Artikel 25/09/2010

In nur 10 Minuten zu Ihrer persönlichen Krebsvorsorgestrategie!

Priv.-Doz. Dr. med. Boris Brand Internist, Gastroenterologe
Priv.-Doz. Dr. med. Boris Brand
Internist, Gastroenterologe
krebsvorsorge-krebsfrueherkennung

Fakten und Strategien für Ihre effektive Krankheitsvorsorge

Herzkreislauf-Erkrankungen führen derzeit noch die Liste der häufigsten Sterblichkeitsursachen in Deutschland an. Krebserkrankungen finden sich an zweiter Stelle, diese werden allerdings mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung in Zukunft ständig an Bedeutung gewinnen.

Zur Vermeidung beider Gruppen von Risikoerkrankungen und weiterer Gesundheitsprobleme, die unsere Lebensqualität gerade im Alter beeinträchtigen können, lässt sich folgendes ‘ideales Verhalten’ definieren:

  • gesunde Lebensweise (vernünftige Ernährung, regelmäßige Bewegung, kein massives Übergewicht, Suchtvermeidung),

  • Vermeidung/Therapie des ‘tödlichen Quartetts’ von Herzkreislaufkrankheiten: Fettsucht mit größerem Taillenumfang (über 88 cm Frauen / 102 cm Männer), zu wenig schützendes HDL-Cholesterin (unter 50 mg% Frauen / 40 mg% Männer) & erhöhte Bluttriglyceride (über 150 mg%), Blutdruck-Erhöhung (über 130/85 mmHg), Nüchternblutzucker-Erhöhung (über 110 mg%),

  • achtsamer Umgang mit sich selbst: richtige Ziele & Maßhalten, Work-Life-Balance, Stress-Management, Stress-Vermeidungsstrategien.

Einen positiven Effekt auf ein langes, gesundes & glückliches Leben haben also eine gesunde Lebensweise und die Vermeidung von Maßlosigkeit. Aber Achtung, wenn Sie jetzt in Ihrem Leben nach 100 % Erfüllung dieses ‘idealen Verhaltens’ streben, und sich keinen Ausrutscher erlauben wollen, überfordern sie sich auf Dauer wahrscheinlich selbst, und nehmen sich Lebensfreude. So geben Sie vielleicht dem Leben Jahre, aber nicht unbedingt den Jahren Leben! Auch ‘ideales Verhalten’ bietet also keinen 100 % Schutz vor einer schwerwiegenden Erkrankung!

Insbesondere für Krebserkrankungen gilt, dass sie zu einem erheblichen Anteil ‘anlagebedingt’ sind, so dass die medizinische Vorsorge/Früherkennung auch bei gesunder Lebensweise oft einen wesentlichen zusätzlichen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit leisten kann.

Um die eigene Gesundheitsvorsorge unter Berücksichtigung Ihrer Erwartungen an das Leben und des individuellen Maßstabs der individuellen Lebensrisiken selbstverantwortlich planen zu können, sollten Sie die grundsätzlichen Chancen und Begrenzungen wesentlicher derzeit verfügbarer Krebsfrüherkennungs- bzw. Krebsvorsorgemaßnahmen kennen.

Die am Ende dieses Artikels vorgestellte Bewertung von Krebsvorsorge- & Früherkennungsmethoden berücksichtigt die Kriterien für sinnvolle Vorsorge:
‘Ist es ab einem bestimmten Lebensalter häufig?’
‘Ist der Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussbar?’
'Betrifft mich das Risiko?“ Die letzte Frage muss stets individuell geklärt werden!

Bitte beachten Sie, das die Liste nur zur allgemeinen Orientierung dienen kann. Für ‘Screeningmaßnahmen der Allgemeinbevölkerung’ wird üblicherweise ein durchschnittliches Erkrankungsrisiko entsprechend der genetischen Disposition und bezüglich individueller risikorelevanter Umweltfaktoren zugrunde gelegt. Für Menschen mit besonderen individuellen bzw. familiären Risikokonstellationen kann die Bewertung des Vorsorgenutzens bezüglich einer Erkrankung unter Abwägung der möglichen Nachteile/Risiken der Vorsorgemaßnahme vielfach auch anders, insbesondere deutlich positiver ausfallen.

Im Einzelfall kann Vorsorge bei Ihnen somit auch für andere Organsysteme, zu einem früheren Zeitpunkt, häufiger bzw. mit anderen Mitteln sinnvoll sein. Vor Entscheidung für oder gegen eine konkrete Maßnahme konsultieren Sie bitte also Ihren Hausarzt bzw. den für die Erkrankung ‘zuständigen’ Facharzt bzw. eine Fachärztin Ihrer Wahl!

