Artikel 06/12/2016

Medizin trifft Design – heilende Architektur der Zukunft

Team jameda
Team jameda
heilende-architektur-der-zukunft

Kühl, steril und unpersönlich – so wurden Krankenhäuser und Reha-Kliniken über viele Jahrzehnte gebaut. Den Planern ging es dabei hauptsächlich um Funktionalität und Kosteneffizienz, die Bedürfnisse der Patienten nach Geborgenheit und persönlichem Raum wurden meist außer Acht gelassen. Heute setzt sich zunehmend ein anderer Ansatz durch, der nicht nur praktischen und logistischen Aspekte, sondern auch wichtige psychologische Komponenten des Gesundwerdens berücksichtigt. Der neue Fokus: Der Patient soll sich wohlfühlen.

Während sich Patienten früher in einem Krankenhaus oder in einer Klinik mehr oder weniger ausgeliefert vorkamen, werden sie heute immer öfter als Individuum gesehen, werden sogar partnerschaftlich in Entscheidungsprozesse eingebunden – und das mit positiven Auswirkungen auf den Genesungsprozess.

Welches Raumkonzept hilft gegen Ängste und Stress?

„Ein Blick durchs Fenster kann den Erholungsprozess nach einem chirurgischen Eingriff beeinflussen“, schrieb der texanische Architekturprofessor Roger Ulrich bereits im Jahr 1984 in der Fachzeitschrift Science. Er belegte in einer Studie, dass sich Patienten tatsächlich schneller von einem schweren Krankheitsverlauf erholen, wenn sie von ihrem Krankenzimmer aus eine schöne Aussicht haben. Besonders der Blick in die Natur löst positive Gefühle aus, senkt Stress und unterstützt den Menschen beim Gesundwerden.

Heute ist unbestritten, dass eine ästhetisch gestaltete Umgebung den Heilungsprozess positiv beeinflusst: Es treten weniger Komplikationen auf, der Bedarf an Schmerzmitteln sinkt und die Aufenthaltsdauer in der Klinik verkürzt sich. Weltweit belegen diesen Zusammenhang inzwischen mehrere Studien .

Architektin und Dozentin Katharina Brichetti forscht an der Technischen Universität Berlin bereits seit einigen Jahren zum Thema ‘Healing Architecture’.

Worauf basiert die heilende Architektur?

Frühere Generationen mögen genügsamer gewesen sein. Die heutige Generation hat höhere Ansprüche. Sie wohnt und arbeitet in schöner Umgebung. Zahlreiche Webseiten und Magazine geben Gestaltungsideen und Tipps, wie man das Zuhause noch schöner gestalten kann, sich noch besser entspannen und wohlfühlen kann.

In unserer schnelllebigen Zeit suchen Menschen nach ruhigen und erholsamen Orten, an denen sie abschalten und Kräfte tanken können. Ist ein Mensch krank, wird das umso wichtiger. Wenn er rund um die Uhr Schmerzen hat, Ängste durchlebt und seine Eigenständigkeit durch die Krankheit stark eingeschränkt wird, ist es wichtig, dass er sich in seinem Patientenzimmer wohl fühlen und erholen kann.

Die heilende Architektur basiert auf der Überzeugung, dass es für eine schnelle Genesung neben erstklassigen medizinischen Leistungen auch auf die Wohlfühlatmosphäre in Kliniken ankommt. Diese entsteht durch eine besondere Außen- und Innengestaltung, die darauf ausgerichtet ist, Stress so weit wie möglich zu vermeiden. Dies beginnt schon beim Grundstück: Eine Lage im Grünen oder am Wasser weckt in Menschen andere Emotionen als ein Standort mitten in der Stadt. Eine klare Orientierung, dem Ort angepasste Lichtverhältnisse, eine gute Durchlüftung und eine angenehme Raumtemperatur sind weitere wesentliche Elemente der heilenden Architektur. So erleichtert eine intuitive Wegführung die Orientierung in unbekannten Gebäuden und vermeidet Stress. Die Auswahl der Farbtöne hat einen Einfluss auf die Psyche und kann beispielsweise anregend oder beruhigend wirken.

Auch die durchdachte Innenausstattung der Zimmer, orientiert an den Patientenbedürfnissen ist ein wesentlicher Wohlfühlfaktor: Wie breit sollen die Türen sein, und in welcher Höhe bringt man die Türklinke an? Wie groß und wie hoch sollen die Schrankflächen sein, damit der Patient mühelos seine Sachen verstauen kann? Wie viele Lichtschalter soll es im Zimmer geben und an welcher Stelle, sodass diese bequem bedient werden können?

Patientenbedürfnisse

Heilende Architektur entsteht nur, wenn Architekten und Planer von Anfang an die Perspektive des Patienten einnehmen. Neben dem ansprechenden Design ist es entscheidend, den Patienten ernst zu nehmen und auf seine Bedürfnisse einzugehen. Auch wenn es wie ein kleines Detail erscheint, ist es für Patienten, die sich nach schweren Operationen häufig nicht uneingeschränkt bewegen können, manchmal von größter Bedeutung, ob eine Türschwelle einen Millimeter erhöht ist oder nicht.

Die Voraussetzung ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit der Verantwortlichen. Ein interdisziplinäres Team aus Einkäufern, Designern, Therapeuten und Ärzten sollte jedes Möbelstück und die Details der Einrichtung vor der Umsetzung ausführlich besprechen. Ganz egal, ob es sich dabei um die orthopädische Sitzhöhe oder -breite des Designersessels, breite Türen, niedrige Griffe oder den Stoffbezug des Funktionsbetts handelt. Nur so kann es gelingen, Räume zu gestalten, die vom Design ansprechend und gleichzeitig an die Bedürfnisse der Patienten angepasst sind.

Fazit

In einem Krankenhaus oder einer Reha-Klinik sollte klar der Patient und seine Gesundheit im Mittelpunkt stehen. Eine angenehme und ansprechende Umgebung beeinflusst aber nicht nur seinen persönlichen Genesungsprozess, sondern wirkt sich auch positiv auf das Wohlbefinden der Ärzte und des Pflegepersonals in den Einrichtungen aus.

So gewinnen alle: Wenn sich Patienten und Ärzte gleichermaßen wohlfühlen, können sich beide besser aufeinander einlassen und eine gute Arzt-Patient-Beziehung aufbauen – und so mit Erfolg an der Genesung des Patienten arbeiten. Und genau das sollte das Ziel eines Klinikaufenthalts sein.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2025 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.