Artikel 02/09/2013

Knochenaufbau vor Zahnimplantaten - Welches Material ist das Richtige?

Prof. Dr. med. dent. Sönke Harder Zahnarzt
Prof. Dr. med. dent. Sönke Harder
Zahnarzt
knochenaufbau-vor-zahnimplantaten

Zahnimplantate stellen heutzutage eine elegante und sichere Möglichkeit dar, verloren gegangene Zähne sicher und dauerhaft zu ersetzen. Häufig stellt der behandelnde Zahnarzt allerdings bereits bei der ersten Untersuchung fest, dass zu wenig Kieferknochen für ein Zahnimplantat vorhanden und ein Knochenaufbau („Augmentation“) notwendig ist. Soll jetzt künstliches Knochenersatzmaterial den Defekt füllen oder ist die Verlagerung von eigenem Knochen die beste Möglichkeit den Kiefer wieder herzustellen? Die Antworten auf diese Fragen sind vielschichtig und müssen dem individuellen Patientenfall gerecht werden. Dieser Beitrag soll daher in kurzer Form einen Überblick über die aktuellen Materialien für Knochenaufbauten/Kieferaufbauten im Rahmen von implantologischen Eingriffen geben.

Wann ist ein Knochenaufbau notwendig?
Das Einsetzen von Zahnimplantaten ist (stark vereinfacht) vergleichbar mit dem Einbringen eines Dübels in eine Wand. Ist die Wand zu dünn oder der Dübel zu dick, bricht er aus der Wand heraus und das, was von dem Dübel gehalten werden sollte, fällt herunter. Ähnlich verhält es sich mit Zahnimplantaten, die in einen zu dünnen oder zu schwachen Kieferknochen eingesetzt werden. Das Implantat verliert unter der Kaubelastung seine tragenden Knochenwände und muss bereits nach kurzer Zeit wieder entfernt werden. Der gewünschte Therapieerfolg - feste eigene Zähne - stellt sich nicht ein. Die Enttäuschung für den Patienten/die Patientin ist anschließend groß.

Der dauerhafte Erfolg von Zahnimplantaten ist somit stark vom Ausmaß des vorhandenen Kieferknochens abhängig. Grundsätzlich gilt, dass ein Zahnimplantat allseitig von einer mindestens 2 mm starken Knochenschicht umgeben ist. Häufig ist dieses Knochenvolumen aber zum Zeitpunkt der Entscheidung für ein Zahnimplantat nicht gegeben, da der Körper nach dem Zahnverlust den nicht mehr benötigten Teil des Kieferknochens abbaut.

Materialien, die für Knochenaufbauten zur Verfügung stehen
Um verlorengegangenen Knochen zu ersetzen, können heutzutage folgende Materialien benutzt werden:
1. Körpereigener Knochen
2. Natürliche Knochenersatzmaterialien
3. Synthetische Knochenersatzmaterialien

Körpereigener Knochen kann in ausreichendem Maße von verschiedenen Stellen des Körpers gewonnen werden. In der Mundhöhle sind diese unter anderem: das Bohrloch des Implantats, der Unterkieferwinkel und der Kinnbereich. Außerhalb der Mundhöhle können vom vorderen Beckenknochen (Hüfte) größere Mengen an körpereigenem Knochen entnommen werden. Körpereigener Knochen eignet sich sehr gut für die Wiederherstellung von Kieferdefekten. Es besteht kein Infektionsrisiko für den Patienten und eine immunologische Transplantatabstoßung ist ausgeschlossen, da es sich ausschließlich um körpereigenes Gewebe handelt. Körpereigener Knochen ist somit allen anderen Knochenaufbaumaterialien überlegen und heute nach wie vor der „Goldstandard“ bei Knochenaufbauten. Nachteilig sind jedoch die begrenzte Verfügbarkeit und die Notwendigkeit einer weiteren Entnahmestelle. In der Regel werden entweder Knochenpartikel oder ganze Knochenblöcke verwendet. Die Fixierung erfolgt mit kleinen Titan- oder Stahlschrauben, die in der Regel nach der Einheilzeit des Knochentransplantats (ca. 3-4 Monate) entfernt werden.

Natürliche Knochenersatzmaterialien werden aus tierischem Material (Knochen und Bindegewebe) gewonnen und stehen überwiegend als Granulat (gemahlener Knochen) oder als Blöcke zur Verfügung. Als Spendertiere kommen am häufigsten Rind und Schwein infrage, da die Knochenstruktur dieser Tiere der des Menschen ähnlich ist. Es stehen allerdings auch Präparate menschlichen Ursprungs zur Verfügung. Die verwendeten Präparate müssen als Medizinprodukte den Auflagen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genügen. Um ein Übertragungsrisiko für Infektionskrankeiten wie HIV oder Hepatitis sowie eine immunologische Abstoßungsreaktion auszuschließen, werden diese Materialien sterilisiert und konserviert. Hierdurch werden allerdings auch die biologischen Eigenschaften der Materialien verändert und es kann zu einem vermehrten Abbau nach der Operation kommen. Die Einheilphase nach dem Knochenaufbau ist länger als bei körpereigenem Knochen (ca. 4-6 Monate) Geeignet sind natürliche Knochenersatzmaterialien für die Auffüllung von kleineren Kieferdefekten, oder als Beimischung zu körpereigenem Knochen.

Synthetische (künstliche) Knochenersatzmaterialien bestehen überwiegend aus auf Kalzium basierenden Keramiken oder sog. bioaktiven Gläsern. Sie werden als Granulate angeboten und eignen sich aufgrund Ihrer geringeren Stabilität nur für die Verwendung bei kleineren Kieferdefekten. Sie sind als Medizinprodukte ebenfalls dem Medizinproduktegesetz und damit der Aufsicht des BfArM unterworfen.

Welches Material im konkreten Fall zum Einsatz kommt, sollte nach den notwendigen diagnostischen Maßnahmen (klinische und röntgenologische Untersuchung) und der entsprechenden Aufklärung durch den behandelnden Arzt festgelegt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der körpereigene Knochen nach wie vor die verträglichste und vorhersagbarste Methode zum Kieferknochenaufbau darstellt.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.