Artikel 11/12/2017

Wie Venenschwäche entsteht und behandelt werden kann

Dr. med. Johann Christof Ragg Radiologe, Phlebologe, Angiologe
Dr. med. Johann Christof Ragg
Radiologe, Phlebologe, Angiologe
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Venenschwäche ist eine Volkskrankheit. Die Hälfte der Bevölkerung zeigt Zeichen einer Venenerkrankung, sagt man. Nachhaltig halten sich Gerüchte, es sei eine Bindegewebsschwäche, gegen die man nicht viel tun kann – außer Kompressionsstrümpfe zu tragen und eine Operation durchführen zu lassen, wenn die Krampfadern Beschwerden machen. Nichts davon ist wahr.

Wie können Venenschwächen diagnostiziert werden?

Das größte Hilfsmittel der Venenspezialisten, der Ultraschall, ist in den letzten Jahren enorm verbessert worden. Endlich sind Venenklappen und ihre Funktion sichtbar. Das war kürzlich noch unmöglich. Ihr erfahrener Arzt kann ganz kleine Defekte finden, die dafür sorgen, dass sich die Beine am Ende des Tages schwer anfühlen – so wie ein tropfender Wasserhahn gegen Abend doch einen ganzen Eimer gefüllt hat.

2017 begann ich, Kinder und Jugendliche kostenlos zu untersuchen. Zu meiner Überraschung war bei fast der Hälfte eine krankhafte Veränderung zu finden: fehlerhafte Venenklappen, also kleine Venenabschnitte mit dem typischen krankhaften Rückfluss. Der Anfang einer Venenschwäche!

Während des körperlichen Wachstums werden auch die Defekte größer und bedeutender. Irgendwann sieht man bei 66 % der Kinder an einer ersten Stelle kleine Vorwölbungen von Adern oder eine leicht dunklere Farbe. Bei 34 % liegen die Defekte tiefer, so dass man sie bis zum 18. Lebensjahr nicht erkennen kann.

Unsere Folgerung: Angeborene kleine Klappenfehler sind nicht selten, sondern sehr häufig. Das Ende der Pubertät wäre der ideale Zeitpunkt für eine Untersuchung oder gar eine Behandlung. Sie besteht bei Patienten aufgrund der Geringfügigkeit der Befunde meist nur in einem oder zwei kleinen „Pieksern“, die weniger unangenehm als eine Blutentnahme sind und das Problem lösen.

Wie entstehen Venenschäden?

Nun gibt es noch eine zweite, dritte und vierte Art, eine Venenschwäche zu erwerben: Schäden durch Bewegungsmangel, Volumenüberlastung und Thrombosen.

Wenn Menschen sitzen oder stehen, steht auch die Durchblutung in den Venen still. Das Blut lagert sich dann in den Klappenbereichen der Venen ab. Hier tauscht es Entzündungsstoffe mit den Venenklappen aus, die dort nach und nach Umbauvorgänge auslösen. Ergebnis sind Verdickungen und Verkürzungen der Klappen. Wenn die Menschen Jahre später zum Arzt gehen, sind meist schon viele Venenklappen völlig zerstört.

Bereits nach 20 Minuten fehlender Bewegung im Alltag beginnt der „Angriff“ auf die Venenklappen, aber schon ein paar Schritte könnten ihn wieder abwehren! Unser tägliches Leben - von den PC-Spielen der Kinder bis zu den vielen Berufen am Schreibtisch, am Tresen oder im Auto - ist extrem venenschädlich.

Gelegentlich kann es vorkommen, dass durch besondere Belastungen wie Schwangerschaft, Leistungssport, schwere körperliche Arbeit, aber auch durch Herausforderungen des normalen Alltags einzelne Venenklappen überdehnt werden. Auch hier füllen sich die oberflächlichen und sichtbaren Venen vermehrt, sodass sie ästhetisch sehr stören können. Diese Art der Venenschwäche ist aber „gutartiger“, weil sie in einem ansonsten gesunden oder sogar sportlichen Organismus stattfindet. Die Krampfaderbehandlung ist bei Sportlern völlig anders als bei Büromenschen. Hier können viel mehr Venen gerettet werden.

Können Venenschäden behandelt werden?

Vierstündiges Sitzen kann auch durch eine Stunde Sport ebenso wenig ausgeglichen werden wie eine Schachtel Zigaretten durch eine Stunde frische Luft. Hier ist viel Aufklärungsarbeit und Ideenreichtum erforderlich, um etwas zu ändern – aber es ist möglich.

Experten können mit diesem neuen Wissen den Nutzen von Kompressionsstrümpfen oder Venenmedikamenten für den einzelnen Patienten eindeutig erkennen. Sie können die Patienten also individuell coachen, die Vorsorge wirksamer gestalten und sinnlose Maßnahmen vermeiden.

Welche Rolle spielen Thrombosen?

Thrombosen kommen nur scheinbar aus heiterem Himmel: Mit einem Wissen um die Risiken könnte wohl die Hälfte der Thrombosefolgen vermieden werden.

Was sind diese Risiken? Bewegungsmangel steht an erster Stelle, danach die unentdeckte Venenschwäche und Risiken wie Unfälle, Operationen, „die Pille“ und Karzinome. Oft fehlt die Aufmerksamkeit für Frühsymptome wie leichte Schwellungen und geringe Missgefühle.

Werden Thrombosen zu spät behandelt, führen sie zu unabänderlichen Venenklappenschäden und das leider oft im tiefen Venensystem. Hier sind keine einfachen Reparaturen möglich. Die Folge ist auch heute noch in 50 % der Fälle das „postthrombotische Syndrom“ mit ständiger Strumpftragepflicht. Die künftige bessere Lösung wird eine implantierbare künstliche Venenklappe sein, die über einen Katheter gelegt wird. An der Entwicklung wird derzeit gearbeitet.

Wie kann ich Veneninsuffizienz vorbeugen?

Es ist wichtig, dass Patienten ihre Venen verstehen und auf Störungen aufmerksam werden, bevor über Jahre größerer Schaden entsteht. Experten empfehlen jedem einen „Venencheck“, der an seinem Bein hervortretende Adern entdeckt und oder Schwellungen oder Schweregefühl beobachtet. Dabei wird eine qualifizierte ärztliche Ultraschalldiagnostik durchgeführt, bei der der Gefäßstatus überprüft und eine Vorsorgeberatung durchgeführt wird.

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