Wenn Sie insgesamt wirklich nur 10 Minuten in Ihre Krebsvorsorgestrategie investieren wollen und sich nicht mit allen Details des ‘für & wider’ der hier im Folgenden vorgestellten Vorsorgeangebote beschäftigen wollen, sich aber bereits für die Teilnahme einer der hier vorgestellten Maßnahmen entschieden haben, hier die schnelle Entscheidungshilfe. Machen Sie sich zunächst klar, auf welche Eigenschaft Sie bei einer Vorsorgemethode besonders Wert legen, denn letztlich zählt nur Ihr eigener Maßstab!

Je nach Ihrem persönlichen Maßstab:

  • Nutzen zählt: ‘ich will einen starken günstiger Effekt auf mein Krebs-Sterberisiko’,

  • Risiko zählt: ‘ich wünsche möglichst keinen Schaden durch die Vorsorgemethode’,

  • Ziel zählt: ‘echte Prävention ist mir wichtig, also Verhinderung der Krankheit zählt, frühere Krebsdiagnose’ ohne 100% Heilungschance finde ich aber problematisch“, können Sie in der folgenden Tabelle ablesen, welche Vorsorgeuntersuchungen Ihren Wünschen mehr (alle Maßnahmen oberhalb der von Ihnen bereits für gut befundenen Vorsorge-Methode) bzw. weniger (unten in der Tabelle) entsprechen.

Grundsätzlich empfehle ich, Nutzen und Risiko immer zusammen zu betrachten. Vorsorge ist ein Tauschgeschäft! Die ‘tatsächlich Kranken’ profitieren besonders von der Vorsorge, die ‘in Wahrheit Gesunden’ trifft ein eventueller Schaden durch die Vorsorge besonders hart. Zu welcher Gruppe Sie gehören, ist leider bei ‘echter’ Vorsorge (ohne Vorliegen von Symptomen) stets unbekannt. Zumindest sollten Sie der ‘Risikogruppe’ für die Erkrankung angehören (z.B. gilt für Darmkrebs alleine schon ein Lebensalter von mindestens 50 Jahren als erhöhtes Risiko, Krebs findet sich hier bereits bei ca. 1 von 100 Personen).
Alle Untersuchungen die gleich oder besser ‘abschneiden’, als die von Ihnen bereits als sinnvoll bewertete, kommen dann ebenfalls für Sie persönlich in Frage (soweit Sie nach Alter und Geschlecht zu dem für das Screening geeigneten Personenkreis zählen).

Gebärmutterhalskrebs - ‘Prävention durch HPV-Impfung’ (Mädchen 12-17J)

  • Nutzen: hohe Schutzwirkung wird vorhergesagt, und ist wahrscheinlich, dennoch ist der Effekt auf das Überleben gering, weit weniger als 1% aller Sterbefälle jährlich wird in Deutschland durch Gebärmutterhalskrebs verursacht.

  • Risiko: Da erst Studien über kurze Zeiträume (bis zu 4 Jahre) vorliegen, kann das Risiko derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

  • Prävention: ja, es handelt sich um eine echte ‘Primärprävention’.

Darmkrebs-‘Vorsorgespiegelung mit Polypektomie’ (Alle, 55-69J)

  • Nutzenzahl (NNT) = 1:300.
    Pro 300 untersuchte Personen wird ein Darmkrebs zusätzlich geheilt.

  • Risikozahl (NNH) = 1 von 500.000.
    Maximal eine von 500.000 Untersuchten stirbt durch die Vorsorgemaßnahme.

  • Prävention: ja, Entfernung von Polypen verhindert die Krebsentstehung.

Brustkrebs-‘Mammographie’ (Frauen, 49-69J)

  • Nutzenzahl (NNT) = 1:500.
    Pro 500 untersuchte Personen wird ein Brustkrebs zusätzlich geheilt.

  • Risikozahl (NNH) = 1 von 4.500.
    Eine von 4.500 Untersuchten stirbt durch einen durch die wiederholten Röntgenbestrahlungen im Rahmen der Untersuchungen verursachten Krebs.

  • Prävention: nein.

Prostatakrebs-‘PSA-Screening’ (Männer, ab 45J)

  • Nutzenzahl (NNT) = 1:1410.
    Pro 1410 untersuchte Personen wird ein Prostatakrebs zusätzlich geheilt.

