Artikel 13/09/2011

Chronische Nackenschmerzen - was Sie selber tun könnnen

Dr. med. Marco Gassen Arzt, Sportmediziner, Chirotherapeut
Dr. med. Marco Gassen
Arzt, Sportmediziner, Chirotherapeut
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Grundsätzlich ist es richtig, dass die durch Schonung und Dehnung behandelten Muskeln gekräftigt werden müssen. Aber: Was bei in ‘normalen’ Rückenschmerzen gilt, trifft insbesondere auch auf chronische Nackenschmerzen zu: Pauschale Kräftigungsempfehlungen greifen dabei oft zu kurz oder können sogar zu einer Verschlechterung beitragen.

Damit es durch eine Muskelkräftigung bzw. einem Training wirklich zu einer Verbesserung kommen kann, müssen zunächst einige Dinge beachtet werden. Bitte beachten Sie auch die Stolpersteine die ein Gelingen der Therapie verhindern.

1. Den eigenen Nacken verstehen
2. Übungen festlegen
3. Stolperfallen erkennen
4. Dran bleiben!

1. Den eigenen Nacken verstehen - Beweglichkeit und Kraft
Überprüfen Sie, ob Sie wirklich in die Gruppe der Menschen gehören, bei denen eine Überbeweglichkeit einen wichtigen Faktor darstellt:

Drehen Sie langsam den Kopf zunächst zur einen Seite und überprüfen Sie damit den Schulterblick. Auch wenn es vielleicht in der Bewegung zu einem leichten Ziehen oder Schmerzen kommt, so ist es doch fast immer möglich, die Bewegung soweit durchzuführen, bis man das Gefühl hat „jetzt geht es nicht mehr weiter“. Wichtig: Es kann dabei das paradoxe Phänomen auftreten, das Sie im Rahmen der Verspannungen, obwohl eine Überbeweglichkeit vorliegt, ein Gefühl der Bewegungseinschränkung empfinden.

Wenn Sie Kopf soweit zur Seite drehen können das die Nasenspitze in Richtung Schultergelenk zeigt, könnte Überbeweglichkeit einen wichtigen Faktor darstellen. In bestimmten Situationen, insbesondere dann wenn bereits Abnutzungserscheinungen vorliegen, kann aber auch eine eingeschränkte Beweglichkeit, hier ist dann der Schulterblick nicht nur schmerzhaft, sondern vor allem auch mechanisch deutlich eingeschränkt, die Ursache sein. Beide Situationen unterscheiden sich im weiteren Vorgehen grundlegend, da bei einer eingeschränkten Beweglichkeit zunächst das Bewegungsausmaß durch entsprechende Übungen/Behandlungen vergrößert werden sollte. Hier ist dann immer therapeutische Unterstützung erforderlich. Im Zweifel lassen Sie Ihre Beweglichkeit mit einem speziellen Test überprüfen.

Gut wäre es dann auch, wenn Sie einen spezifischen Test zur Messung der Kraft der hinteren und vorderen Halsmuskulatur durchführen lassen könnten. Falls es ein Röntgenbild von Ihrer Halswirbelsäule gibt, lassen Sie prüfen, ob Ihre Halswirbelsäule vielleicht zu gerade steht.

2. Übungen festlegen
Wenn wir davon ausgehen, dass Ihre Halswirbelsäule, was in diesen Situationen meist der Fall ist, überbeweglich oder zumindest sehr gut beweglich ist, müssen die Übungen so angelegt sein, dass die kleinen Muskeln direkt an den Wirbelkörpern und der Halswirbelsäule, aber auch alle anderen Muskeln, die die Halswirbelsäule führen und vom Hals zur oberen Brustwirbelsäule, zur Schulter und zum vorderen Brustbereich führen, mit gekräftigt werden. Das heißt aber auch, dass Übungen, die diese Muskeln nicht ansprechen, zumeist nur einen geringen Effekt erreichen.

Die Übungen sollten sich nach dem Prinzip vom Einfachen zum Schwierigen hin entwickeln, eine gute Anfangsübung, um die Halsmuskulatur direkt anzusprechen, ist z:B.das nach hinten Neigen des Kopfes gegen einen Widerstand, z.B. im Liegen auf dem Rücken oder im Stehen mit dem Rücken zu einer Wand, die gleiche Übung sollte dann mit dem Neigen nach vorne im Liegen auf dem Bauch oder aber im Stehen mit der Stirn zur Wand, durchgeführt werden.

