Wenn Mitmenschen kauen, schlucken oder schlürfen, werden Misophoniker wütend und aggressiv. Über Symptome, Ursachen und Therapiemöglichkeiten der Misophonie berichtet dieser jameda Gesundheitstipp.
Misophonie: Der Hass auf bestimmte Geräusche
Wer unter Misophonie leidet, reagiert auf bestimmte Alltagsgeräusche gereizt, aufbrausend oder panisch. Die Ursachen dieser selektiven Geräuschintoleranz werden noch erforscht. Als eigenständige Erkrankung ist das Phänomen jedoch nicht allgemein anerkannt. Im Gegensatz zu Misophonie sind Hyperakusis-Patienten gegenüber allen Geräuschen normaler Lautstärke überempfindlich.
Schweißausbrüche, Herzrasen, Aggression
Misophoniker haben eine so starke Abneigung gegen spezielle Geräusche, dass sie unwillkürlich mit heftigen körperlichen Symptomen reagieren. Bei diesen Trigger-Geräuschen handelt es sich oft um Laute, die beim Schlucken, Kauen oder Atmen entstehen. Auch andere von Menschen verursachte Geräusche können Betroffene zur Verzweiflung bringen, wie zum Beispiel:
- Niesen
- Husten
- Räuspern
- Schlürfen
- Schmatzen
- Seufzen
- Stöhnen
- stetes Klicken mit dem Kugelschreiber
- Geräusch von High Heels auf Asphalt
- Klappern von Eiswürfeln
- Knirschlaute
- Knipsen beim Fingernägelschneiden
- Ticken einer Uhr
- bestimmte Tierlaute
Oft gibt es gleichzeitig visuelle Auslöser, die äußerstes Unbehagen hervorbringen, z.B. sich wiederholende Bewegungen wie Fußwippen, Beinebaumeln oder Händewringen.
Art und Ausmaß der Reaktionen und Symptome sind individuell verschieden. Manche Misophoniker werden gereizt, nervös oder ärgerlich, stark Betroffene geraten in Panik und werden aggressiv. Oft wird das Geräusch als körperliche Verletzung empfunden. Betroffene bekommen Gänsehaut, Schweißausbrüche und Herzrasen. Viele spüren den Drang, die Situation fluchtartig zu verlassen. Es besteht die Gefahr, dass Misophoniker aus Angst vor Geräuschen andere Menschen meiden und sozial vereinsamen.
Wie entsteht Misophonie?
Die Gründe für die Entwicklung einer Misophonie sind ungeklärt. Lange wurde die Geräuschintoleranz in Verbindung mit psychischen Erkrankungen wie Phobien, posttraumatischer Belastungsstörung oder Zwangsstörungen gesehen.
Mittlerweile haben Forschungen gezeigt, dass es sich um eine körperlich-neurologische Störung handeln könnte. Demnach sind Bereiche im Gehirn, die Sinneseindrücke mit Gefühlen verbinden und Signale des eigenen Körpers bewerten, bei Misophonikern anders verknüpft als bei Menschen ohne Geräuschintoleranz.
Andere Wissenschaftler sehen die Ursache in einer klassischen Konditionierung, bei der die starke Reaktion auf Geräusche durch bestimmte Reize erlernt wird. Misophonie kann sich im Laufe des Lebens entwickeln, oft leiden Betroffene aber schon im Kindesalter unter den Symptomen.
Hypnose kann helfen, die Empfindlichkeit auf Geräsche zu verringern (©fotolia-mkrberlin)
Hilfe bei Misophonie
Über einen Test, den Selbstbewertungsfragebogen nach M. Johnson, kann man den eigenen Umgang mit Geräuschen einschätzen. Wer glaubt, unter Misophonie zu leiden, kann sich einem Hausarzt oder einem Psychotherapeuten anvertrauen.
Spezielle ärztliche Therapien bei Misophonie gibt es bisher wenige. Eine Verhaltenstherapie kann den Umgang mit Trigger-Geräuschen verbessern. Hier lernen Betroffene, negative Gefühle vom auslösenden Geräusch abzukoppeln. Mithilfe von Hypnose lassen sich gestörte Verknüpfungen von Geräusch und Gefühl im Unterbewusstsein lösen und so die Reaktion auf Trigger-Laute normalisieren. Wer sich mit anderen Betroffenen austauscht, lernt wertvolle Tipps für den Alltag und weiß, dass er mit der Geräuschintoleranz nicht alleine dasteht:
- Kopfhörer aufsetzen: In Bus, Bahn oder Flugzeug lenken Musik, Naturklänge oder ein Film von unangenehmen Geräuschen ab.
- Bei Tisch: Die Essgeräusche anderer Personen kann man mit eigenen Trinkgeräuschen oder dem Streichen über die eigene Ohrmuschel überdecken.
- Sich anvertrauen: Obwohl Mitmenschen mit Unverständnis reagieren können, sollte man seine Geräuschintoleranz erklären. Im Kreise der Familie kann man Verabredungen über bestimmte Lebensmittel, Essgewohnheiten oder Verhaltensweisen treffen.