Artikel 13/07/2015

Traumaerfahrung - wenn sich die Psyche nicht vom Schock lösen kann

Team jameda
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Es ist noch nicht so lange her, als die Begriffe „Trauma“ und „Traumatisierung“ auch Eingang in unsere Alltagssprache gefunden haben. Auch wenn sie sicher nicht immer zutreffend verwendet werden, beschreiben sie ein gegenwärtiges Phänomen, welches viele Menschen betrifft.
Allgemein kann das Erleben oder Beobachten extremer, bedrohlicher und entsetzlicher Situationen schwere seelische Erschütterungen hervorrufen. Und ganz ähnlich wie bei einer körperlichen Verletzung kann aus ihnen ein vorübergehendes oder längerfristiges psychisches Trauma entstehen, das als vorerst bleibende Prägung des erlebten Geschehens in der jeweiligen menschlichen Psyche verstanden werden kann.

Bei einer Traumatisierung wird nicht nur das erschütternde Erlebnis selbst (als Erfahrung) gespeichert, sondern zusätzlich die überwältigenden negativen Emotionen, beispielsweise extreme Angstgefühle, das Entsetzen sowie die Ohnmacht und Hilflosigkeit, welche mit dieser manchmal längst vergangenen Situation in Verbindung standen. Dieses traumatische Ereignis gilt es nun zu verarbeiten. Fest steht: solange keine Verarbeitung stattgefunden hat, können diese Gefühle in bestimmten Situationen weiterhin so oder abgewandelt auftreten, sich übermächtig zeigen und zu verschiedenen Beeinträchtigungen der Alltags- und Lebensbewältigung sowie gesundheitlichen und sozialen Problemen führen.

Auslöser der Traumatisierung

Die Ursachen dieser Ereignisse sind dabei so verschieden wie die Betroffenen selbst: Unfallopfer, Polizeikräfte, an unmittelbarer Kriminalität und Gewalt beteiligte Personen, (ehemalige) Kriegsteilnehmer, Konfliktparteien sozialer „Kriege“ etwa bei Trennungen oder Mobbing. Auch junge, heranwachsende Menschen werden z.B. durch das Ansehen extremer Horror- oder Gewaltszenarien in Internetvideos und Filmen nicht nur verstört, sondern auch traumatisiert. Zudem müssen gerade sie viele der heutigen Ehescheidungen verkraften, was sie nicht selten mit kaum zu ertragenden Situationen und existenziellen Spannungen konfrontiert. So hat man herausgefunden, dass länger andauernde und durch Menschen verursachte traumatische Ereignisse - auch sexueller Missbrauch oder massive Gewaltandrohungen - weit schwerwiegendere Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben als Naturkatastrophen oder technische Unfälle. Im Laufe jahrelanger Forschungen zeigte sich weiter, dass Kinder dabei ähnlich komplexe und andauernde Traumafolgestörungen wie Erwachsene entwickeln können.

Wenn eine Belastungsreaktion zu einer Traumatisierung wird

Jedoch sollte zwischen so genannten „einfachen“ Belastungsreaktionen und echten Traumatisierungen unterschieden werden. Akute Belastungsreaktionen entstehen, wenn die psychischen Kräfte oder die persönliche Stärke zum Umgang, zur Bewältigung oder Verarbeitung von Problemen nicht ganz ausreichen, beispielsweise in Phasen während beruflicher oder familiärer Krisen. Oft ist bereits hier eine gute therapeutische Begleitung sinnvoll und hilfreich, gerade wenn es den Konflikt zu lösen und den Schatz zu heben gilt, den solche Geschehnisse in sich bergen.

Die Belastungseffekte selbst können dabei zunächst immens sein und ähneln denen eines Traumas. Es sind dabei sowohl psychische Symptome (Konzentrationsstörungen, Ängste, Labilität, Stimmungsschwankungen, unangemessenes Verhalten) als auch vegetative (Störungen von Schlaf und Organfunktionen wie Verdauungs- und Nervensystem) möglich. Im Unterschied zu einem traumatischen Geschehen klingen bei vielen Betroffenen die Symptome jedoch spätestens wenige Wochen nach Beendigung des ursächlichen Stresses oder dessen Bewältigung wieder ab.
Wenn ein länger zurückliegendes Schockereignis auch noch Wochen oder Monate später solch starke Auswirkungen zeigt, lautet die Diagnose PTBS (=Posttraumatische Belastungsstörung). Die Betroffenen erleben zusätzlich in vielen Fällen so genannte Intrusionen, ein ständiges oder spontan auftretendes Wiedererleben, Erinnern oder Träumen der auslösenden Situation oder des Bildes. Aber auch Konzentrations- und Arbeitsstörungen, Schlafstörungen, Depressionen, Angst- und Panikattacken sowie weitere Folgeprobleme zeigen sich häufig. Die Lebensqualität sinkt natürlich dementsprechend. Wie zahlreich und aktuell die Fälle psychischer Veränderungen sind, denen ein Trauma zu Grunde liegt, belegen nicht nur Fallbeispiele heimkehrender (Bundeswehr-) Soldaten, Flüchtlinge aus Krisengebieten sowie Helfer im in- und ausländischen Einsatz. Überrascht ist man, wenn man sich zudem aktuelle Statistiken und klinische Studien vornimmt. Manchmal hilft auch ein Blick in die eigene Patientenkartei.

