Artikel 27/10/2016

Dialyseshunts - Was ist das und welche Dialyseshunt-Arten gibt es?

Dr. med. Oliver Wolf Gefäßchirurg, Facharzt für Allgemeinchirurgie
Dr. med. Oliver Wolf
Gefäßchirurg, Facharzt für Allgemeinchirurgie
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Für Dialyse-Patienten stellt der Dialyseshunt sozusagen die Lebensader dar. Das oberste Ziel eines guten Shuntchirurgen ist deshalb die Versorgung des Patienten mit dem bestmöglichsten Shunt. Dies bedarf einer intensiven Voruntersuchung, die mit Zuhilfenahme von Ultraschallgeräten durchgeführt wird und somit absolut schmerzfrei ist.

Sollte ein Dialyseshunt Probleme machen, muss dieser schnell untersucht werden, bevor ein größerer Schaden entsteht. Durch den Einsatz von qualitativ hochwertigen Ultraschallgeräten kann hier aber in den meisten Fällen eine Diagnose ohne Zuhilfenahme von zeitaufwendigen und invasiven Gefäßdarstellungen gestellt werden.

Im Folgenden möchte ich Ihnen weitere Informationen zum Dialyseshunt geben.

Dialyseshunt: Wozu brauchen Betroffen ihn?

Nierenversagen - dafür gibt es viele Ursachen. In vielen Fällen versagen die Nieren, ohne dass man den Grund dafür findet. Doch unabhängig von der Ursache des Nierenversagens braucht der erkrankte Patient eine Nierenersatztherapie, um zu überleben. Die Nierenersatztherapie ist gleichbedeutend mit Dialyse oder Blutwäsche. Das heißt, das Blut wird durch einen Filter gepumpt, der die Schadstoffe entfernt und den Elektrolythaushalt des Blutes balanciert.

Was für Dialyseshunt-Arten gibt es?

Damit diese Blutwäsche in einer akzeptablen Zeit durchgeführt wird, braucht man eine Verbindung zum menschlichen Blutgefäßsystem, die eine Blutentnahme von mehr als 300 ml/min zulässt. Im Prinzip gibt es 4 Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen:

  • 1. Kathetereinlage in eine Zentralvene (Sheldonkatheter, getunnelter Vorhofkatheter)
  • 2. Verbindung von Arterie und Vene an der oberen Extremität = native AV-Fistel
  • 3. Überbrückung von Extremitätenarterien und Venen mit einem Kunstoffrohr (alloplastischer Shunt)
  • 4. Zwischenschalten eines Kunststoffrohrs in eine großkalibrige Arterie: arterio-arterieller Shunt

Kathetereinlage in eine Zentralvene

Durch die Einlage eines Katheters in eine Zentralvene kann eine Dialyse unmittelbar nach dem Eingriff durchgeführt werden. Der Katheter hat in aller Regel 1-2 Kanäle (Lumen) und wird idealerweise über die innere Drosselvene (Vena jugularis interna) am Hals eingebracht.

Eine Einlage des Katheters über die Schlüsselbeinvene (Vena subclavia) sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen, denn derartige Katheter können eine Thrombose in der Vene mit Behinderung des venösen Blutabflusses auslösen. Da die Vena subclavia das venöse Blut aus dem Arm abtransportiert, kann es bei einer Thrombose dieser Vene zu einer Beeinträchtigung der Shuntfunktion an der betroffenen Extremität kommen.

Ablauf

Der Katheter wird durch Punktion der inneren Drosselvene nach lokaler Betäubung schmerzfrei in die Vene eingelegt. Über die Punktionsnadel folgt die Einlage eines speziellen Drahtes (Seldinger- Technik) bis in rechten Vorhof des Herzens. Den Draht als Schiene benutzend wird nach Entfernung der Punktionsnadel der Katheter vorgeschoben und mit der Spitze in der oberen Hohlvene platziert. Eine Auffüllung des Katheters mit Heparin-Wasser-Gemisch verhindert ein unerwünschtes Gerinnen des Blutes im Katheterlumen.

Ist für den Katheter nur eine kurze Verweildauer geplant, benutzt man einen Sheldon-Katheter. Je länger der Katheter verweilt, desto größer ist die Gefahr, dass der Patient an der Durchtrittstelle durch die Haut eine Infektion erwirbt, die letztendlich den ganzen Katheter infiziert und zu schweren generalisierten Infektionen durch Verschleppen von Bakterien in den Blutkreislauf führen kann (Kathetersepsis).

Dieses Risiko kann der Arzt dadurch reduzieren, dass er den Katheter vor dem Eintritt in die Vene eine lange Strecke unter der Haut verlegt (getunnelter Katheter).

Verbindung von Arterie und Vene an der oberen Extremität = native Fistel (Synonym: AV-Fistel -Venenshunt)

Native AV-Fisteln haben im Vergleich zu allen anderen Methoden einen entscheidenden Vorteil: Die Haltbarkeit. Damit eine native Fistel angelegt werden kann, muss jedoch eine ganze Reihe von Bedingungen gegeben sein. Die oberflächliche Vene und die Arterie, zwischen denen die Fistel operativ angelegt wird, müssen einen gewissen Mindestdurchmesser haben und dürfen weder Verengungen noch Verschlüsse tragen, da sich sonst keine funktionsfähige Fistel entwickeln kann.

Des Weiteren darf keine frische oder alte Thrombose in der tiefen Vene vorliegen, die den venösen Abfluss behindern könnte. Legt man eine native Fistel am Unterarm an, muss sichergestellt werden, dass die Ellenarterie (Arteria ulnaris) alleinig die arterielle Versorgung der Hand übernehmen kann - dies wird mit dem Allentest sichergestellt.

