Artikel 30/04/2016

Wie Sie gesund und fit bis ins hohe Alter bleiben

Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk Frauenarzt (Gynäkologe), Ernährungsmediziner
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
Frauenarzt (Gynäkologe), Ernährungsmediziner
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Jeder möchte alt werden, aber keiner will alt sein. Für dieses Dilemma gibt es nur eine Lösung: Auch im fortgeschrittenen Alter gesund und fit sein, um all das tun zu können, wofür in jüngeren Jahren keine Zeit war. Wie sich das bewerkstelligen lässt, wollte jameda von Prof. Dr. Kleine-Gunk wissen, Präsident der German Society of Anti-Aging Medicine e. V.

jameda: Es heißt, dass Rauchen, Stress, Übergewicht, Fast Food und Bewegungsmangel den Alterungsprozess beschleunigen. Warum ist das so?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Tabak setzt Radikale frei, die zu oxidativem Stress führen und Raucher schneller altern lassen. Sport führt zwar zunächst auch zu einer Freisetzung von Radikalen, aber der Körper steuert schnell gegen und senkt dadurch die Anzahl der freien Radikale insgesamt. Wer keinen Sport treibt, hat daher auf lange Sicht mehr freie Radikale im Körper. Bewegungsmangel führt aber auch zu Übergewicht, das wiederum chronisch niedrigschwellige Entzündungen fördert, die den Menschen ebenfalls schneller altern lassen. Und Fast Food sorgt dafür, dass Zucker und Eiweiße verkleben.

jameda: Wie häufig sollte man Sport treiben und welche Nahrungsmittel sind besonders günstig, um den Alterungsprozess zu verlangsamen?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Sport wirkt nur, wenn man regelmäßig trainiert. Man sollte sich schon zwei- bis dreimal pro Woche für mindestens 20 Minuten bewegen. Natürlich sind auch Obst und Gemüse wichtig, um gesund zu altern, aber eine kohlenhydratarme Ernährung spielt ebenfalls eine große Rolle. Früher hieß es, Fett sei schlecht, heute achtet man eher darauf, einfache Kohlenhydrate wie Zucker oder Weißmehl zu vermeiden. Sie fördern Proteinverklebungen und den Zuckeranstieg im Blut. Steigende Insulinpegel sind eine Grundlage für das metabolische Syndrom und führen zu vielen weiteren Zivilisationskrankheiten.

jameda: Auch die mentale Balance spielt eine wichtige Rolle. Ist schon der ganz normale Alltagsstress ein Risikofaktor, schneller zu altern, oder ist nur chronischer Dauerstress gefährlich?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Stress ist schwer zu quantifizieren und sehr individuell. Eine hohe Arbeitsbelastung in Verbindung mit viel Entscheidungsspielraum ist oft leichter zu bewältigen als eine Situation, die nicht steuerbar ist. Oft lässt sich der Stress nicht reduzieren, aber man kann lernen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen. Betroffene können sich beispielsweise fragen, wo sie sich am besten erholen. Menschen sind sehr unterschiedlich, die einen entspannen beim Yoga, die anderen bei der Gartenarbeit. Kleine Pausen in den Tagesablauf einzubauen, ist ebenfalls sehr wichtig.

jameda: Das biologische Alter kann sich vom tatsächlichen Alter eines Menschen durchaus unterscheiden. Denn ein gesunder Lebensstil kann dazu führen, dass ein Mensch viel fitter und leistungsfähiger ist, als sein Alter vermuten lässt. Um wie viele Jahre dreht sich die biologische Uhr zurück, wenn man einen gesunden Lebensstil verfolgt? 
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Das biologische Alter kann sich vom tatsächlichen chronologischen Alter um 20 bis 25 Jahre unterscheiden. Manche 60-Jährige haben Demenz, andere sind fitter denn je. Aber es ist nie zu spät, ein gesundes Leben zu beginnen - Schäden lassen sich gut kompensieren. Udo Lindenberg beispielsweise hat lange Zeit kein gesundes Leben geführt, dann aber ein Trainingsprogramm begonnen und macht jetzt mit 70 eine Tournee.

jameda: Um wie viel Prozent erhöht ein ungesunder Lebensstil das Risiko, später an typischen altersbedingten Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder Demenz zu leiden? 
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Eine Packung Zigaretten am Tag verringert das Leben im Schnitt um 12 Jahre. Adipositas-Patienten mit einem BMI über 30 haben wiederum ein zehnmal höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken als Normalgewichtige. Vor allem wenn er schlecht eingestellt ist, verkürzt der Diabetes das Leben im Schnitt um fünf bis acht Jahre.

