Artikel 24/06/2013

Totalprothetik - ein Patientenfall

Team jameda
Team jameda
totalprothetik

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so scheint: Wirtschaftlichkeit und Totalprothetik passen durchaus zusammen. Durch die Unikatprothesen-Erstellung nämlich kann die ansonsten kassengesetzlich schlecht bewertete Totalprothetik einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert für Zahnarzt und Techniker erzielen - ein Beispiel:

Eine 69-jährige Patientin kam in meine Praxis, um eine 15 Jahre alte OK-Totalprothese sowie eine UK-Teleskop-Prothese erneuern zu lassen. Sie beklagte ihr verändertes Gesicht und wiederkehrende schmerzhafte Irritationen beim Essen.

Nach klinischer Voruntersuchung stellte ich fest, dass beide Teleskopzähne nicht mehr erhaltungswürdig waren, die Okklusion instabil und beide Kiefergelenke reziprokes Knacken aufwiesen. Die vertikale Bisshöhe war stark abgesunken und damit verbunden war eine Reduktion des Mittelgesichts. Beide Restzähne wurden extrahiert. Die UK-Prothese konnte durch eine Erweiterung und Unterfütterung interimsweise für die Zeit der Knochenausheilung instand gesetzt werden.

Die Patientin wünschte sich einen neuen Totalprothesen-Ersatz, welcher ihr eine funktionale Rehabilitation bot. Noch wichtiger war ihr aber, ästhetisch so wieder hergestellt zu werden, dass sie sich mittels einer Unikat-Prothesenversorgung so fühlen konnte, als hätte sie noch ihre eigenen Zähne. Nach klinischer funktionsanalytischer Untersuchung und ausführlicher Anamnese wurde im Vorfeld ein Ist-Soll-Zustand erarbeitet. Dazu gehörte eine Gesichtsanalyse mittels digitaler Fotos und das Herausarbeiten von positiven, wieder verwertbaren Merkmalen. Es erfolgte die Erstabformung beider Kiefer unter Zuhilfenahme der alten Prothesen. Die bukkalen Ränder wurden funktional abgeformt, gleichzeitig verlängerte ich die A-Linie und die sublingualen Ränder beider Prothesen. Als Funktionsrand-Material benutzten wir Hoxan.

Nach Abformung der Kiefer-Kämme mit dünn-fließendem Silikon führte ich eine Stützstiftregistrierung mit Stiftstützplatten nach Gerber durch. Diese können direkt in der Praxis nach funktionaler Erstabformung in die ohnehin zu erhöhenden Prothesen schnell und effizient eingebaut werden. Um einen Scharnierachsen-Bezug in gleicher Behandlungssitzung herzustellen, bieten sich die Stützstiftplatten nach Gerber gerade deshalb an, weil die dazugehörige Gesichtsbogen-Übertragung anhand eines aufsteckbaren Gesichtsbogens möglich wird. Die mukostatische Abformung, Stützstiftregistrierung, Gesichtsbogenübertragung und die erarbeiteten Anamnese-Werte der Patientin lieferten nach Montage dem Techniker alle Informationen, um die Gestaltung der 2. Abformlöffel vorzunehmen. Es sind die Kriterien der Basis-Gestaltung, der Wallausformung und der Okklusion, die in diesen neuen Abformlöffeln bereits umgesetzt sein müssen.

Nun erfolgte die 2. Behandlungssitzung, die folgende Arbeitsschritte beinhaltete:
1. Mukostatische Abformung der Schleimhäute und Funktionsränder
2. Gesichtsbogenübertragung
3. Stützstiftregistrierung

Alle drei Arbeitsschritte wurden in der gleichen Weise durchgeführt wie in der 1. Abformsitzung. Die Abformung der Schleimhäute hatte jedoch im Gegensatz zur Erstabformung durch die aufgestellten Wälle in richtiger Höhe und Okklusion den zu erzielenden mukostatischen Effekt. Zusätzlich kam in dieser Sitzung die Bestimmung der Condylar-Bahnneigung (HCI), welche ebenfalls mit dem Gerber-Registrierbesteck in Verbindung mit der Gesichtsbogenübertragung aufgezeichnet werden konnte.

Alle erstellten Unterlagen gingen ins Labor, wurden montiert, der Artikulator wurde anhand der Aufzeichnungen programmiert. Die Abformschablonen wurden als Aufstellschablonen weiter verwandt. Für zwei bis drei Stunden musste die Patientin nun ins Labor, um nach den Gesichtspunkten von Ästhetik und Funktion eine Aufstellung der Zähne zusammen mit dem Techniker zu erarbeiten. Dabei spielten die phonetischen Kriterien der F- und S-Lautbildung eine wichtige Rolle, aber auch die Stellung der Zähne bezüglich einer festen Knochenunterlage.

Wird nach diesen Regeln eine Zahnaufstellung vorgenommen, finden die Zähne, dreidimensional gesehen, automatisch ihren ursprünglichen Platz. Dies sind die Voraussetzungen für die Erstellung einer Unikatprothese.

Danach kam die Patientin zur Überprüfung aller Parameter (zentrische Okklusion, Phonetik und stabile Lagerung der Schablonen) in die Praxis. Zusätzlich erfolgte eine Prüfung der Prothesenränder sowie der Wangenkontakte zu den Zähnen. Abschliessend wurde im Mund die A-Linie bestimmt, auf die Prothesenbasis übertragen, die Schleimhautresilienz vermessen und auf die Modelle zum Radieren übertragen.

Nach Fertigstellung der Prothesen im Labor wurden diese der Patientin eingegliedert und nach vier Wochen Tragezeit erfolgte eine Remontage in Zentrik. Die Patientin hatte nach Eingliederung der neuen Prothesen keinerlei Druckstellen und war mit dem funktionalen und ästhetischen Ergebnis außerordentlich zufrieden.

Wirtschaftlichkeits-Vergleich 28er versus Unikatprothese
Die Erstellung einer Unikatprothese beschränkt sich im Wesentlichen auf sechs Behandlungstermine:
1. Klinische und funktionale Anamnese
2. Erstabformung, Stützstiftregistrierung und Gesichtsbogen mit vorhandenen Prothesen
3. Zweitabformung, Stützstiftregistrierung, Gesichtsbogen und Condylar-Bahnneigung mit neu erstellten Abformlöffeln
4. Anprobe
5. Fertigstellung
6. Remontage: Die dafür benötigte Zeit in der Praxis beträgt ca. sieben Arbeitsstunden.

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