Tatsächlich leiden in unserem westlichen Kulturkreis etwa 10 - 12 % der Bevölkerung an einem - erkannten oder unerkannten - mittelgradigen seelischen Trauma und dessen Folgen. Und man nimmt an, dass etwa einem Drittel von uns auf die gesamte Lebenszeit gerechnet mindestens ein traumatisches Ereignis passieren wird, das wir nicht so einfach wegstecken können. Dies erklärt uns auch so manches Rätsel, warum erwachsene Menschen plötzlich unangemessenes Verhalten und merkwürdige Reaktionen zeigen oder gar ihren psychischen „Selbstschutz“ bereits in einer harmlosen Alltagssituation oder in einem normalen Gespräch aktivieren, ob das nun bewusst geschieht oder nicht.

Symptome, die an eine (post)traumatische Symptomatik denken lassen

  • zurückliegendes, extrem prägendes und negatives, meist von Menschen bewirktes Erlebnis, manchmal verbunden mit Todesangst, Entsetzen, Macht- und Hilflosigkeit
  • über einen längeren Zeitraum wiederkehrende (Alp-)Träume, Intrusionen (Wiederholtes inneres Erleben der Situation), unbegründete negative Gefühle, Depressionen und Ängste
  • Ereignis wird oft gedanklich verdrängt oder verleugnet (Vermeidung)
  • emotionale Verflachung, Abstumpfung oder Erstarrung
  • Übererregung mit längeren Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten

Ursachen für posttraumatische Symptome und Störungen sind also vielfältig, sie können im Verborgenen und längst Vergangenen oder auch in einem offensichtlichen, eher aktuellen Geschehen liegen. Sofern es den Betroffenen bewusst ist, haben diese Personen in manchen Fällen bereits einen längeren Weg hinter sich, manchmal haben sie längere Zeit abgewartet, sich mit mehr oder weniger Erfolg selbst therapiert oder versucht, mit ihren Symptomen umzugehen und zu leben. Die Heilung eines Traumas hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der richtigen Therapie.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen für den Patienten?

Die „Erste Hilfe“ ist das professionelle Gespräch. Gemeinsam wird das traumatische Geschehen eingeordnet, manchmal wird das für den Betroffenen erst so verständlich und erschließbar, vor allem dann, wenn Therapeut(in) und Klient ein gutes Vertrauensverhältnis zueinander aufbauen. Zusätzlich kommen methodische Verfahren hinzu, insbesondere die Verhaltenstherapie oder - noch etwas technischer - das Vorgehen in der EMDR, zu Deutsch etwa „Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung durch Augenbewegung“. Gemeinsam ist diesen Lösungswegen das Ziel, die extremen Emotionen des Traumas zu lindern, lösen oder zu wandeln.

1. Die Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie ist ein Desensibilisierungsverfahren „in vivo“ und damit in der Realität durchzuführen. Das betrifft beispielsweise einen Autofahrer, der nach einem schweren Unfall wieder fahren möchte - oder beruflich muss - aber ohne massive Schweißausbrüche nicht einmal auf dem Beifahrersitz Platz nehmen kann. Schritt für Schritt setzt sich der Betreffende dann gemeinsam mit dem Therapeuten in ein Auto. Zunächst ohne zu fahren, später mit laufendem Motor, nach einiger Zeit langsam auf einem Parkplatz fahrend. Wenn die Zeit reif ist, kommt es zum krönenden Ausspruch: „Sehen Sie - Sie können es wieder und fühlen sich gut dabei!“. Der beschriebene Patient fühlt sich im Idealfall so gut und gelöst wie nach einer bestandenen Führerscheinprüfung.

