Artikel 19/09/2018

Paradigmenwechsel bei HWS-Operationen: Bewegliche Prothese als Alternative zur Versteifung

null Andreas Schmitz Neurochirurg, Wirbelsäulenchirurg
null Andreas Schmitz
Neurochirurg, Wirbelsäulenchirurg
paradigmenwechsel-bei-hws-operationen

Bei einem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule wird oft eine Versteifung durchgeführt. Dank einer neuen Prothese ist es heute aber möglich, die Beweglichkeit zu erhalten.

Warum Halswirbelsäulen heute noch versteift werden

Als Ralph Cloward 1958 auf einer Tagung in Washington seine Erfahrung mit dem vorderen Zugang zur Halswirbelsäule vorstellte, stieß er auf starken Widerspruch. Dabei lagen die Argumente auf der Hand. Der Zugang über den Nacken war für die Patienten schmerzhafter und man kam von hinten nur schwer an die Bandscheibe. Um das Rückenmark nicht zu verletzen, musste man Teile vom Wirbelbogen und dem Gelenk entfernen. Der Zugang von vorne war viel eleganter. Nach dem Hautschnitt konnte man dem natürlichen Spalt zwischen dem Kopfnickermuskel und der Schlundmuskulatur folgen und erreichte ohne weiteren Schnitt die Halswirbelsäule.

Verzweifelt wegen dem sturen Unverständnis rief Cloward in die Zuhörermenge: ‘Man kann alten Hunden keine neuen Tricks beibringen!’ Inzwischen werden Halswirbelsäulen zwar fast nur noch von vorne operiert, aber sie werden auch alle versteift.

Warum geht die Mobilität verloren?

Zunächst setzte man Knochendübel anstelle der entfernten Bandscheibe ein. Weil die Entnahme eine zweite Wunde darstellt und auch nicht alle Knochendübel einheilten, verwendete man dann Knochenzement. Er hat sich jedoch nicht bewährt, weil er brechen kann und nicht einwächst.

Heutzutage nutzt man kleine Käfige aus Titan oder Plastik (PEEK), die als Platzhalter dienen, bis der Knochen durch den Käfig hindurch gewachsen ist. Der Nachteil ist, dass die zweite wichtige Funktion der Halswirbelsäule, die Mobilität, nicht erhalten werden kann.

Beweglichkeit dank neuer alternativer Technik

Fast 50 Jahre nach Cloward kam es zu einem neuen Paradigmenwechsel. Auf dem 1. Kongress für Spinearthroplastie (2001) wurde eine neue Technik vorgestellt: die bewegliche Bandscheibenprothese. Mit ihr bleibt sowohl die Stabilität als auch die Mobilität erhalten.

Viele Studien zeigten, dass die Bandscheibenprothese keine Nachteile gegenüber der Versteifung aufweist. Diese Erfahrung können wir nach mehreren tausend Implantationen nur bestätigen.

Warum wird die bewegliche Prothese nicht flächendeckend eingesetzt?

Die Prothesen werden nur an wenigen Zentren routiniert implantiert. Das liegt vor allem an den höheren Materialkosten im Vergleich zur Versteifung. Diese höheren Kosten müssen vorwiegend die Krankenhäuser tragen. Im Zeitalter des globalen Sparwahns nicht gerade förderlich.

Oft wird deswegen argumentiert, dass die Prothesen irgendwann knöchern überwachsen sind und dadurch keinen Sinn machen. Das ist zwar richtig, bei den meisten Patienten passiert das aber erst nach vielen Jahren und es geht ihnen trotzdem gut.

Verschwiegen wird den Patienten, dass es auch Käfige gibt, die nicht einwachsen, und es dann zu einer schmerzhaften Pseudarthrose kommen kann.

Wann ist eine bewegliche Prothese sinnvoll?

Kann man die Beweglichkeit erhalten, sollte man eine Prothese einsetzen. Dafür werden vor der Operation spezielle Untersuchungen durchgeführt. Sind die Gelenke bereits knöchern überwachsen (Arthrose) oder besteht eine hochgradige Knochenerweichung (Osteoporose), sollte man wie früher versteifen. In über 95 % ist es aber möglich, eine Prothese zu implantieren und auf eine Versteifung zu verzichten. So bleiben Stabilität und Mobilität erhalten.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.