Mit einer schmerzfreien klinischen Untersuchung in Verbindung mit einer Ultraschalluntersuchung kann sichergestellt werden, dass alle Bedingungen erfüllt sind. Native Fisteln werden in aller Regel in Regionalanästhesie über einen kleinen Schnitt angelegt. Dies geschieht entweder am Handgelenk, indem eine Verbindung zwischen der Speichenarterie (Arteria radialis) und einer kräftigen Unterarmvene (Vena cephalica antebrachii) angelegt wird. Man nennt dies Cimino-Brescia-Fistel oder einfach Cimino-Fistel.

Sollte die Anlage einer Cimino-Fistel nicht möglich sein - am häufigsten durch das Fehlen von geeigneten Venen verursacht - kann man eine Verbindung zwischen der Ellenbeugenarterie (Arteria cubitalis) und der Vena cephalica herstellen. Diese Fistel wird als Ellenbogenfistel (Brachialisfistel, Basilikafistel) bezeichnet.

Die Anlage einer Fistel, insbesondere am Unterarm, bedarf profunder gefäßchirurgischer Erfahrung und Technik sowie den Einsatz von Lupenbrillen, da Gefäße miteinander verbunden werden, die einen Außendurchmesser von 3 mm besitzen.

Nach Anlage einer Fistel fließt Blut mit arteriellem Druck durch das Venensystem. Dies führt zu 2 Veränderungen, welche die Vene dann für die Dialyse verwendbar machen:

  • durch einen bindegewebigen Umbau der Venenwand verdickt sich diese,
  • der Durchmesser der Vene vergrößert sich auf das 4-5 fache des ursprünglichen Durchmessers.

Wichtig

Es vergehen bis zu 3 Monate bis sich so aus einer Vene eine mechanisch belastbare Fistel mit ausreichendem Blutfluss ausbildet, deshalb sollten AV-Fisteln in genügendem Zeitabstand vor der Dialysepflichtigkeit angelegt werden – so kann die Fistel sofort benutzt werden. Ist kein ausreichendes Zeitfenster zur Ausreifung der Fistel vorhanden, lässt die Zeit bis zur vollständigen Reife problemlos mit einem vorzugsweise getunnelten Katheter (s.o.) überbrücken.

Überbrückung von Venen und Arterien mit einem Kunststoffrohr (alloplastischer Shunt)

Stehen zur Anlage eines Shunts keine oberflächlichen Venen zur Verfügung, kann man zwischen den Arterien und Venen ein Kunststoffrohr (in aller Regel aus Polytetrafluroethylen=PTFE= Teflon) zwischenschalten (interponieren).

Ein solcher Shunt wird zum besseren Komfort des Patienten bei der Dialyse vorzugsweise am Unterarm angelegt, kann aber auch am Oberarm implantiert werden. Das Kunststoffrohr wird bei dieser Methode zwischen eine Arterie und eine Vene geschaltet, die voneinander entfernt liegen. So kann man Arteria radialis (Speichenarterie) mit der Ellenbogenvene verbinden. Hierzu muss man natürlich die Gefäße an 2 Stellen - am Handgelenk und in der Ellenbeuge - freilegen. Man verlegt die Prothese dann unter der Haut, indem man sie mit geeigneten Instrumenten von einem Schnitt zum anderen unter der Haut durchzieht. Aufgrund des graden Verlaufes (gerade = straight) spricht auch vom Straight-Shunt.

Interponiert man das Kunststoffrohr zwischen nebeneinander liegenden Arterien und Venen, ist es erforderlich, die Prothese in einem Halbkreis (=Loop) unter der Haut zu verlegen - man spricht dann vom Loop-Shunt. Derartige Shunts heilen innerhalb von 10-14 Tagen ein und können dann zur Dialyse verwendet werden. Loop-Shunts werden aufgrund des größeren Traumas in Allgemeinnarkose oder in Plexusanästhesie durchgeführt.

Komplikationen

Nach der Operation kann es bei dieser Shuntform zu Schwellungen des Armes kommen. Dies wird durch den gestörten Lymphabfluss sowie gegebenenfalls durch eine Reaktion des Körpers auf den Kunststoff verursacht (Perigraftreaktion). Durch Ruhigstellung des Armes, Kühlung und Kompression können Patienten die Beschwerden in vielen Fällen vollständig zurückdrängen, nur selten muss der Shunt aufgrund einer Perigraftreaktion wieder entfernt werden.

An den Stoßstellen zwischen eigenem Gewebe und Kunststoff kommt es zu keiner definitiven Einheilung. Der Vergleich mit einem Splitter im Gewebe, der nicht einheilt, ist hier sehr treffend. Dies belastet insbesondere die Verbindung zwischen Kunststoff und Vene (venöse Anastomose), denn begünstigt durch die Blutflussverhältnisse kann „wildes Fleisch“ (neointimale Hyperplasie) auf der Innenseite des Gefäßes wachsen. Dies führt zur Verengung der Anastomose und kann damit zur Unbrauchbarkeit des Shunts führen.

Zwischenschalten eines Kunststoffrohrs in eine großkalibrige Arterie (arterio-arterieller Shunt)

Wenn es keine geeigneten tiefen oder oberflächlichen Venen zur Bildung von Shunts gibt, kann das Kunststoffrohr auch in eine Arterie zwischengeschaltet werden. Am geeignetsten ist hier die Schlüsselbeinschlagader, die man unterhalb des Schlüsselbeins freilegt und so den Loop-Shunt unter der Haut über dem Brustmuskel platziert.

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