Artikel 03/05/2019

Systemisches Coaching: Zirkuläre Sichtweise in der Burn-out-Prävention

Dr. Ing. Jörg Bergbauer Heilpraktiker für Psychotherapie
Dr. Ing. Jörg Bergbauer
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Viele Problemlösungsansätze gehen von einer linearen Beziehung zwischen Ursache und Wirkung aus. D. h. die Abfolge aufeinander bezogener Ereignisse und Zustände ergibt sich aus einem kausalen Zusammenhang: Zustand A ist die Ursache für die Wirkung B, wenn B von A herbeigeführt wird.

Erweitert man diese Sichtweise um den zeitlichen Aspekt, so lässt sich die Ursache-Wirkungs-Beziehung als eine Kausalkette definieren: Ereignis A ist die Ursache für Ereignis B, welches selbst wiederum die Ursache für ein weiteres Ereignis C ist. Dieses Ereign ist ist selbst wieder Auslöser… bis das letzte Ereignis der Kette bewirkt wurde. Die Ursachen sind damit streng zeitlich nacheinander gereiht und durchweg voneinander abhängig.

Zeitlich lineare Fragestellungen

Übertragen auf den Burn-out-Prozess würde das Folgendes bedeuten: Der aktuelle Zustand und das damit verbundene Verhalten des Klienten sind lediglich durch eine Verkettung von Ereignissen entstanden, deren Ursprung sich exakt ermitteln lässt. Zum Beispiel: ‘Weil der Kollege nicht teamfähig ist, kommt es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen ihm und mir, die mich belasten und deshalb…’.

Diese Denkweise ist hilfreich für die Burn-out-Prävention in der Therapie. Coach und Klient müssten lediglich zusammen überlegen, welche Parameter (z. B. Verhalten, Arbeitsbedingungen) bewusst zu verändern sind. Welche Handlungen und Maßnahmen muss der Klient durchführen, damit er einen weniger belastenden Zustand erzielen kann? Die sich daraus ergebenden Lösungsschritte würden dann klare Handlungsanweisungen beinhalten. Allerdings blendet diese Sichtweise aus, dass Organisationen komplexe Systeme sind. Das Verhalten eines Elementes darin ist zugleich Ursache und Wirkung von anderen Elementen.

Zirkuläre Fragestellungen

Mit der zirkulären Sichtweise dagegen beleuchtet der Coach die Wechselwirkungen im System. D. h. dass innerhalb einer Organisation das Tun des Einen auch das Tun eines Anderen bewirken oder beeinflussen kann. Dieses Tun hat wiederum Einfluss auf andere Personen und deren Verhalten sowie auf das eigene Verhalten. Die Verhaltensweisen von Personen innerhalb einer Organisation beeinflussen und bedingen sich somit wechselseitig. Das heißt aber auch, dass Probleme ihre Ursache im Kontext haben und damit wieder Ursache für die Beschaffenheit eines Systems sind. Sie sind damit Teil der Kreisläufe im System und damit innerhalb einer Organisation.

Der Klient sollte in der Lage sein, diese Wechselwirkungen im System sowie zwischen einem Problem und den möglichen Interaktionen im System erkennen zu können. Dafür benötigt er die Außenperspektive durch den Coach. Der Klient kann damit seine eigene Situation aus der Distanz betrachten und durch Reflexion die Zusammenhänge erkennen. Fragen, welche das System erforschen, sind ein zentrales Werkzeug des Coaches zur Einführung in dieser Außenperspektive. Diese zirkulären Fragen untersuchen Wechselwirkungen im System. Aber vor allem die Wechselwirkung zwischen Problem bzw. Symptom und dem Kontext, in dem es sich befindet.

Was untersucht man mit zirkulären Fragen?

Zirkuläe Fragen interessieren sich besonders für die:

  • Beziehung der Mitglieder eines Systems und ihre Wechselwirkungen,
  • Unterschiede ihrer Beziehungen und deren Folgen,
  • Unterschiede ihrer Reaktionen aufeinander,
  • Unterschiede ihrer Reaktion auf das Problem und
  • Unterschiede ihrer Sichtweisen und Vorstellungen über Vergangenheit oder Zukunft sowie
  • Zusammenhänge zwischen Ereignissen innerhalb des Systems und dem Problem
  • Wechselwirkungen aller dieser Faktoren untereinander.

Welche Aufgaben haben zirkuläre Fragen?

Zirkuläre Fragen haben folgende Aufgaben:

Informationserzeugung

Durch neue Informationen hinsichtlich der Beziehung aller Beteiligten zueinander soll die Sichtweise des Klienten verändert werden. Einige Sichtweisen des Klienten zu seiner eigenen Situation sowie zu anderen Beteiligten werden dabei verstärt, neue können dadurch entstehen. Im Ergebnis sollen die veränderten Sichtweisen ein alternatives Verhalten des Klienten ermöglichen.

Kontextualisierung

Die zirkuläre Betrachtung geht von der Annahme aus, dass ein Problem etwas mit seinem Kontext zu tun hat und nicht mit individuellen Eigenschaften. Für den Klienten bedeutet das, dass die Ursache seines Problems damit nicht mehr in seiner Person gesehen wird. Es soll ihn motivieren, sich mit den Beziehungen zu den anderen Beteiligten zu beschäftigen und möglicherweise auch etwas daran zu verändern.

Durch die zirkulären Fragen lädt der Coach den Klienten dazu ein, sich intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen Problem bzw. Symptom und dem Kontext, in dem er sich befindet, auseinanderzusetzen. Im Rahmen der Burn-out-Prävention haben sich folgende Fragen bewährt:

  • Wenn wir also Ihren Chef fragen würden: Was würde er Ihnen zwecks Verbesserung Ihrer Belastungs-/Stresssituation raten?
  • Gesetzt den Fall, wir fragen Ihren Kollegen: Woran würde er merken, dass Sie Ihre persönlichen Bedürfnisse stärker als bisher wahrnehmen?
  • Wer in Ihrer Abteilung würde es als erster bemerken, dass Sie sich mit der Übernahme einer Aufgabe selbst überschätzt haben? Wie würde er reagieren?
  • Was glauben Sie, würden uns Ihre Kollegen/Ihr Vorgesetzter sagen, wenn wir sie fragen würden: Wie können Sie sich verhalten, um einen Beitrag zur Verbesserung Ihrer Arbeitssituation zu leisten?
  • Was denken Sie, würde Ihre Frau darüber sagen, wie Sie momentan Ihre Prioritäten bezüglich Arbeit und Familie verteilen?
  • Stellen Sie sich vor, wir fragen Ihre Frau, welches Verhalten Ihrerseits für sie eher günstig wäre. Was würde sie uns erzählen?
  • Was könnten Sie tun, damit andere (Kollegen, Vorgesetzter, Frau) so handeln, dass es schlimmer wird?

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