Der Diabetes mellitus Typ 2 ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die durch eine Kombination aus Insulinresistenz und einer gestörten Insulinsekretion gekennzeichnet ist. Er stellt mit etwa 90 % aller Diabetesfälle die häufigste Form dar. Die Häufigkeit des Auftretens nimmt mit steigendem Alter sowie mit wachsender Adipositas weltweit zu. Eine frühzeitige Diagnose und eine leitliniengerechte Therapie sind entscheidend, um mögliche Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Die Diagnose des Typ-2-Diabetes erfolgt gemäß den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die Erkrankung kann anhand verschiedener Blutwerte diagnostiziert werden. Zu den diagnostischen Kriterien zählt ein Nüchternblutzucker von ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l), ein HbA1c-Wert von ≥ 6,5 % (48 mmol/mol), ein 2-Stunden-Blutzuckerwert im oralen Glukosetoleranztest (oGTT) von ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) oder ein Gelegenheitsblutzucker von ≥ 200 mg/dl bei gleichzeitig bestehenden Symptomen wie häufig Wasser lassen, viel pinkeln und eventuell auch Gewichtsverlust (sofern länger bestehend und fortgeschritten).
In der Regel sollte zur Sicherung der Diagnose eine zweite BZ-Messung an einem anderen Tag erfolgen – außer es liegt eine eindeutige klinische Symptomatik mit stark erhöhten Glukosewerten vor.
Nach Diagnosestellung sollte eine umfassende Basisdiagnostik erfolgen. Dazu gehören die Erhebung der Anamnese (einschließlich familiärer Vorbelastung und Lebensstilfaktoren), die körperliche Untersuchung mit Gewicht, BMI, Taillenumfang und Blutdruckmessung sowie eine laborchemische Abklärung von Blut und Urin. Hierbei sind neben dem HbA1c insbesondere die Nierenfunktion (eGFR, Kreatinin), der Lipidstatus (insbesonders das “schlechte” LDL-Cholesterin) sowie Leberwerte (Fettleber?) von Bedeutung. Auch die Überprüfung auf (Mikro)Albumine (Eiweiss im Urin) wird dringend empfohlen, um frühzeitig eine diabetische Nephropathie zu erkennen - und ggf. therapeutisch das weitere Fortschreiten zu verlangsamen. Der aktuell empfehlenswerte Test zur Früherkennung von Nierenschäden nennt sich UACR und vereinfacht diese UrinDiagnostik enorm; er muß aber in ein Labor eingesandt werden.
Zusätzlich sollte zu Beginn und dann regelmäßig je nach Organsystem ein Screening auf diabetesassoziierte Folgeerkrankungen erfolgen. Dazu zählen die diabetische Retinopathie (Funduskopie beim Augenarzt), diabetische Neuropathie (monofilamentäre Druckprüfung, Vibrationswahrnehmung) und kardiovaskuläre Begleiterkrankungen, z. B. mittels EKG, Ultraschall des Herzens und der Gefäße. Diese Risikoprofilanalyse ist enorm wichtig, um eventuelle diabetische Folgeschäden schon frühzeitig zu erkennnen. Durch eine gegensteuernde Strategie (eine Behandlung) kann ein weiteres, schicksalhaftes Fortschreiten oft verhindert oder zumindest verlangsamt werden.
Die Behandlung des Typ-2-Diabetes richtet sich zunächst nach den Zuckerwerten; aber auch dem Vorliegen von Begleiterkrankungen und dem individuellen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Ziel ist nicht nur die Normalisierung der Blutzuckerwerte, sondern auch die Vermeidung von Folgekomplikationen.
Zentrale Säule jeder Diabetesbehandlung ist die Lebensstiländerung. Dazu gehört eine strukturierte Ernährungsumstellung – bevorzugt mediterrane oder ballaststoffreiche Kost mit reduziertem Energiegehalt – sowie regelmäßige körperliche Aktivität. Empfohlen werden mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, z. B. zügiges Gehen, Schwimmen oder Radfahren.
Bereits durch Gewichtsreduktion von 5–10 % kann eine deutliche Verbesserung der glykämischen Kontrolle erzielt werden. Auch die Raucherentwöhnung und die Reduktion von Alkoholkonsum sind Teil eines ganzheitlichen Ansatzes.
