Wenn Gluten Stress auslöst - sensible Aufklärung und Betreuung

Löst Gluten im Körper Stress aus, ist der Patient auf eine sensible Betreuung angewiesen (© Floydine - fotolia)

Die Ernährung spielt auf vielfältige Art und Weise eine Rolle in unserem Leben, unter anderem beeinflusst sie auch verschiedene Erkrankungen. Patienten sehen sich auf einmal der Frage gegenüber, was ihre Ernährung mit der Krankheit zu tun hat. Um dieser Frage nachzugehen, ist die Eigenbeobachtung der Befindlichkeit nach dem Essen nötig, aber auch Labor- oder kinesiologische Untersuchungen sowie anamnestische Fragestellungen in der Sprechstunde.  

Intensive Untersuchungen führen zu einer Diagnose

Unterschiedliche Untersuchungen sind Teil der diagnostischen Vorgehensweise. Zum einen finden Laboruntersuchungen statt  (Blut: z.B. IgG4-Unverträglichkeitsüberprüfung, Zonulin. Stuhl: Zustand der Darmschleimhaut, Enzymtätigkeit, Verdauungsleistung sowie Zustand der Darmflora zur Vorverwertung der Nahrung). Zum anderen werden aber auch kinesiologische Untersuchungen durchgeführt, die via Muskeltest prüfen, welche Nahrungsmittel blockieren, d.h. in einen überaktiven Zustand versetzen, oder schwächen. Körperliche Untersuchungen sowie die gründliche Anamnese ergänzen das Bild.

Gerade bei Patienten, die unter chronischen Erkrankungen, wie Rheuma, Schuppenflechte, Morbus Crohn, Hashimoto oder Neurodermitis leiden, aber auch bei Allergikern - um nur einige wenige Beispiele aus dem Gesamtspektrum zu nennen - ist der Umgang mit der Ernährung ein Basisbaustein auf dem Weg zur Gesundung.

Oft folgt eine weitreichende Umstellung

Steht die Diagnose fest, sind weitreichende Folgen möglich. Diese können sehr unpopulär sein, da selbstverständliche Familien-Gewohnheiten beleuchtet und nötigenfalls verändert werden sollten. Das heißt, dass beispielsweise eine Glutenunverträglichkeit beim Frühstück und Abendbrot ein hohes Maß an Neuorientierung erfordert. Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Hier ist nicht die - meist genetisch bedingte - Zöliakie oder Sprue gemeint, die bei Glutenverzehr sehr dramatische Auswirkungen auf die Darmschleimhaut zeigt und tatsächlich lebensbedrohend sein kann.

Glutenunverträglichkeit als Langzeitallergie

Glutenunverträglichkeit als Teilursache einer Allergie oder chronischen Erkrankung gehört eher zur Abteilung der „silent inflammation“, die zu den sogenannten Langzeitallergien hinzugerechnet werden kann. Wie der Name schon sagt, geschieht die Entzündung der Darmschleimhaut in diesem Beispiel leise, also nicht unbedingt direkt spürbar. Der Darm funktioniert, jedoch eher im unterschwelligen Funktionsbereich. So werden Nahrungsmoleküle nur unzureichend aufgespalten und über die gereizte Darmschleimhaut entweder in ungünstiger Zusammensetzung oder auch zu geringer Menge aufgenommen. Das Stichwort hierzu ist: Leaky Gut (zu durchlässige, da geschwollene Darmschleimhaut).

Für das Patientenverständnis ist ein fataler Umstand der Langzeitallergien zu erläutern: Nach Kontakt oder Aufnahme des Auslösers (hier: Gluten) kann es 1 bis 4 Tage dauern, bis sich eine Immun-Reaktion einstellt. Das Pizzabrötchen beim Italiener kann also innerhalb der nächsten 4 Tage das Immunsystem auf Überreaktion einstellen, um eine Symptomatik ansteigen zu lassen. Das ist nicht immer deutlich erinner- oder spürbar.

Der Patient braucht Information, Aufklärung und Betreuung

Was ist da zu tun? Teil der therapeutischen Leistung muss in diesem Fall die Ernährungsberatung sein. Dem Patienten mitzuteilen, er solle zukünftig auf Gluten verzichten, ist richtig, jedoch fast immer zu kurz gegriffen. Denn nur wenige Menschen wissen genau, worin Gluten enthalten ist. Es findet sich nicht nur in Getreide wie Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer und Grünkern. Sondern auch in Produkten, in denen diese Sorten offen oder versteckt enthalten sind. Wichtig für den Patienten ist, dass man ihm mit Verständnis begegnet, wenn die Tragweite der Erkrankung bewusst wird. Damit der Patient seine Ernährung anpassen kann, ist die ausgiebige Beratung nötig, hier helfen auch Broschüren oder Internetlinks. Auch Rezepte für Frühstück und Abendbrot sind Hilfestellungen, die den Einstieg erleichtern. 

Allerdings ist gerade der grundsätzliche Aspekt der Veränderung von Essgewohnheiten sehr sensibel zu vermitteln. Natürlich gibt es Patienten, die mit dem Vorwissen in die Praxis kommen, dass Nahrungsbestandteile möglicherweise kritisch sind, und die sich gerne auf die Ernährungsempfehlung des Therapeuten einlassen. Die Menge der Patienten, denen dieser Gedanke völlig fremd ist und die sich eine Ernährungsumstellung nicht vorstellen können, ist jedoch aus meiner Praxis-Erfahrung weitaus größer.

