Team jameda
Wenn sich die roten Blutkörperchen auflösen, kommt es zur Blutarmut, die hämolytische Anämie genannt wird. Lesen Sie hier, mit welchen Symptomen sie sich äußert, welche Ursachen dahinter stecken und welche Behandlung dagegen hilft.
Die roten Blutkörperchen leben normalerweise 120 Tage und enthalten Hämoglobin, das aus Eisen und Proteinketten besteht. Sie sind rund, flach und flexibel, damit sie sich durch die kleinsten Gefäße drängen können, wo sie den vom Eisen erfassten Sauerstoff an die Zellen abgeben. Wenn sie früher als normal zerstört werden und wenn das Knochenmark nicht rechtzeitig neue rote Blutkörperchen bildet, kommt es zur Blutarmut.
Hämolytische Anämien sind Formen der Blutarmut, die auf die vermehrte oder vorzeitige Zerstörung von roten Blutkörperchen zurückzuführen sind. Die Ursachen können angeboren oder erworben sein, weshalb es mehrere Arten der Erkrankung gibt.
Angeborene hämolytische Anämien:
Die Thalassämie, auch Mittelmeeranämie genannt, wird von einem Gendefekt verursacht, der zum verminderten Aufbau des Hämoglobins führt. Ist nur ein Gen defekt, ist die Erkrankung mild, sind beide Gene defekt, äußert sich die Erkrankung mit schweren Symptomen. Die Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen und die roten Blutkörperchen selbst sterben frühzeitig ab. Die Thalassämie kommt häufig im Mittelmeerraum vor und betrifft ungefähr 3 Prozent der Menschen auf der ganzen Welt.
Die Sichelzellanämie wird von einem Gendefekt verursacht, der zum fehlerhaften Aufbau des Hämoglobins führt, das in diesem Fall S-Hämoglobin genannt wird. Das S-Hämoglobin formt sich bei niedrigem Sauerstoffdruck sichelförmig um, was zu Embolien und Infarkten führt. Niedriger Sauerstoffdruck kommt bei körperlicher Anstrengung, Aufenthalt in größeren Höhen oder extremer Kälte, bei Infektionen und Operationen vor und löst eine Sichelzellanämiekrise aus. Sie ist im Mittelmeerraum, in Afrika und in Asien recht häufig.
Bei der Kugelzellanämie sind die roten Blutkörperchen wie kleine Kugeln verformt. Sie sind zu dick, um sich durch die kleinen Gefäße des Körpers zu quetschen und bleiben deswegen in der Milz hängen, wo sie abgebaut werden. Die Kugelzellanämie ist die häufigste vererbte hämolytische Anämie in Mitteleuropa.
Der Favismus, auch Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel genannt, ist eine vererbte Störung des Stoffwechsels der roten Blutkörperchen, die auf ein defektes Enzym zurückzuführen ist und zum frühzeitigen Abbau der roten Blutkörperchen führt, oft in Form einer akuten Hämolyse. Auslöser einer hämolytischen Krise sind Infektionen, Medikamente wie Sulfonamide, ASS, Vitamin-K-Analoga, Schmerzmittel und Antibiotika sowie der Verzehr von Favabohnen. Der Favismus ist eine der häufigsten Erbkrankheiten und die häufigste Enzymkrankheit weltweit.
Beim Pyruvatkinase-Defekt bildet das Knochenmark starre rote Blutkörperchen, die nicht flexibel genug sind, um sich durch die kleinen Gefäße zu drängen, was zu ihrer Auflösung führt.
Erworbene hämolytische Anämien:
Bei den autoimmunen hämolytischen Anämien bilden sich Abwehrstoffe gegen rote Blutkörperchen, die sie angreifen und zerstören. Die Antikörper entstehen aufgrund von Infektionen, der Einnahme von Medikamenten oder bei autoimmunen Rheumakrankheiten.
Zur Rhesus-Unverträglichkeit des Neugeborenen kommt es, wenn die Mutter Rhesus-negativ und das Kind Rhesus-positiv ist. Dann bildet die Mutter Antikörper, die bei der nächsten Schwangerschaft die roten Blutkörperchen des Fötus angreifen, was in Extremfällen zu seinem Tod führt.
Weitere Ursachen erworbener hämolytischer Anämien sind:
Die Symptome einer hämolytischen Anämie hängen von der Ursache, dem Schweregrad und von der Phase der Erkrankung ab. Der Schweregrad bestimmt auch die Prognose, die Folgen und die Lebenserwartung der Betroffenen.
Während einer hämolytischen Krise, auch Hämolyse genannt, lösen sich viele rote Blutkörperchen plötzlich auf, was gefährlich ist und zu Fieber und Schüttelfrost, Kopf-, Knochen-, Gelenk-, Rücken- und Bauchschmerzen sowie Ohnmacht führen kann. Eine Sichelzellanämiehämolyse kann Nieren-, Lungen-, Leber-, Milz- und Knochengewebeinfarkte verursachen. Bei einer Kugelzellanämie sind ebenfalls Infarkte oder Embolien möglich.