  • Risiko: bezüglich des Sterberisikos sind mir keine allgemein belastbaren Zahlen bekannt. Experten gehen allerdings davon aus, das bei einem relevanten Prozentsatz von Männern Behandlungen und Operationen aufgrund von auffälligen Vorsorgebefunden durchgeführt werden, die nicht zu einer Verlängerung des Überlebens bzw. Verbesserung der Lebensqualität führen. Problem ist hierbei, das mit den derzeitigen Methoden nicht immer sicher zwischen agressiven bzw. langsam wachsenden Prostatakrebsen unterschieden werden kann.

  • Prävention: nein.

Darmkrebs-‘Früherkennung Bluttest im Stuhl’ (Alle, ab 50J)

  • Nutzen: Testbriefchen übersehen eine relevante Anzahl an Krebsen und Polypen, dies gilt auch für die ‘modernen’ Selbstzahlerteste.

  • Risiko: ‘falsche Sicherheit’, denn ein negativer Test schließt keinesfalls sicher Darmkrebs bzw. das Vorhandensein von Polypen (potentiellen Darmkrebsvorstufen) aus.

  • Prävention: nein.

Gebärmutterhalskrebs-“Früherkennung PAP-Abstrich“ (Frauen ab 20J)

  • Nutzen: Der Nutzen ist belegt, aber der Effekt bezüglich des Gesamtsterblichkeitsrisikos ist begrenzt (siehe HPV Impfung!)

  • Risiko: Kaum ersichtliches Risiko der Maßnahme, allerdings erheblicher Aufwand im Laufe des Lebens durch die häufigen regelmäßigen Kontrollen.

  • Prävention: nein.

Brustkrebs - ‘Früherkennung durch Brustabtasten’

  • Nutzen: der Nutzen insbesondere der Selbstabtastung ist kaum belegt, die Mammographie ist effektiver bezüglich der Früherkennung von Krebsen.

  • Risiko: Kaum ersichtliches Risiko der Maßnahme, allerdings erheblicher Aufwand im Laufe des Lebens durch die häufigen regelmäßigen Kontrollen.

  • Prävention: nein.

Hautkrebs - ‘Früherkennung durch geschulte Ärzte’ (Alle, ab 35J)

  • Nutzen: der Nutzen im Sinne einer verminderten Hautkrebssterblichkeit durch Früherkennungsmaßnahmen ist international kaum belegt, die Untersuchung durch einen geschulten Arzt/Hautarzt ist effektiver als Untersuchung durch einen ungeschulten Arzt oder gar die Selbstuntersuchung.

  • Risiko: Kaum ersichtliches Risiko der Maßnahme, relevanter Aufwand im Laufe des Lebens durch die regelmäßigen Kontrollen.

  • Prävention: nein (die Information über ‘richtiges’ Verhalten bezüglich Sonnenschutz im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung könnte eigentlich präventiv sein, allerdings wurde eine Verhaltenänderung der Aufgeklärten bislang nicht wissenschaftlich erwiesen.)

Die Nutzenzahl (NNT) verliert an Bedeutung, wenn Sie in einer ‘Hochrisiko’-Gruppe bezüglich der Erkrankung sind (z. B.: viele Familienangehörige, die an der selben oder anderen Krebsen insbesondere in jüngerem Lebensalter erkrankt sind.

Die Risikozahl (NNH) gewinnt Bedeutung bei ‘schlechter’ allgemeiner Gesundheit, und verliert an Bedeutung, wenn Sie biologisch jünger sind, als es Ihrem kalendarischen Alter entsprechen würde.

Achtung: bei besonderen Risik–Konstellationen kann die Bewertung anders ausfallen! Wenn Sie mehr Zeit invenstieren wollen und nach genauer Kenntnis der Fakten die Vorsorgeangebote selbst bewerten wollen, sowie zur vertiefenden Information über das Wesen von Vorsorgeuntersuchungen empfehle ich die Lektüre meines Essays „Strategien der Gesundheitsvorsorge - Hintergrund & Bewertung derzeit verfügbarer Gesundheitsvorsorge’.

Soweit für hier vorgestellte Methoden die NNT (number needed to treat), also die Anzahl von Menschen, die untersucht werden müssen, um einer der Personen durch die Maßnahme zu nützen bzw. NNH (number needed to harm) = Anzahl von Menschen, die untersucht werden, bis einer der Personen durch die Maßnahme selbst oder Ihre Folgen zu Schaden kommt, nicht angegeben werden, sind für mich ‘zuverlässige’ wissenschaftliche Daten derzeit nicht auffindbar gewesen. Sollten Sie über solche Daten verfügen, bitte ich Sie um Mitteilung der Datenquelle!

Verantwortlich für den medizinischen Inhalt ist PD Dr. med. Boris Brand, Regionalbeauftragter der gemeinnützigen StiftungLebensBlicke, Metropolregion Hamburg.

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