Hier ist Sensibilität des Therapeuten gefordert. Denn unter Umständen soll verändert werden, was seit Generationen fester Bestandteil einer gesunden Familienstruktur und -erfahrung ist. Und wenn bei einem Geburstagsmahl im Kreis der Familie plötzlich abgelehnt werden muss, was dem Rest der Familie schon immer geschmeckt hat, rührt dies unter Umständen am Zugehörigkeitsgefühl des Patienten. Auch hier sind Beistand und Ideen des Therapeuten gefordert, wie er mit solchen Situationen umgehen kann. Wichtig für den Patienten ist es, das Ziel vor Augen zu haben. Zwar ist eine Sofortbesserung kaum zu erwarten, dennoch brauchen langfristige Erfolge Zeit.

Verbesserungen und Erfolge wahrnehmen

Da im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen, Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufig auch eine Darmsanierung mit der Gabe hochpotenter Probiotika, Beta-Glucanen und evtl. enzymatische Unterstützung wichtig ist, sollte vermittelt werden, dass innerhalb eines Zeitraumes von ca. 6 Monaten Besserungstendenzen erwartet werden können. Wie hoch diese Tendenzen ausfallen, ist einerseits abhängig von der Bereitschaft des Patienten, die erfahrenen Maßnahmen umzusetzen. Allerdings auch von der Vermittlung des Therapeuten, die erreichten Verbesserungen in diesem Zeitraum bewusst zu machen. 

Mit einer Skalierung der Symptome (1: gesunder, gewünschter Zustand des Patienten bis 10: maximales Erkrankungsbild) kann von Beginn der Behandlung aufgezeigt werden, wie sich ein Symptombild verändert. Dies ist eine sinnvolle Unterstützung, um die Compliance des Patienten zu erhalten. Denn gerade bei ganzheitlichen, komplementären Methoden ist der angestrebte Weg der Wiederherstellung der Selbstheilungskräfte eine Basisarbeit, die oft kleinschrittige, dafür aber nachhaltige Besserungseffekte zeigt. 

Zukunftsaussichten

Manchem Patienten gelingt es, nach Durchführung der Maßnahmen auch Gluten wieder in die Ernährung aufzunehmen ohne Symptome auszulösen. Für einige ist der komplette Verzicht notwendig.

Die meisten Patienten entwickeln über die Zeit ein Gefühl, wann sie zukünftig auf Gluten verzichten und wann/wie oft sie es im Ernährungsalltag hinzunehmen. Letztendlich ist dies ein Ziel, dass ich in der Praxis gerne offenlege: Dem Patienten Eigenverantwortung und Entscheidungsfähigkeit für sich selbst zu vermitteln und mit angemessener Aufmerksamkeit einen gesunden Alltag zu leben.

Dieser Artikel dient nur der allgemeinen Information, nicht der Selbstdiagnose, und ersetzt den Arztbesuch nicht. Er spiegelt die Meinung des Autors und nicht zwangsläufig die der jameda GmbH wider.

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Kommentare (4)

Hubertus, 03.02.2018 - 21:03 Uhr

Werte Frau Thomaßen, kann eine Akupunktur die Erfolgsaussichten einer Glutenunverträglichkeitstherapie wirksam erhöhen bzw. die Behandlungszeit spürbar verkürzen?

Antwort von , verfasst am 05.02.2018

Guten Morgen, persönlich habe ich diese Erfahrung noch nicht gemacht (ich selbst arbeite nicht mit Akupunktur). Jedoch halte ich es für durchaus möglich, daß Akupunktur einen günstigen Einfluß auf den Gesundungsprozeß haben kann. Wie im Artikel beschrieben, kann es unterschiedliche Ursachen der Glutenunverträglichkeit geben. Und für einige dieser Ursachen ist Akupunktur sicher sehr gut unterstützend. Erfahrene TCM-Therapeuten haben zu Ihrer Frage wahrscheinlich genauere Antworten. Das würde ich Ihnen dann ans Herz legen: ein/e TCM-Therapeut/in, die die Beandlungsform auch für Darmregulation einsetzt. Herzliche Grüße und gute Besserung Christiane Thomaßen Naturheilpraxis im Hofgut Habitzheim/Gesundheitszentrum

Rina N., 18.05.2017 - 20:47 Uhr

Vor zweieinhalb Jahren erfuhr ich, dass ich eine Glutenunverträglichkeit habe. Der Arzt erklärte mir, was es bedeutet und was ich in Zukunft besser nicht essen sollte. Bekannt sind fast alle Getreideprodukte. Nicht so bekannt ist, Senf, weißer Pfeffer und natürlich alle Fertigprodukte, wie Soßen oder Suppen in Tüten. Seit dem ich weiß, weshalb mein Darm so "verrückt" gespielt hat, esse ich hauptsächlich Maiswaffeln, dazu Frischkäse, Hartkäse, selten Wurst und viel Frischzeug. Ich habe in zweieinhalb Jahren, ohne, dass es einer Anstrengung bedurfte, 9 kg abgenommen. Der Darm arbeitet regelmäßig. Durchfall gehört zur Vergangenheit. Und alles, was ich essen darf, esse ich inzwischen gerne und muss nicht hungern. Mein Mann und ich mieten uns öfter ein Wohnmobil, mit dem wir nicht nur verreisen. Hier kann ich hervorragend kochen und Restaurant-Besuche sind nur noch sehr selten. Ich kann jedem, der glutenunverträglich ist, empfehlen, diese Form der Lebens -und Lenbensmittelumstellung auszuprobieren. Rina N.

Antwort von , verfasst am 12.10.2017

Guten Tag Frau N., herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ähnliche Erfahrungen habe ich ebenfalls in der Praxis gemacht. Und, ja, das ist wirklich wichtig: viele Patienten sind extrem sensibel, auch für die Produkte, in denen Gluten 'versteckt' ist. Schön, daß sich die Umstellung bei Ihnen so gut ausgewirkt hat! Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit. Christiane Thomaßen

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