2. EMDR

EDMR zielt methodisch zusätzlich auf eine Wiederaufarbeitung ab, aber „in sensu“, also mental und unter Augenmuskelbeteiligung. Der Patient liegt und wird vorsichtig hingeführt, eine besprochene Phase seines traumatischen Erlebnisses gedanklich zu fixieren, während der Therapeut ihn mit langsamen Fingerbewegungen zeitgleich zu rhythmischen Augenbewegungen anhält. Dies reduziert wirksam die heftigen Emotionen, die diese Erinnerung normalerweise hervorrufen würde. Oft stellt sich dadurch der Effekt einer emotionalen Linderung oder - durch die Angstfreiheit - gar eine „Neubespielung“ des Geschehens ein. So findet schrittweise eine Linderung oder, im Idealfall die Löschung des traumatischen Charakters der Erfahrung statt.

3. Die therapeutische Hypnose

Die Anwendung einer professionellen therapeutischen Hypnose - der Heilhypnose - stellt schließlich ein rein geistiges Verfahren dar. Für diesen Weg ist daher hohe Professionalität und Befähigung des Therapeuten sowie umfassender Schutz des Patienten wichtig. Fast immer erfordert dies eine jahrelange und spezielle Ausbildung, da der Patient in einen Zustand tiefer hypnotischer Entspannung versetzt und vom Therapeuten geführt wird. Der tranceartige Zustand schließt dabei die gleichzeitige Anwesenheit von Angst oder Schmerz wirksam aus. In diesem Bereich ist aber nicht nur das Erzielen von Schmerzfreiheit möglich: Die jeweilige Person kommt in die Lage, sich sicher und frei im traumatischen Erlebnis aufzuhalten. Die Lösung des Geschehens kann schlafähnlich zudem auch ohne eine bewusste Ansprache oder Erinnerung der Geschehnisse erfolgen. Sehr oft ist zu beobachten, dass die mit dem Trauma in Verbindung stehenden Emotionen auf diese Weise in der Tiefenhypnose schwinden: Vergleichbar mit heliumgefüllten Ballons, die man in der Hand hält und erst durch das Öffnen der Finger loslassen kann, lösen sich die traumatischen Belastungen der betreffenden Person und das Trauma kann schließlich seelisch ausheilen. Das bedeutet: selbst wenn die Person später an das Schrecknis denkt, treten die heftigen Gefühle nicht mehr auf. Ähnlich wie bei einem natürlichen Heilprozess wandelt sich das Trauma allmählich in eine normal erinnerbare Erfahrung.

Ergebnisse aus der Therapieforschung haben die hier zugrunde liegenden Vorgänge mittlerweile besser erfasst. Die Quintessenz: Mit der Zeit und meist von selbst stellen weit zurückliegende schmerzhafte Erfahrungen mit durchaus traumatischem Charakter aus unserer heutigen Sicht „kein Problem“ mehr für uns dar oder wir lächeln über manches, was ins als Jugendlichen tief getroffen hätte. Genauso können die „furchtbaren“ Emotionen, die in Verbindung mit einem schrecklichen Ereignis stehen, auch wieder schwinden und sich auflösen.

Die Behandlung gelingt nur in einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Therapeut und Patient

Zum guten Schluss stellen wir fest, dass Traumatherapie inzwischen in Mode gekommen ist und demzufolge manchmal auch weniger sinn- und heilvoll wirkende Anwendung findet, zumal manche Therapeut(inn)en möglicherweise der Meinung sind, dass bei fast jedem Klienten ein frühkindliches Trauma vorliegen muss. Finden kann man immer Traumaverdächtiges und Einschneidendes aus der Kindheit - bei letztlich jedem von uns. Die Frage stellt sich jedoch, ob dies tatsächlich noch eine Rolle spielt oder sich negativ auswirkt. In vielen Fällen handelt es sich um längst verarbeitete und letztlich wertvolle Ereignisse, oft gar gewinnbringend für das weitere persönliche Leben.
Die Möglichkeit einer generellen psychischen und seelischen Herausforderung besteht immer. Einen vollkommenen Schutz wird es auf unserer nicht immer friedvollen Erde vorerst nicht geben, wie wir wissen. Und doch hängt es auch von uns selbst ab, wie wir das Ereignis wirklich verstehen und letztlich nehmen können. Der Mensch kann wieder „in Ordnung“ kommen, im günstigen Falle mit Erkenntnisgewinn, manchmal persönlich gereift und am Geschehen gewachsen.

Wenn Hinweise auf eine traumatische Ursache bestehen, sollten Sie dies bei einem Therapeuten, der Ihr persönliches Vertrauen genießt, offen ansprechen. Niemand wird dafür belächelt, da es mittlerweile Ärzte, erfahrende Psychologen und auch Heilpraktiker gibt, die über ausreichend Ausbildung und Lebenserfahrung verfügen, den Befund einschätzen und manchmal aus eigener Erfahrung verstehen und nachvollziehen können. Oft kann dann der passende therapeutische Weg für den Patienten gefunden werden.

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