Ereignisse, die im Vergleich zu den eigenen Kenntnissen oder Lebenserfahrungen so ungeheuerlich sind, dass sie die eigenen Kompensationsmöglichkeiten überschreiten, können mitunter nur mit "Totstellen" bewältigt werden. Dabei ist "Totstellen" kein aktiver Vorgang, sondern zeigt lediglich die komplette Überforderung an. Dabei werden vermutlich Erlebnisanteile abgespalten, eingefroren und an irgendeiner Stelle im Gehirn abgelegt. Dies geschieht jedoch nicht wie historisch Erlebtes, sondern aufgespalten in kleine, nicht zusammenhängende Anteile und an nicht genau zu bezeichnender Stelle. Über lange Zeit erscheinen diese Erlebnisanteile wie "eingefroren".
Wie äußert sich ein Trauma?
Im weiteren Leben kann es aber durch Auslöser dazu kommen, dass solche Erinnerungsfragmente „auftauen“ und dann plötzlich wie aus heiterem Himmel in den Vordergrund des Erlebens drängen. Als Auslöser wirken vielleicht ähnliche Situationen wie damals, Gerüche, bildhafte Eindrücke, bestimmte Lieder oder Stimmen oder auch Handlungen, die denen des damaligen Geschehens ähnlich sind.
Symptomatisch sind vielleicht Panikattacken, blitzartige Rückerinnerungen, sogenannte Flashbacks, vielleicht auch dissoziative Symptome, durch die ich mich nicht mehr als "Ich" erlebe.
Naturgemäß werden diese Erinnerungsfragmente am liebsten unterdrückt, denn sie ängstigen, weil sie nicht verständlich sind.
Welche Therapieform bietet sich an, um ein Trauma zu verarbeiten?
Mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprozessing) werden die verborgenen und versprengten Erinnerungen mithilfe stimulierter Augenbewegungen schrittweise wieder zusammengeführt.
Ihre Augen können Ihnen dabei helfen, Ihre Gedanken zu ordnen und Ihr Trauma zu überwinden (© viktoriagavril - fotolia)
Wie kann ich diesen Prozess mit den Augenbewegungen am besten verstehen?
Schnelle unter Anleitung ausgeführte Augenbewegungen nehmen aufgrund der Dominanz des Sehnervs und aller mit ihm verbundenen Gehirnanteile einen Großteil der bewussten Denkvorgänge ein und absorbieren sie gleichsam. Entsprechend können sich die verdrängten, unterdrückten Erinnerungen in den Vordergrund "wagen". Sie kommen ins Bewusstsein, werden aktiviert und im günstigen Falle auch zum Ausdruck gebracht.
Der Ausdruck ist ein hochkomplexer Vorgang, der wiederum viele weitere Gehirnanteile einbezieht, aktiviert und die Erinnerungsfragmente ordnet und bewusst macht.
Wie kann ich mir die Gedanken in meinem Kopf vorstellen?
Wenn wir ein Wollknäuel sehen, hat es praktisch keinen Anfang und kein Ende, alles ist "gleichzeitig".
Mit den Gedanken ist es ähnlich. Gedacht wird in der Regel nicht in geordneten Bahnen, sondern viele Gedanken werden als Komplex oder auch als Wolke wahrgenommen. Wolken kann man aber nicht oder nur mit anderen Mitteln, zum Beispiel künstlerisch mit Bildern, Musik oder ähnlichem zum Ausdruck bringen. Wichtige Kommunikationsformen beruhen auf Linearität, also Sprache oder Schrift.
Wenn ich einen Gedanken sprachlich formuliere, werden im Gehirn die folgenden Zentren aktiviert: Sprach- und Assoziationszentren, Zentren für die Wortfindung und grammatische Formulierung, Zentren, die den Atem regulieren, Zentren für Kehlkopf und Stimmbänder, Zunge, Lippen, Kiefer und viele andere.
Zudem höre ich, was ich sage, und übe damit eine weitere Wahrnehmungsfunktion aus, die gleichzeitig das Gesprochene kontrolliert, bewertet und korrigiert.
Sollte ich das Gesprochene auch noch aufschreiben, wird zusätzlich neben dem Bewegungsapparat von Arm und Hand das visuelle System der Augen eingeschaltet, sodass sich Wahrnehmungswirkung, Kontrolle und Korrektur verstärken. Daher ist Schreiben auch eine wichtige Therapieform.
Welchen Effekt hat die Therapie?
Auf diese Weise werden die Erinnerungsanteile aktiviert, die vorher im Verborgenen waren. Sie werden zu Bewusstsein gebracht, geordnet und in den dafür zuständigen Gehirnteilen abgelegt. Sie sind nun "prozessiert" und "integriert". Ich kann dann am Ende sagen: "War schrecklich, aber ist vorbei."
Überzeugen Sie sich von der Qualität Ihres Psychotherapeuten - nur so kann Ihr Trauma professionell behandelt werden (© siartmailru_iStock)
Wie lange dauert die Therapie und zahlt meine Krankenkasse dafür?
Manchmal lassen sich schnelle Erfolge erzielen. Oft erstreckt sich eine EMDR-Behandlung aber auch über einen längeren Zeitraum.
Für eine einzelne Sitzung sind üblicherweise 45 Minuten bis 1,5 Stunden anzunehmen.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Behandlung mit EMDR nur nach umfassender Weiterbildung und Zertifizierung des Behandlers.
Welche Risiken sind mit der Behandlung verbunden?
Das Aktivieren von Erinnerungsanteilen kann so intensiv sein, dass das alte Trauma wieder hervorgerufen wird. Daher sind eine gute Vorbereitung und eine gute Vertrauensbasis sehr wichtig.
EMDR soll daher nur von erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden. Lassen Sie sich im Minimum ein Weiterbildungszertifikat der Fachgesellschaft (EMDRIA) vorlegen, am besten auch den Nachweis der Mitgliedschaft in einer traumatherapeutischen Fachgesellschaft, z.B. DeGPT.