Artikel 06/09/2016

Das jameda-Interview: 10 Fragen an Herrn Dr. med. Stephan Müller

Dr. med. Stephan Müller Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
Dr. med. Stephan Müller
Orthopäde & Unfallchirurg, Chirotherapeut, Sportmediziner
dr-med-mueller-im-jameda-interview

Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Dr. med. Müller interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Orthopäde.

jameda: Herr Dr. Müller, was hat Sie motiviert, Orthopäde zu werden?
Herr Dr. Müller: Mein Berufswunsch zu Beginn des Medizinstudiums war es, Unfallchirurg zu werden. Die Orthopädie habe ich erst im Studium kennengelernt. Sie fasziniert mich durch die Kombination der konservativen und operativen Therapiemöglichkeiten - die Orthopädie begleitet den Menschen von der Geburt (zum Beispiel die Säuglingshüftdysplasie) bis ins hohe Alter (der sekundären Koxarthrose, deren Entstehung es schon im Säuglingsalter zu vermeiden gilt).

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Müller: Der Kontakt mit dem Patienten, das Gespräch, die detektivische Freude, die Ursache für die geschilderten Beschwerden zu finden und häufig der verblüffende Soforterfolg der Behandlung durch die manuelle Therapie. Die größten Herausforderungen sehe ich in der Behandlung von komplexen Ursachen für manche Krankheitsbilder und deren Diagnostik, zum Beispiel Schwindel. Hier können Ursachen und Behandlung im Bereich der Fachgebiete Neurologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin, Kieferorthopädie, Orthopädie und Psychologie liegen. Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule sind häufig lediglich Folgen von Schwindel.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Müller: Häufig höre ich von Patienten: „Ich war jetzt bei fünf Ärzten und keiner kann mir helfen“, „da könne man nichts machen“ usw. Leider zeigt sich häufig in der Praxis, dass keiner dieser Patienten richtig befragt oder untersucht wurde. Ein anderes Vorurteil ist häufig, dass Privatpatienten bevorzugt werden. Der überwiegende Anteil unserer Patienten besteht aus Kassenpatienten, der Großteil der vergebenen Termine sind kassenärztliche Termine. Natürlich haben wir auch Privatsprechstunden oder Spezialsprechstunden zum Beispiel die orthopädische Sprechstunde oder die Sprechstunde für geplante Operationen. Da wir jedoch naturgemäß weniger Privatpatienten haben als Kassenpatienten, bekommen die wenigen Privatpatienten natürlich auch einen schnelleren Termin in den hierfür vorgesehenen Privatsprechstunden. Der gesetzlich Versicherte sollte jedoch dankbar sein, dass das System der privaten Versicherungen die gesetzlich Versicherten mitträgt. Ohne die „Quersubvention“ durch privat Versicherte könnten wir den hohen Standard in der Behandlung unserer gesetzlich Versicherten gar nicht halten.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen? 
Herr Dr. Müller: Zuerst einmal verweise ich darauf, dass häufig schon kleine Erfolge in der Behandlung eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität bringen können. Langfristige Erfolge verlangen häufig ein konsequentes Mitarbeiten des Patienten. Dies bringe ich auch unmissverständlich bei meiner Beratung zum Ausdruck. Warum sollte ich Interesse an der Gesundheit des Patienten haben, wenn dieser selbst kein Interesse daran hat? Aktive Mitarbeit zum Beispiel durch Fitness wird für eine zielführende Behandlung von mir erwartet.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Müller: Zuerst einmal muss man herausbekommen, warum der Patient den Therapieplan nicht befolgt. Ist er überfordert? Ist er nicht motiviert? Ist er ein „Arzthopper“ mit psychischen Problemen oder googelt er sich selbst die Therapie, die für ihn am angenehmsten ist. Eine gute Aufklärung und Motivation führen meistens zur aktiven Mitarbeit.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Müller: Reduktion des Kassensystems auf eine gemeinsame Versicherung für Alle mit Aufhebung des Systems des gesetzlich Versicherten und Privatversicherten. Eine leistungsbezogene Honorierung des Arztes mit höherer Bewertung des Gesprächs. Eine Eigenbeteiligung des Patienten für jeden Arztbesuch. Für jeden Arztbesuch erfolgt eine sofortige Rechnungserstellung und sofortige Honorierung des Arztes. Weg von der Flatrate „ärztliche Behandlung im Quartal für ca. 24 €“ für gesetzlich versicherte Patienten. Zum Beispiel gehe ich alle sechs Wochen zum Friseur, zahle dort jeweils 20 € pro Besuch, d.h. mein Friseur verdient an mir mehr im Quartal als ich an einem gesetzlich Versicherten. So kann moderne erfolgreiche Medizin nicht funktionieren! Andererseits muss man natürlich auch die Frage stellen, wo bleiben im Gesundheitssystem die ca. 700 €, die ein gesetzlich Versicherter jeden Monat mit Arbeitgeberanteil der gesetzlichen Versicherung einzahlt. Bekanntermaßen wird ein Großteil der Erkrankungen durch übermäßigen Alkoholkonsum, Nikotinkonsum und Bewegungsarmut verursacht. Subvention des gesamten Systems durch Einnahmen aus Tabaksteuer und Alkoholsteuer fallen mir da ein. Vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit finanzierte Rücken-Fitness konnte in einem Modellversuch bei Mercedes-Benz durch Rückenschmerzen bedingten Krankmeldungen um 80 % senken. Das sollte zu denken geben.