jameda: Manche Menschen ist es besonders wichtig, auch im Alter gute Zähne, Augen oder Muskeln zu bewahren. Haben Sie für diese Menschen spezielle Tipps?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Gesunde, schöne Zähne sind nicht nur ein Statussymbol, sondern beeinflussen auch den Alterungsprozess. So ist Parodontitis beispielsweise ein Herd von chronisch niedrigschwelligen Entzündungen, die sich im Körper ausbreiten und einen Herzinfarkt begünstigen können. Eine gründliche Mundhygiene mit Zahnseide und regelmäßige professionelle Zahnreinigungen sind damit eine gute Investition in die Allgemeingesundheit.

jameda: Wie sieht es mit Augen und Muskeln aus?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: An altersbedingter Weitsichtigkeit kann man wenig ändern. Nur eine Linsentrübung, die bei Diabetikern häufig auftritt, lässt sich mit einer zuckerarmen Diät vermeiden. Gegen den Muskelabbau im Alter hilft gezieltes Krafttraining. Früher legte man mehr Wert auf Ausdauertraining, mittlerweile hat man aber erkannt, wie wichtig Kraftaufbau ist – auch, um Osteoporose und Übergewicht vorzubeugen.

jameda: Auch vor Schmerz fürchten sich viele Menschen. Wie kann man schmerzfrei altern? 
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Schmerz kann ein Symptom verschiedener Erkrankungen sein. Viele Patienten leiden unter Rückenschmerz, der sich mit gezieltem Training lindern lässt. Damit die Gelenke nicht direkt aufeinandersitzenden und Schmerzen verursachen, ist es wichtig, Muskeln aufzubauen. Das gilt auch für Knie und Hüfte. Auch wenn sie schon Beschwerden verursachen, sollte man nicht in eine Schonhaltung verfallen. Bewegung sorgt für Linderung.

jameda: Freie Radikale und chronische Entzündungsprozesse sind dafür verantwortlich, dass wir alt werden. Enthält eine gesunde Ernährung alle Mikronährstoffe, die notwendig sind, um gegenzusteuern? Sind umstrittene Nahrungsergänzungsmittel wirklich die Lösung?   
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Dass man mit Obst und Gemüse aus dem Supermarkt den Nährstoffbedarf nicht decken kann, ist ein Mythos. Nahrungsergänzungsmittel sind nicht unbedingt notwendig, um gut versorgt zu sein. Viele Menschen ernähren sich allerdings an der Pommesbude und sind infolgedessen fehlernährt. Nahrungsergänzungsmittel mit ACE oder Selen haben sich allerdings auch hier als wirkungslos erwiesen. An einer gesunden Ernährung kommt keiner vorbei, der im Alter fit sein möchte.

jameda: Wie sieht es mit Vitamin D aus?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Da Vitamin D durch Sonneneinstrahlung gebildet wird, macht es in langen, trüben Wintern Sinn, es in Form von Nahrungssupplementen zu sich zu nehmen. Wer nicht dreimal pro Woche fetten Seefisch isst, könnte außerdem Fischöl-Kapseln nutzen, um mögliche Mängel auszugleichen.

jameda: Anti-Aging-Medizin steht im Verruf, den natürlichen Alterungsprozess als Krankheit darzustellen und den Menschen falsche Versprechungen zu machen. Was sagen Sie dazu?
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Früher versprach man tatsächlich, das Altern aufhalten zu können. Das hat sich geändert: Wir sind nicht gegen das Altwerden, sondern gegen altersbedingte Zivilisationskrankheiten. Tatsächlich ist der biologische Alterungsprozess, der durch einen ungesunden Lebensstil gekennzeichnet ist, ein Hauptrisikofaktor für die häufigsten Zivilisationskrankheiten.

jameda: Anti-Aging wird meist mit Kosmetik in Verbindung gebracht, soll dem Menschen aber auch helfen, gesund und fit bis ins hohe Alter zu bleiben. Was kann die Medizin tun? 
Prof. Dr. Kleine-Gunk: Die Basis einer auf Prävention ausgerichteten Anti-Aging-Medizin ist ein gesunder Lebensstil. Dafür braucht man keinen Arzt. Frauen in den Wechseljahren könnten darüber hinaus von einer Hormonersatztherapie profitieren. Ähnliches gilt für Männer, deren Androgenspiegel im Alter von 50 bis 60 Jahren fallen kann. Für Prävention interessieren sich allerdings meistens diejenigen, die sowieso auf ihre Gesundheit achten. Rund 25 bis 30 Prozent der Deutschen ist ihre Gesundheit dagegen egal – obwohl sie den Alterungsprozess mit einfachen Mitteln zu ihrem Vorteil gestalten könnten.

jameda: Vielen Dank für das Gespräch!

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