Wenn Lebensstilmaßnahmen allein nicht ausreichen, um die Blutzuckerwerte in den Zielbereich zu bringen, erfolgt eine stufenweise medikamentöse Therapie. Erstlinientherapie ist in den meisten Fällen Metformin, sofern keine Kontraindikationen wie eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min) vorliegen. Metformin ist gut untersucht, kostengünstig, gewichtsneutral (oder gewichtssenkend) und hat potenziell kardiovaskuläre Vorteile.
Bei unzureichender HbA1c-Senkung unter Metformin (nach 1-3 Monaten ) wird die Therapie erweitert. Der Trend bei Experten geht zu einer eher kurzfristigeren Therapieausweitung. Die Wahl der Zweit- oder Drittmedikation richtet sich maßgeblich nach bestehenden Begleiterkrankungen:
In der Kombinationstherapie können auch DPP-4-Inhibitoren und/oder Sulfonylharnstoffe zum Einsatz kommen, wenngleich ihr Einsatz zunehmend kritisch hinterfragt wird. Aber insbesondere bei Patienten ohne relevante Komorbiditäten werden diese Medikamente gern noch eingesetzt-oder wenn andere Substanzen kontraindiziert sind.
Ist die glykämische Kontrolle trotz Kombinationstherapie unzureichend, kann eine Insulintherapie notwendig werden. Meist beginnt man mit einem Basalinsulin (z. B. abends), das bei Bedarf schrittweise intensiviert werden kann. Lang wirksame Insuline -also keine kompliziert anzuwendende Insuline- sind eine gute Basismedikation. Recht neu ist der Ansatz mit einem Basal-Insulin, welches nur 1x pro Woche gespritzt werden muss. Alternativ zur Insulintherapie -oder ergänzend - können GLP-1-Analoga eingesetzt werden, insbesondere bei adipösen Patienten.
Die Zielwerte sollten individuell festgelegt werden. Bei jüngeren, gesunden Menschen liegt der HbA1c-Zielwert häufig bei < 7,0 %. Bis zu 7,5% Hba1c ist bei gesunden Älteren noch tolerabel. Bei älteren (über 80 Jährigen) oder multimorbiden Patienten kann auch ein Zielwert von < 8,0 % als noch ausreichend eingestellt beurteilt werden. Aber: Hypoglykämien zu vermeiden gilt das wichtigste Therapieziel.
Auch Blutdruck- und Lipidwerte müssen engmaschig kontrolliert und behandelt werden. So wird ein Blutdruckzielwert unter 140/90 mmHg angestrebt, bei Vorliegen einer Nephropathie auch < 130/80 mmHg. Der LDL-Cholesterin-Zielwert beträgt unter 70 mg/dl bei hohem kardiovaskulären Risiko. Bei einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko sollte das LDL sogar unter 55mg/dl liegen.
Empfohlen werden regelmäßige Kontrolluntersuchungen:
Ein strukturierter Schulungs- und Behandlungsplan ist essenziell. Programme wie die DMPs (Disease Management Programme) bieten eine strukturierte Versorgung und fördern die aktive Beteiligung der Patienten. Die kontinuierliche Motivation zur Lebensstilveränderung und zur selbständigen Blutzuckerkontrolle ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.
Zusätzlich sollte auf einen vollständigen Impfschutz geachtet werden – insbesondere Influenza-, Pneumokokken- und COVID-19-Impfungen sind bei Diabetespatienten besonders relevant.
Die Behandlung des Typ-2-Diabetes ist komplex, aber gut strukturierbar. Grundlage ist stets eine Änderung des Lebensstils, ergänzt durch eine individuell abgestimmte medikamentöse Therapie. Die leitliniengerechte Versorgung hilft, akute Komplikationen zu vermeiden und das Risiko für Langzeitfolgen deutlich zu senken. Die interdisziplinäre Betreuung und Einbindung des Patienten in die Therapieentscheidung sind entscheidend für den langfristigen Erfolg.
Eine Verminderung der Lebenserwartung wird - bei optimaler Therapie - trotz eines Diabetes mellitus Typ 2 voraussichtlich nicht eintreten. Auch die Lebensqualität muss nicht zwingend wegen eines Diabetes Typ2 eingeschränkt sein.
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