Spezieller Schmerztherapeut, Palliativmediziner
Dr. med. Lorenz Hotz
Anästhesiologe, Spezieller Schmerztherapeut, Palliativmediziner
methadon-schmerzmittel-anwendung

Das Medikament Methadon galt früher als gängiges Schmerzmittel und erfährt zur Zeit eine Art Renaissance in der Pharmaindustrie.

Die Geschichte des Methadons

Das Medikament mit dem Freinamen „Methadon“ ist ein Schmerzmittel und zur Behandlung starker Schmerzen zugelassen. Es wurde 1937 in Deutschland entwickelt und seine schmerzstillende Wirkung wurde in klinischen Studien Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts festgestellt.

Nach einigen Umwegen, wie einem Patent-Enteignungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg, konnte es erst 1949 auch in Deutschland als Schmerzmittel auf den Markt gebracht werden. Seit 1960 wird es als Substitutionsmittel bei Heroinabhängigkeit angewandt und ist den meisten Menschen in diesem Zusammenhang geläufiger.

Methadon aus chemischer Sicht

Methadon ist ein sogenanntes „vollsynthetisches“ Opioid, das sich chemisch von Morphin oder anderen Opiaten, wie z.B. Oxycodon, Hydromorphon oder Fentanyl unterscheidet. Ohne zu sehr ins chemische Detail zu gehen, soll hier nur kurz erwähnt werden, dass es sich beim sogenannten racemischen Methadon um ein Gemisch aus zwei spiegelbildlichen, also rechts- und linksdrehenden Molekülen im Verhältnis 1:1 handelt.

Das eine ist das linksdrehende Levomethadon, auch als L-Methadon bekannt, und wirkt ähnlich schmerzstillend wie Morphin. Das andere ist das rechtsdrehende Dextromethadon, das sogenannte D-Methadon, das über einen anderen Wirkmechanismus einen guten Effekt auf Nervenschmerz hat und ein starkes Hustenmittel darstellt. Auf den Wirkmechanismus des D-Methadon wird auch zurückgeführt, dass es unter der Therapie mit Methadon nur einen geringeren Gewöhnungseffekt gibt als bei anderen Opiaten. In der klinischen schmerztherapeutischen Anwendung kommen heutzutage sowohl Levomethadon, als auch Levomethadon/Dextromethadon zum Einsatz. Levomethadon hat als alleinige Substanz eine doppelt so hohe Wirkung wie das Gemisch aus links- und rechtsdrehendem Methadon. Allerdings fehlen dieser Substanz naturgemäß die beschriebenen positiven Aspekte des D-Methadons.

Wichtige Informationen zu Methadon auf einen Blick

  • verschreibungspflichtig auf Betäubungsmittel-Rezept
  • Verabreichungsform: Tropfen, 1%ige Lösung
  • optimale Anpassung der Dosis an das jeweilige Schmerzniveau möglich
  • hohe und schnelle Aufnahme (oral, über die Wangenschleimhaut oder rektal)
  • einfache Gabe über Magensonde möglich
  • Wirkeintritt über die Wangenschleimhaut nach ca. drei bis fünf Minuten, jedoch kein „Kick-Phänomen“, dadurch nur sehr geringes Risiko einer psychischen Abhängigkeit
  • lange Wirkungsdauer, daher ist eine zweimalige Gabe pro Tag ausreichend
  • wesentlich günstiger als andere gängige Schmerzmittel

Weitere Hinweise zu Methadon

  • Methadon wird in der Leber abgebaut und kann daher auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion angewandt werden.
  • Zum Teil wird eine positive Wirkung auf die Psyche beschrieben.
  • Aus Unkenntnis wird Methadon bei starken Schmerzen häufig nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt.
  • Wie jedes andere verschreibungspflichtige Medikament wird es vom Arzt verordnet.
  • Wie bei jedem anderen Medikament auch ist eine Überdosierung von Methadon zu vermeiden!
  • In der Schmerztherapie werden deutlich geringere Dosen eingesetzt als in der Substitutionstherapie, daher sind Nebenwirkungen möglich, jedoch meist deutlich milder.
  • Mögliche Nebenwirkungen, die jedoch häufig geringer ausgeprägt sind als bei anderen Opiaten und oft besser symptomatisch behandelbar sind:

