Artikel 06/12/2019

Das jameda-Interview: 10 Fragen an Frau Dr. med. Carola Würtenberger

Dr. med. Carola Würtenberger Neurochirurg
Dr. med. Carola Würtenberger
Neurochirurg
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Dr. med. Carola Würtenberger interessante Fragen zu ihren Erfahrungen als Neurochirurgin.

jameda: Frau Dr. Würtenberger, was hat Sie motiviert, Fachärztin für Chirurgie zu werden?

Frau Dr. Würtenberger: Schon bei meinen ersten Praktika im Krankenhaus hat mich die Chirurgie fasziniert und ich wusste, ich wollte Chirurgin werden. Später im Studium kam dann noch das Interesse für Gehirn und Nervensystem hinzu. Die Neurochirurgie bot für mich die ideale Verbindung dieser beiden Interessensgebiete. Außerdem hat mich das feine und diffizile Arbeiten bei Operationen am Gehirn und am Nervensystem fasziniert und begeistert. Das konzentrierte Arbeiten mit dem Operationsmikroskop, wenn ich z. B. eine eingewachsene Nervenwurzel freilege, macht mir nach wie vor sehr großen Spaß.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Frau Dr. Würtenberger: Mit Abstand die größte Freude ist es für mich, wenn ich einem Patienten mit einer Operation oder der Schmerztherapie seine Schmerzen nehmen kann und er wieder ohne Einschränkungen seinen Alltag meistern kann und seine normale Lebensqualität  zurückgewinnt.

Die größte Herausforderung sehe ich darin, trotz der immer knapper bemessenen Zeit und des ständig zunehmenden Effizienzdrucks, insbesondere im System der gesetzlichen Krankenkassen, jedem Patienten die volle Aufmerksamkeit und umfassende Abklärung zukommen zu lassen, die er verdient und benötigt, um die bestmögliche Behandlungsstrategie festlegen zu können.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?

Frau Dr. Würtenberger: Was mich häufig schmerzt, ist die Tatsache, dass auch Patienten mit sehr schweren Rückenerkrankungen, wo nahezu alle nicht operativen Therapiemaßnahmen versagt haben, große Angst haben, sich einer Rückenoperation zu unterziehen. Sie haben oft sehr negative Berichte über Rückenoperationen und deren Folgen in der Presse oder im Internet (sozialen Medien) gelesen. Somit können notwendige Operationen, die dem Patienten manchmal ein ganz neues Lebensgefühl schenken könnten, häufig nicht erfolgen oder werden zu lange verzögert.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?

Frau Dr. Würtenberger: Es gibt nicht den einen Ratschlag, der in dieser Situation auf alle Patienten zutrifft. Einfache Durchhalteparolen sind hier manchmal nicht hilfreich. Weil der Patient sich wie ein Versager fühlt, wenn er eben einfach manchmal zwischendurch nicht mehr die Kraft hat, weiterzumachen. Ich versuche in diesen Situationen mit den Patienten zu sprechen, ein bisschen auch die persönlichen Lebenshintergründe abzuklopfen und zu schauen, wie es für den Patienten vielleicht weitergehen könnte.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?

Frau Dr. Würtenberger: Ich versuche in einem Gespräch mit dem Pateinten in Ruhe die Gründe dafür herauszufinden und gemeinsam mit dem Patienten das weitere Vorgehen festzulegen. Häufig haben Patienten gute Gründe, weshalb sie etwas nicht so durchführen, wie ich es gesagt habe. Wichtig ist, dass man darüber spricht.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?

Frau Dr. Würtenberger: Ich würde versuchen, die Macht der Pharmalobbys einzuschränken. Ferner würde ich dafür sorgen, dass das Budget für Heilmittel (Physiotherapie) nicht mehr so streng reglementiert ist und ich die Patienten besser versorgen könnte, da das Geld meiner Meinung nach bei einer Physiotherapie, die den Patienten beweglicher und aktiver macht, besser angelegt ist als in einem weiteren teuren Kombinationsmedikament. Ferner würde ich die sprechende Medizin erheblich besser honorieren wie z. B. im AOK-Facharztprogramm schon geschehen ist. Es kann nicht sein, dass die sprechende Medizin nahezu nicht vergütet wird, jede Form von Eingriff dagegen schon. Hier bestehen Fehlanreize im System.

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?

Frau Dr. Würtenberger: Ich finde es wichtig, dass Ärzte ihren Patienten zuhören. Hier sehe ich auch bei mir noch Verbesserungspotenzial und wahrscheinlich auch bei vielen Kollegen. Zumindest wenn ich teilweise die Rückmeldungen meiner Patienten höre. Allerdings muss man sagen, dass unser Gesundheitssystem das ruhige ärztliche Gespräch in keiner Weise honoriert und der Kostendruck die Zeit für genau diese wichtige ärztliche Tätigkeit immer weiter einschränkt. Das halte ich für eine Fehlentwicklung, die ich bedauere.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapien oder Geräte, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?

Frau Dr. Würtenberger: Wir versuchen in unserer Praxis, falls möglich, immer auf dem Stand der Zeit zu sein. Derzeit wenden wir z. B. Hydrogel-Implantate in Bandscheiben an, Vereisung von Schmerznerven der Wirbelgelenke sowie eine elektrische Methode der Schmerzlinderung am Facettengelenk. Auch Bandscheibenprothesen an der Halswirbelsäule werden eingesetzt. All diese Methoden sind nicht erst seit gestern erfunden, allerdings auch noch nicht seit Jahrzenten auf dem Markt.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?

Frau Dr. Würtenberger: In den letzten 15 Jahren hatte ich viele Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen mit Patienten die ich nie vergessen werde. Es gibt nun kein einzelnes Ereignis, dass alle anderen überstrahlt. Viele Patienten begleite ich über Jahre buchstäblich in guten wie in schlechten Zeiten und sie wachsen mir dadurch sehr ans Herz.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Frau Dr. Würtenberger: Bewegung, Bewegung und nochmal Bewegung! Herauszufinden, welche Art der Bewegung am besten ist, bedarf natürlich der individuellen Beratung des einzelnen Patienten.

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