Artikel 13/02/2017

Brustaufbau nach Brustkrebs: Neue OP-Methoden für ein natürliches Körpergefühl

Dr. med. Oliver Wingenbach Plastischer & Ästhetischer Chirurg
Dr. med. Oliver Wingenbach
Plastischer & Ästhetischer Chirurg
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In den letzten Jahren hat sich eine neue Methode der Brustrekonstruktion mit echtem Körpergefühl etabliert. Sie wird durch einen freien Gewebetransfer von Eigengewebe aus der unteren Gesäßfalte (FCI-Lappenplastik) ermöglicht.

Wann kommen mikrochirurgische Methoden zum Einsatz?

Seit den 90er Jahren werden mit zunehmendem Erfolg die modernen mikrochirurgischen Methoden des freien Gewebetransfers auch für die Brustrekonstruktion eingesetzt. Häufig wählen Patientinnen diese Methode, wenn ein Silikonimplantat nach einer Bestrahlung nicht möglich ist oder der Einsatz eines Implantats einen ästhetischen Nachteil mit sich bringt.

Freier Gewebetransfer bedeutet in diesem Zusammenhang, dass an einer der Brust fernen Körperstelle (häufig am Bauch, Oberschenkel oder Gesäß) körpereigenes Gewebe für die Transplantation gewonnen wird. Dieses Gewebe ist dabei kurzzeitig vollständig vom Körper abgetrennt und wird dann unter dem Operationsmikroskop wieder an den Körperkreislauf im Bereich der Brust angeschlossen.

Vorteile der Methode

Ein großer Vorteil der modernen mikrochirurgischen Methoden ist, dass in der Regel nur Haut- und Fettgewebe entnommen werden. Die alten Methoden, bei denen große Muskeln wie Rücken- oder Bauchmuskeln für die Rekonstruktion geopfert wurden, sind dadurch weit in den Hintergrund getreten. Auf diese Weise ist es heutzutage möglich, das Gewebe viel schonender für die Transplantation zu gewinnen.

DIEP-Lappenplastik

In den letzten Jahren hat sich die Rekonstruktion mit Eigengewebe vom Bauch (DIEP-Lappenplastik) als sogenannter „Goldstandard“ in der Plastischen Chirurgie etabliert. Wenn ausreichend Bauchgewebe vorhanden ist, dann ist diese Operation bestimmt auch die sicherste und schonendste Operationsmethode.

Heutzutage kommen durch die verbesserten Vorsorgemaßnahmen und die neuen molekulargenetischen Untersuchungsmethoden leider immer jüngere Patientinnen für eine Brustrekonstruktion mit Eigengewebe in Frage.

Es kommt sogar vor, dass z.B. Patientinnen mit BRCA-Genmutationen (sog. familiäre Risikofaktoren für Brustkrebs) im Alter von 20 - 30 Jahren eine prophylaktische Brustdrüsenentfernung durchführen lassen.

Doch gerade bei diesen jungen und nicht selten sehr schlanken Patientinnen ist am Bauch häufig nicht genügend Gewebe für die Rekonstruktion vorhanden und die Bauchhaut ist zu straff, um einen Verschluss des Bauches nach der Entnahme durchzuführen.

Besonders deutlich wird diese Problematik, wenn eine beidseitige Rekonstruktion durchgeführt werden muss. Bei sehr schlanken Patientinnen bietet die Entnahmestelle an der Oberschenkelinnenseite (Gracilis-Lappenplastik) in der Regel nicht ausreichend Gewebevolumen. Andere Körperstellen wie zum Beispiel am oberen Rand des Gesäßmuskels (SGAP-Lappenplastik) oder mitten auf dem Gesäßmuskel (IGAP-Lappenplastik) haben einen deutlich unvorteilhaften Narbenverlauf und werden daher meist abgelehnt.

Welche neuen mikrochirurgischen Alternativen gibt es?

Eine sehr gute Alternative stellt die bei der FCI-Lappenplastik angewendete Gewebeentnahme aus der unteren Gesäßfalte dar. Wesentliche Vorteile dieser Rekonstruktionsmethode sind, dass sich hier auch bei sehr schlanken Patientinnen in der Regel genügend Volumen für eine Brustrekonstruktion findet und dass sich die Narbe sehr vorteilhaft in der unteren Gesäßfalte verstecken lässt, sodass die Entnahme fast gar nicht zu sehen ist.

Die Rekonstruktion durch eine freie Gewebetransplantation von der unteren Gesäßfalte (FCI) wird seit 2007 auch in Deutschland durchgeführt, aber leider erst in wenigen Zentren angeboten. Diese neue Operationstechnik wurde in den letzten Jahren etabliert, im Verlauf verfeinert und weiterentwickelt. Die Operationszeit hat sich inzwischen um ein Vielfaches verkürzt. Mittlerweile kann die Operation in 4 - 5 Stunden durchgeführt werden.

Auch Durchblutungsstörungen und ein daraus resultierendes Absterben des Transplantats sind heute absolute Ausnahmefälle (<1%). Anfangs kam es sehr häufig zu Gefühlsstörungen oder sogar Schmerzen an der Oberschenkelrückseite. Durch eine verbesserte Operationstechnik können Teile der Nerven an der Oberschenkelrückseite heutzutage erhalten bleiben und die Gefühlsstörungen betreffen allenfalls ein kleines Areal um die Narbe.

Ein weiterer wesentlicher Fortschritt der FCI-Lappenplastik ist, dass die Möglichkeit besteht, neben den Blutgefäßen auch einen sensiblen Nerv im Bereich der Brust anzuschließen. Diese weitere Verfeinerung wurde in den letzten Jahren entwickelt und wird nun in der täglichen Praxis standardmäßig eingesetzt.

Studienergebnisse

Erste Studien zeigen, dass die Rekonstruktion einer sensiblen Brust durch die Gewebeentnahme am Gesäß mit neurovaskulärem Anschluss (Gefäß- und Nervenanschluss) möglich ist. Ohne einen mikrochirurgischen Nervenanschluss ist das Körpergefühl der rekonstruierten Brust allenfalls in sehr geringem Maß nachzuweisen.

Die FCI-Lappenplastik bietet aufgrund der anatomischen Verhältnisse optimale Voraussetzungen für eine Rekonstruktion mit Nervenanschluss. In der plastisch-chirurgischen Praxis findet die beschriebene Operationsmethode aus diesen Gründen immer häufiger ihren Einsatz und ist eine wirklich sinnvolle und wichtige Ergänzung des Spektrums der Brustrekonstruktion.

Nicht zuletzt resultiert aus der ästhetisch rekonstruierten und gefühlvollen Brust eine nachweislich höhere Patientenzufriedenheit.

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