Artikel 06/07/2016

Abnehmen trotz Hashimoto Thyreoiditis ist möglich! Die Mythen im Faktencheck

Prof. Dr. med. Burkhard Herrmann Internist, Endokrinologe & Diabetologe
Prof. Dr. med. Burkhard Herrmann
Internist, Endokrinologe & Diabetologe
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Rund zehn Millionen Deutsche leiden unter der Schilddrüsenerkrankung Hashimoto Thyreoiditis. Wenn die Schilddrüse weniger Hormone produziert, nehmen die Betroffenen häufig zu – eines der vielen unangenehmen Begleiterscheinungen von Hashimoto. Welche Tipps wirklich helfen, um gut abzunehmen und welche  ins Reich der Ammenmärchen gehören, wollte jameda von Prof. Herrmann wissen, der Gutachter und Referent zum Thema Schilddrüsenerkrankungen ist.

jameda: Hilft eine gesunde Ernährung, typische Hashimoto-Symptome wie Müdigkeit, Haarausfall, Herzrasen oder Gewichtszunahme zu lindern?Prof. Dr. Herrmann: Eine spezifische Ernährung müssen Patienten nicht einhalten, auch eine jodarme Ernährung ist keinesfalls notwendig. Der Grund: Die Ernährung hat keinen Einfluss auf die Schilddrüsenhormonproduktion, die bei Hashimoto aus dem Gleichgewicht geraten und letztlich für die Symptome verantwortlich ist. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Wichtig ist die adäquate Substitution mit Schilddrüsenhormonen.

jameda: Low Carb, Paleo, Logi - mittlerweile gibt es so viele Diäten, dass man schnell den Überblick verliert. Welche ist die beste für Hashimoto-Patienten?Prof. Dr. Herrmann: Es gibt keine spezielle Diät für Hashimoto-Patienten. Aber generell bieten Low Carb und Logi langfristig die besten Aussichten, weil sie auf einer kohlenhydratarmen Kost basieren. Genügend Proteine aufzunehmen, ist wichtig für die Muskulatur und den Fettabbau.

jameda: Hashimoto-Patienten, die abnehmen wollen, wird häufig empfohlen, auf Milch, Salz, Gluten und Soja zu verzichten. Ist diese Einschränkung sinnvoll?Prof. Dr. Herrmann: Nein. Nur wer gleichzeitig unter Begleiterscheinungen wie einer Glutenunverträglichkeit leidet, sollte die entsprechenden Lebensmittel weglassen.

jameda: Magnetfeldtherapie, Schüßler Salze und Homöopathie sollen Hashimoto-Patienten ebenfalls beim Abnehmen helfen. Funktionieren diese Methoden wirklich? Prof. Dr. Herrmann: Diese Methoden sind nach wissenschaftlichen Studien nicht etabliert und somit keine Konsensus-Empfehlung. Es spricht aber auch nichts gegen diese Therapien.

jameda: Es heißt, Krafttraining sei sehr wichtig, um Gewicht zu verlieren, ja sogar um symptomfrei zu werden. Stimmt das?Prof. Dr. Herrmann: Muskelaufbau hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gewichtsreduktion: 10 Minuten Bauchmuskeltraining sind effektiver als 30 Minuten Fahrradfahren. Krafttraining hat allerdings keinen Einfluss auf die Hashimoto-Erkrankung selbst.

jameda: Was können Patienten tun, die trotz gesunder Ernährung und Sport einfach nicht erfolgreich abnehmen?Prof. Dr. Herrmann: Den Grundumsatz durch eine adäquate hochnormale Schilddrüsensubstitution zu steigern oder auch ein Kombinationspräparat einzunehmen, das T4 und T3 enthält, kann beim Abnehmen helfen. Jeder Mensch hat einen individuellen Grundumsatz, der das Körpergewicht entscheidend mitbestimmt.

jameda: Viele Patienten glauben, dass ihre Medikamenteneinstellung stimmt, aber auch ein als normal angesehener TSH-Wert von 2 μIU/ml kann Probleme bereiten. Könnte es auch an den Tabletten liegen, wenn Diäten immer wieder scheitern?Prof. Dr. Herrmann: Das Gewicht hängt vor allem von anderen Faktoren wie der Ernährung, der Bewegung und den Genen ab. Menschen, die einfach nicht abnehmen, haben oftmals eine entsprechende genetische Veranlagung, die sich manchmal erst im späten Erwachsenenalter auswirkt. Ich würde schätzen, dass die Schilddrüsentabletten etwa 20 % zur Gewichtsreduktion beitragen und Patienten durch die optimale Einstellung fünf Kilo abbauen können. Wichtig ist, den Patienten und nicht den Laborwert zu therapieren. Jeder Mensch hat seinen eigenen TSH-Wohlfühlwert. Jüngere Menschen tolerieren niedrigere TSH-Werte häufig besser.

jameda: Manche Ratgeber behaupten, dass die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen die falsche Therapie sei, weil hinter der Schilddrüsenerkrankung eigentlich ein gestörter Darm steckt, der wiederum durch Stress ausgelöst wird. Was sagen Sie dazu?Prof. Dr. Herrmann: Die bakterielle Besiedlung des Darms spielt bei Autoimmunerkrankungen tatsächlich eine Rolle. Sogenannte Stuhltransplantationsstudien haben gezeigt, dass eine Maus die Krankheiten einer anderen Maus bekommt, wenn man ihr deren Stuhl einpflanzt. Es gibt allerdings keine Studien darüber, ob eine Darmsanierung gegen typische Hashimoto-Symptome hilft.

jameda: Welchen Tipp können Sie Hashimoto-Patienten mit auf den Weg geben, um sich fit und wohl zu fühlen?Prof. Dr. Herrmann: Wenn Patienten ständig frieren oder unter Verstopfung leiden, sollte die Einstellung korrigiert werden. Ein gesunder Lebensstil und Sport sind ebenfalls wichtig, um sich wohl zu fühlen.

jameda: Vielen Dank für das Gespräch!

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