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Dr. Müller: Zuerst glaube ich, dass die Ausbildung zum Arzt in Deutschland weltweit eine der besten ist. Die Qualität im Studium und in der Ausbildung zum Facharzt ist eine sehr gute. Ich glaube, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in den Kassenpraxen sowie der schon deutlich spürbare Ärztemangel insbesondere in ländlichen Gegenden zu der zum Teil schlechten ärztlichen Versorgung führt. Früher stand im Gesetzestext, dass die ärztliche Versorgung für gesetzlich Versicherte sehr gut sein muss. Heute steht im Gesetzestext, dass sie WANZ, d.h. wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig sein muss. Damit bin ich als Arzt oder als Patient nicht zufrieden. Diese geschilderte wirtschaftliche Situation nötigt jedoch viele Ärzte dazu, weniger empathisch als erwartet zu arbeiten. Es bleibt eben kaum mehr Zeit für ein ausführliches Gespräch und eine intensive Patientenbetreuung, so wie sie unsere Eltern noch vom Hausarzt kannten.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Müller: Ja, da haben wir eine Menge zu bieten. Neben der schon bekannten radialen Stoßwellentherapie, die zum Beispiel bei der Kalkschulter oder dem Tennisellenbogen eingesetzt wird, haben wir ein modernes computergestütztes Verfahren zur Diagnostik und zur Behandlung von Funktionsstörungen, Blockaden, den Spineliner. Dieses Gerät spürt Blockaden im ganzen Körper, nicht nur an der Wirbelsäule auf und löst sie mithilfe von piezoelektronisch erzeugten Schwingungen. Es ist ein völlig risikofreies Verfahren, mit dem wir zum Beispiel auch die Atlastherapie durchführen oder schmerzhafte Verspannungen im ganzen Körper lösen. Weiterhin verwenden wir das lichtoptische Vermessungssystem der Firma Diers zur Diagnostik von Fehlhaltungen der Wirbelsäule. Ein Verfahren, das völlig ohne Röntgenstrahlen in der Lage ist, schon kleinste Fehlhaltungen im Bereich der Wirbelsäule zu detektieren. Diese Fehlhaltungen können nach Wiedergewinn der Bewegungsfähigkeit durch Gymnastik, später durch Anpassung von Einlagen, ausgeglichen werden. Durch Begradigung des Beckens und der Wirbelsäule kann somit durch eine gleichmäßige Belastung der Wirbelsäule das Rezidiv der Beschwerden häufig vermieden werden. Das Verfahren wird hierbei durch eine digitale Fußdruckmessung unterstützt. Weiterhin haben wir neben einer modernen digitalen Röntgenanlage auch die Möglichkeit die Knochendichtemessung im zertifizierten und validieren DXA-Verfahren durchzuführen. Natürlich bieten wir auch Verfahren zum Knorpelschutz und zur Arthroseprophylaxe durch Hyaluronsäureinjektionen, ERP/Eigenblutverfahren. Welches der einzelnen Verfahren zur Verbesserung ihrer Gesundheit infrage kommt, können Sie in einem persönlichen Gespräch klären.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Müller: Das Schöne am Arztberuf ist, dass wir in der Tat eine Menge solcher Erlebnisse erfahren dürfen. Das muss nichts Dramatisches sein. Wenn mir kürzlich ein Kind bei der osteopathischen Behandlung sagte: „Bei dir ist es immer so gemütlich“, geht mir das Herz auf.  Aber allein ein herzlich gemeintes Dankeschön vom Patienten für die Bemühungen des Arztes ist ein Ereignis, das dem ärztlichen Handeln weitere Motivation gibt.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Müller: Um hier in Frankfurt mit Goethe zu sprechen: „was du ererbt hast von den Vätern, erwirb es um es zu besitzen“.  Nur 10 Minuten gezielte Fitness täglich, verbessern die Lebensqualität hinsichtlich Rückenschmerzen dramatisch.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.