Allgemeine Beschwerden der hämolytischen Anämien sind:
Die schwere Form der Thalassämie führt zu Wachstumsstörungen bei Kindern und zu Hautveränderungen sowie zu Knochendeformationen oder -brüchen. Weil das Eisen nicht gut in die roten Blutkörperchen eingebaut werden kann, kommt es manchmal auch zur vermehrten Eisenablagerung im Körper.
Die Rhesus-Unverträglichkeit des Neugeborenen äußert sich mit Gelbsucht und einer vergrößerten Leber und Milz bei der Geburt. Ohne Behandlung führt die Erkrankung zur Schädigung des zentralen Nervensystems, zu Taubheit, Epilepsie und geistiger Behinderung.
Ein Blutbild ist der wichtigste Weg zur Diagnostik einer hämolytischen Anämie. Typischerweise stellt der Arzt im Labor eine Erythrozytopenie fest, das heißt, dass es zu wenig rote Blutkörperchen gibt. Je nach Ursache sind sie auch unterschiedlich verformt. Wenn die roten Blutkörperchen in den Blutgefäßen abgebaut werden, fängt das Zuckerprotein Haptoglobin den Blutfarbstoff Hämoglobin auf, was zu erhöhten Haptoglobin-Werten führt.
Der Gallenfarbstoff, auch Bilirubin genannt, ein Endprodukt des Abbaus der roten Blutkörperchen, ist im Serum und im Urin erhöht. Ein Eisenmangel ist nicht festzustellen, aber die Ferritin-Werte sind hoch.
Das Knochenmark versucht, den schnellen Abbau der roten Blutkörperchen mit erhöhter Neubildung einzuholen. Deswegen sieht der Arzt bei der feingeweblichen Untersuchung einer Knochenmarkprobe mehr Stammzellen und andere Vorstufen der roten Blutkörperchen.
Zur Diagnose des Favismus und des Pyruvatkinase-Defekts gibt es spezielle Enzym-Tests.
Für die Diagnose autoimmuner hämolytischen Anämien ist der sogenannte Coombs-Test hilfreich. Dabei werden die roten Blutkörperchen mit einem Kaninchenserum vermischt. Wenn sich die roten Blutkörperchen verkleben, dann steht die Diagnose fest.
Eine Hämolyse muss dringend stationär behandelt werden. Neben ausreichender Flüssigkeitszufuhr werden Schmerzmittel verabreicht und je nach Schweregrad Bluttransfusionen durchgeführt.
Wichtig ist es, einer Hämolyse vorzubeugen, indem man die Auslöser vermeidet, wie zum Beispiel:
Bei autoimmunen hämolytischen Anämien müssen Infektionen frühzeitig und gründlich behandelt werden.
Da die roten Blutkörperchen vermehrt von der Milz erfasst und zerstört werden, ist die operative Entfernung oft nötig. Die OP wird aber nur dann durchgeführt, wenn es keinen anderen Ausweg gibt, weil ohne Milz die Anfälligkeit für Infektionen erhöht ist.
Die autoimmunen hämolytischen Anämien werden zusätzlich mit Kortisonpräparaten und Immunosuppressiva behandelt.
Die Sichelzellanämie und die Thalassämie können nach erfolgreicher Knochenmarktransplantation geheilt werden. Dabei handelt es sich um die Übertragung und Verpflanzung der im Knochenmark enthaltenen blutbildenden Stammzellen.
Bei Säuglingen mit Favismus oder Rhesus-Unverträglichkeit, die mit Gelbsucht zur Welt kommen, ist eine Phototherapie hilfreich. Die Babys werden mit kurzwelligem, blauem Licht bestrahlt, wodurch das Bilirubin in der Haut umgewandelt und anschließend über die Gallenflüssigkeit und die Nieren ausgeschieden wird.
Bei einer hämolytischen Anämie braucht der Körper mehr Folsäure für die Überproduktion der roten Blutkörperchen im Knochenmark. Deswegen empfiehlt sich eine folsäurereiche Ernährung mit Spinat, Salat, Kohl, Obst, Vollkornprodukten, Weizenkeimen, Sojabohnen, Hülsenfrüchten und Leber. Darüber hinaus gibt es aus der Naturheilkunde keine bekannten wirksamen Mittel für die Behandlung einer hämolytischen Anämie.
Mehrere angeborene oder erworbene Ursachen führen zur Auflösung der roten Blutkörperchen. Das kann gefährlich werden, insbesondere während einer plötzlichen hämolytischen Krise, die immer sofort behandelt werden muss. Vermeiden Betroffene bestimmte Auslöser, kommt es seltener zur einer akuten Hämolyse. Einige Formen der hämolytischen Anämie können geheilt werden, wenn Stammzellen ins Knochenmark transplantiert werden.
Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
[Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin
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