Damit keine Ausweichbewegungen entstehen, ist es wichtig, dass Sie die Bewegung langsam, wie bei einem sehr vorsichtigen Nicken, durchführen und anschließend den Druck 10 Sekunden halten. Die Übung sollte 2-3x täglich jeweils 10x durchgeführt werden. Um Ausweichbewegungen des Kinns oder eine ungünstige Durchführung der Übung zu vermeiden, empfiehlt sich, die Übung von einem Physiotherapeuten (Krankengymnasten) überprüfen zu lassen.

Wenn diese Übung gut vertragen wird, können Sieleichte „dynamische“ Übungen hinzugenommen werden, hier kann z.B. das nach hinten Neigen des Kopfes in Bauchlage oder aber das Beugen des Kopfes nach vorne in Rückenlage geübt werden. Dies hört sich zwar ganz einfach an, durch die große Beweglichkeit der Halswirbelsäule entsteht jedoch oft eine Fehlbewegung, sodass Sie diese Übung immer zusammen mit einem Physiotherapeuten erlernen sollten.

Die Bewegungsausführung und auch die Widerstände können dann weiter, hin zur Nutzung eines Therabandes, welches um den Kopf gewickelt wird, gesteigert werden.

3. Stolperfallen erkennen
Wenn zusätzlich schwere Stressbelastungen, seien sie emotionaler oder arbeitsbedingter Art, Schlaf- oder Regenerationsdefizite oder auch ein chronisches Zusammenpressen der Zähne vorhanden sind, wird es durch die Übungen oft nicht zu einer anhaltenden Verbesserung kommen. Hier sind dann spezifische, zusätzliche Behandlungen oder eine Umstellung der Lebensgewohnheiten erforderlich.
Wenig beachtet, dabei aber sehr einfach zu beheben, sind Fehlbelastungen und Fehlbewegungen. Im Vordergrund steht hierbei das zu lange Sitzen in falscher Position ohne Wechsel der Körperhaltung.

Bei vielen Menschen entsteht bereits morgens eine Überdehnung der Halswirbelsäule durch ein falsches Aufstehen: Mit dem geraden Aufsetzen aus dem Liegen wird oft das Kinn nach vorne geschoben und eine leichte Reizung der Halswirbelsäule ausgelöst, die dann bereits am Morgen zu Verspannungen führen kann.
Für das Aufstehen gilt: Immer erst auf die Seite drehen und dann sich über die Seitlage aufrichten.
Ungünstig wirkt sich auch ein zu hohes Kissen oder eine falsche Schlafposition (Bauchschläfer) aus. Sollte ein Fehlhaltung der Wirbelsäule bestehen können die Beschwerden von der Brustwirbelsäule, einen schiefen Becken oder sogar von den Füßen ausgelöst werden, in diesen Fällen benötigen Sie Hilfe durch eine spezielle Untersuchung.

4. Dran bleiben
Ausdauer, Geduld und tägliches Üben sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei chronischen Nackenschmerzen. Erfreulicherweise müssen Sie nicht in der gleichen Intensität üben, wie der Körper normalerweise im Alltag fehlbelastet wird. Ohne 2-3 tägliche Übungsphasen von 5 Minuten, besser 10 Minuten Dauer wird es jedoch nicht gelingen. Hierbei ist es wichtig, sich zunächst 1-2 Übungen (z.B. nur das Neigen des Kopfes gegen einen Widerstand) herauszunehmen und diese entweder kurz bis zu 10x täglich oder aber etwas intensiver 2-3x am Tag durchzuführen. Im weiteren Verlauf ist es wichtig, nicht die Wiederholungszahl sondern eher die Widerstände und die Schwierigkeit zu steigern. Dies planen Sie am besten mit hierauf spezialisierten Physiotherapeuten oder Arzt.

Wichtig:
Bitte bedenken Sie: Durch die Nackenmuskulatur laufen viele kleine Nervenfasern, die durch zu starkes Training gereizt werden können und unter Umständen vielfältigste Symptome von Verspannungen, Kopfschmerzen, Schwindel bis hin zu Konzentrationsstörungen und Übelkeit hervorrufen können.

Dosieren Sie die Intensität der Übungen zunächst vorsichtig und steigern Sie die Widerstände nur langsam. Auch hier gilt: Zu wenig hilft nichts, aber zu viel des Guten ist schlecht!

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