Artikel 24/06/2011

Ein häufiges Bild: Schwerer Schulranzen auf kleinem Rücken

Dr. med. Frank O. Steeb Orthopäde & Unfallchirurg, Sportmediziner, Chirotherapeut
Dr. med. Frank O. Steeb
Orthopäde & Unfallchirurg, Sportmediziner, Chirotherapeut
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In den letzten Jahren wird die Frage, inwieweit Schädigungen der wachsenden, kindlichen Wirbelsäule durch schwere Schulranzen auftreten können, in der Fachwelt unterschiedlich beurteilt.
So sieht z.B. eine italienische Studie von Negrini einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Gewicht des Schulranzens und Rückenbeschwerden. Dabei wurden 115 Sechstklässler von drei verschiedenen Schulen untersucht. Im Durchschnitt lag das Gewicht des Schulranzens zwischen 9,3 und 11,5 kg. Knapp 80% der Schüler empfanden den Ranzen als zu schwer. Knapp 50% gaben Rückenbeschwerden an. Interessanterweise fand sich kein direkter Zusammenhang zwischen dem Gewicht des vollen Schulranzens und der Intensität der Beschwerden.

Dagegen hatte die Länge des Heimweges und damit die Tragedauer Einfluss auf die Beschwerden. Der fehlende Zusammenhang zwischen Gewicht und Beschwerden kann auch auf individuelle und psychosoziale Faktoren schliessen lassen. Auch wurde die myoskelettale Situation und die Körpergröße sowie das Körpergewicht der Schüler nicht differenziert untersucht.

Der Sportärztebund Nordrhein stellte 1997 in einer Untersuchung fest, dass die Einwirkdauer des Schulranzens zu kurz sei, um chronische Schäden herbeizuführen. In der Praxis sehe ich jedoch regelmäßig Kinder und Jugendliche, die seit Jahren über Rückenbeschwerden leiden und häufig auch über zu schwere Ranzen klagen. Meist liegen jedoch kombinierte funktionelle Störungen mit myofaszialen Dysbalancen bei Fußfehlstellung, funktionelle Beinlängendifferenzen, Fehlstatiken der Wirbelsäule bei sensomotorischer Koordinatiosstörung z.B. durch eine Occlussionsstörung, Kopfgelenksirritation oder Störung des binoccularen Sehens oder eine muskuläre Insuffizienz der primären und sekundären Rumpfstabilisatoren vor. Diese funktionellen Beschwerden können jedoch durch einen schweren Schulranzen im Einzelfall verstärkt werden.

Aus meiner Erfahrung ist zur Vorbeugung Folgendes zu empfehlen:

  1. Einseitiges Tragen oder ungleich lange Gurte vermeiden
  2. die Gurte wegen der Gefahr der Bildung eines Rundrückens nicht zu kurz und eines Hohlrückens nicht zu lang einstellen
  3. den Schulranzen dicht am Körper tragen
  4. Ranzen mit geringem Leergewicht bevorzugen
  5. Ranzen sollte die Schultern in der Höhe nicht überragen
  6. Inhalt des Ranzens bei kleinen Kindern täglich überprüfen, ob alle Bücher an diesem Tag auch wirklich notwendig sind

Verstärkt wird die Gefahr des Auftretens von Beschwerden durch den heutigen Bewegungsmangel vieler Kinder, bedingt durch zu langes Fernsehen und Computerspiele, Chatten etc. und Übergewicht.
Haben Sie den Eindruck, dass die Körperhaltung Ihres Kindes nicht stimmt oder sich verschlechtert, empfehle ich die Durchführung einer ganzheitlichen Haltungsanalyse beim spezialisierten Facharzt.

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