Artikel 09/05/2025

SkinnyTok – die neue Magersucht im Zeitalter der Abnehmspritze

Dr. med. Jörg Fuchs Allgemeinchirurg, Gefäßchirurg, Phlebologe
Dr. med. Jörg Fuchs
Allgemeinchirurg, Gefäßchirurg, Phlebologe

In den 1950er-Jahren prägte Miss Twiggy, mit bürgerlichem Namen Lesley Lawson, das Schönheitsideal einer ganzen Generation von Frauen. Bei einer Größe von 170 Zentimetern wog sie nur 42 Kilogramm. Ist SkinnyTok jetzt das Comeback eines toxischen Körperideals? Ist es gut, dünn zu sein?
Es kommt hier sicherlich auch auf die Definition von „dünn“ an. Auf TikTok verbreitet sich nun erneut ein Trend, der in den sozialen Medien insbesondere junge Menschen zum Hungern und Glorifizieren extrem dünner Körper animiert. Es geht demnach nicht um dünn sein, sondern um „extrem dünn“ sein. Essen sei für dünne Menschen ohnehin optional. In Tausenden von Videos und Posts werden Tipps zu restriktivem Essverhalten und zum Einhalten strenger Disziplin gegeben. Die Botschaft ist: Dünnsein ist schön, Dünnsein führt zum Erfolg, und wer dünn ist, wird geliebt. In den 1950er-Jahren prägte Miss Twiggy nicht nur das Schönheitsideal, nein, auf die Kehrseite der Medaille prägte sie den Begriff „Magersucht“. Niemand sagt etwas gegen einen gesunden Lebensstil.

Foto der Schulterpartie einer Frau mit blonden Zopf, bei der die Schlüsselbeine stark hervortreten.

Adipositas mit seinen begleitenden Aspekten, beispielsweise den Typ-2-Diabetes, ist sicherlich schon lange ein Problem. Longevity, ein anderer Trend, gesund alt zu werden, beschäftigt sich mit gesunder Ernährung, um mit einem angemessenen Körpergewicht alt zu werden. Ist SkinnyTok, ist Magersucht oder Magerwahn ein gefährlicher Trend?
Mit einem gesunden Lebensstil hat das Ganze nichts mehr zu tun. Essgestörtes Verhalten wird verherrlicht, normalisiert. Es geht gar nicht darum, gesund zu sein, der Fokus liegt auf dünn – extrem dünn. Fitnesstrends mit gesunder Ernährung und Muskelaufbau und einem gesunden Körperbewusstsein sind das genaue Gegenteil von dem, was SkinnyTok vermittelt.
Wenn Frauen nur auf ihren Körper reduziert werden, ihnen vermittelt wird, dass sie nur geliebt werden oder sie nur einen Partner bekommen, wenn sie dünn sind, dann haben wir primär ein gesellschaftliches Problem. Gesundheitliche Problem folgen dann etwas später! Hier wird eine gesundheitsgefährdende Lebenseinstellung vermittelt, die nicht nur zu gravierenden körperlichen Folgen, sondern auch zu schweren psychischen Störungen führt.
Warum gerade Jugendliche? Weil sie in diesem Alter auf Identitätssuche sind, noch nicht wissen, wer sie sind und wo sie hinwollen. Das Internet, soziale Medien, sie gaukeln vor, was in diesem Alter ungefiltert aufgenommen wird. Im Zeitalter der Abnehmspritze, die ja eigentlich für Typ-2-Diabetiker gedacht ist oder war, kommt es zur Illusion, alles sei möglich, ja alles sei leicht machbar.
Abnehmen, kein Problem, wir haben ja die Spritze. Früher waren es Diäten, Detox-Kuren, viel Sport, doch heute drängt sich der Eindruck auf, die Spritze ersetzt alle Anstrengungen in Richtung Gewichtsabnahme. Kein Schwitzen, kein Hungern, der wöchentliche Piks macht es ja so einfach. Medikamente wie Ozempic oder Wegory, die eigentlich zur Behandlung des Diabetes, weniger der Adipositas, gedacht waren, befeuern diesen SkinnyTok-Trend.
In der Adipositasbehandlung wird es als Gamechanger betrachtet, da es wie eine Magenverkleinerungs-Operation zur Gewichtsreduktion führt. Adipositas ist eine Krankheit. Ja, viele Menschen sind zu dick. Ist aber Gewichtsreduktion mit allen Mitteln gerechtfertigt? Und wieviel?
Es ist legitim und überhaupt nicht pathologisch, einen schlanken Körper zu haben oder anzustreben. Was schwierig ist, sind die Extreme. Idealisierung von Untergewicht und Essstörung treibt zwangsläufig in die Anorexie. Auch Magersucht ist eine Erkrankung. Eine Erkrankung mit hoher Mortalität.
Es gibt keinen perfekten Körper, dafür hat uns die Natur zu unterschiedlich gemacht. Aber ein Trend zum Perfekten kann hier zu krankhaften Auswüchsen führen. Wir sind mehr als nur das Aussehen. Dies zu verstehen ist um so schwerer, je mehr in den sozialen Medien Trends aufgegriffen und verbreitet werden, die etwas suggerieren, was weder gesund ist noch wirklich einem Schönheitsideal entspricht.
Früher gab es das auch schon. Heute genügt ein Tastendruck, und ein Trend geht viral, egal, welche Botschaft vermittelt wird. Es bedarf vieler Gespräche, auch beispielsweise beim Präventionsmediziner. Lassen sich derartige Trends verhindern? Leider NEIN. Wir müssen progressiv damit umgehen, alle, Junge und ganz besonders die Älteren.

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