- Übelkeit
- Verstopfung
- Juckreiz
- Müdigkeit
- D-Methadon ist cardiotoxisch, das heißt es wirkt sich auf das Herz aus, und sollte bei Patienten mit Herzerkrankungen mit der gebotenen Vorsicht angewandt werden

Methadon bei Krebs: Ein Kommentar zur aktuellen Diskussion

In letzter Zeit erlebt das als Schmerzmittel vielseitig und langjährig eingesetzte Methadon eine Art Renaissance, nicht zuletzt auch durch zahlreiche (Fach-)Artikel und Fernsehbeiträge, die es als vielversprechendes Mittel zur Mitbehandlung von Krebspatienten während der Chemotherapie diskutieren.

Frau Dr. Friesen von der Universität Ulm und ihre Arbeitsgruppe konnten zeigen, dass Tumorzellen, z.B. Leukämiezellen, durch die Behandlung von Methadon sterben und dass die Wirkung von Krebstherapien, z.B. die Chemotherapie, bei verschiedenen Krebsarten verstärkt werden kann, z.B. bei Hirntumorzellen.

In Einzelfällen wird eine vielversprechende heilende Wirkung des Methadons auf den Tumor beschrieben. Diese Informationen führten zum Wunsch vieler betroffener Krebspatienten, ebenfalls Methadon im Rahmen ihrer Krebsbehandlung zu erhalten.

An dieser Stelle sollte jedoch erwähnt werden, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Frau Dr. Friesen bisher lediglich im Rahmen von Versuchen auf Laborebene gezeigt werden konnten. Leider gibt es bis dato keine kontrollierten sogenannten Arzneimittelstudien zur Wirkung von Methadon bei Krebspatienten, da sie finanziell und logistisch sehr aufwendig sind. Es spricht jedoch nichts gegen den Einsatz von Methadon als potentes Schmerzmittel zur Behandlung von Tumorschmerzen im Rahmen einer Krebserkrankung, auch wenn die Patienten gleichzeitig onkologisch behandelt werden.

Als Schmerzmittel ist es, wie eingangs bereits gesagt, zugelassen. Im Gegenteil, der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass gängige schmerztherapeutische Medikamente, wie zum Beispiel das Morphin, einen kontraproduktiven Effekt bei Patienten mit Krebsleiden gezeigt haben und dennoch standardmäßig eingesetzt werden.

Beim Wunsch der betroffenen Patienten, eine Methadonbehandlung zu erhalten, ist es problemlos möglich, von einem anderen starken Schmerzmittel, wie z.B. Morphin, Oxycodon oder Buprenorphin, auf Methadon umzustellen.

Quellenangabe:

1. McCance-Katz EF, Leavitt SB. Methadone-Drug Interactions. Pain Treatment Topics. 2010.

2. Miltner E, Friesen C. 2017. Häufige Fragen von Ärzten und Patienten zum Einsatz von Methadon bei Krebspatienten.

3. Friesen C, Roscher M, Alt A, et al. Methadone, commonly used as maintenance medication for outpatient treatment of opioid dependence, kills leukemia cells and overcomes chemoresistance. Cancer Res. 2008; 68:6059-6064.

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5. Friesen C, Hormann I, Roscher M, et al. Opioid receptor activation triggering downregulation of cAMP improves effectiveness of anti-cancer drugs in treatment of glioblastoma. Cell Cycle. 2014; 13:1560-1570.

6. Onken J, Friesen C, Vajkoczy P, et al. Safety and Tolerance of D,L-Methadone in Combination with Chemotherapy in Patients with Glioma. Anticancer Res. 2017; 37:1227-1235.

7. Boland JW, Graham Pockley A. Influence of opioids on immune function in patients with cancer pain: from bench to bedside. Br J Pharmacol. 2017.

8. Gach K, Wyrebska A, Fichna J, et al. The role of morphine in regulation of cancer cell growth. Naunyn Schmiedebergs Arch Pharmacol. 2011; 384:221-230.

9. Gupta K, Kshirsagar S, Chang L, et al. Morphine stimulates angiogenesis by activating proangiogenic and survival-promoting signaling and promotes breast tumor growth. Cancer Res. 2002; 62:4491-4498.

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