Kopfschmerzen, Tinnitus, Beckenschiefstand: Symptome einer Craniomandibulären Dysfunktion?

Migräne ist eine der Begleiterscheinungen bei CMD (© WavebreakmediaMicro - fotolia)

Bei einer Funktionsstörung des Kiefergelenks handelt es sich um eine Erkrankung, die weitreichende Folgen nach sich zieht. Die Beschwerden können bei Betroffenen vom Kopf bis abwärts in die Beine auftreten. Viele haben bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich, bis endlich die Diagnose CMD gestellt wird und eine entsprechende Therapie in die Wege geleitet werden kann.

Oftmals werden CMD-Patienten am vermeintlichen Schmerzort behandelt, nicht jedoch am Ursprungsort der Beschwerden. Das heißt, dass nur die Symptome behandelt werden wie z.B. mit einer Spritzentherapie bei Rückenschmerzen oder mit einer medikamentösen Therapie bei Kopfschmerzen bzw. Migräne, nicht jedoch die Ursache der Beschwerden.

Im Folgenden Artikel werden die relativ komplexen Zusammenhänge im Hinblick auf die wichtigsten Begleitsymptome erläutert.
 


Tinnitus und Schwindel

Bei vielen Patienten, die an Tinnitus oder Schwindel leiden, ist eine fehlerhafte Bisslage Mitverursacher der Beschwerden. Die Geräuschwahrnehmung wird vom Innenohr gesteuert, das nicht nur beim Hörvorgang eine wichtige Rolle spielt, sondern auch als Gleichgewichtsorgan dient. Reize aus dem Innenohr werden über winzige Nervenfasern weitergeleitet.

Die Reize werden ständig an spezifische Areale im Hirnstamm gemeldet und sorgen so für die Geräusch- und die Gleichgewichtswahrnehmung. Im Hirnstamm werden verschiedene Nerven verschaltet.

In direkter anatomischer Nähe zu den Arealen der Geräuschwahrnehmung und den Arealen der Gleichgewichtsverschaltung findet die Verarbeitung der Informationen aus dem Bereich des Gesichtsnervs statt. Dieser sendet Informationen aus dem Bezirk der Kaumuskulatur (Kiefergelenkstellung, Zahnstellung) an den Hirnstamm. Eine Überaktivität, die durch einen Fehlbiss ausgelöst wird, führt so zu einer Projektion auf die Nervenzellen, die für die Geräuschwahrnehmung und für das Gleichgewicht verantwortlich sind und verursacht auf diese Weise einen Tinnitus bzw. Schwindel.


Verspannung der Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur

Neben Kopfschmerzen treten bei einer CMD sehr häufig Nacken- und Rückenschmerzen auf. Doch wie kommt es, dass eine Fehlstellung des Kiefergelenks zu schmerzhaften Verspannungen in der

CMD-Patienten leiden häufig unter Verspannungen (©fotolia-77262018-corbis_infinite)
Muskulatur führen kann?

Die Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur wird durch den Gehirnnerv und durch neutrale Fasern aus dem Rückenmark gesteuert. Das Rückenmark geht direkt in den Hirnstamm über; wo gleichzeitig die Verschaltung der Hirnnerven erfolgt.

In direkter anatomischer Nähe zu den Arealen des Hirnnervs findet die Informationsverarbeitung aus dem Bereich des Gesichtsnervs statt. Er sendet Informationen aus der Kaumuskulatur an den Hirnstamm. Eine Überaktivität, die durch einen falschen Biss ausgelöst wird, führt daher zu einer Projektion auf die Nervenzellen, die für die Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur verantwortlich sind und verursacht dort auf diese Weise eine Verspannung.


Kopfschmerzen/ Migräne

Heftige Kopfschmerzen und Migräne gehören zu den Hauptsymptomen einer CMD. Wenn man sich die anatomischen Verhältnisse vor Augen führt, wird verständlich, warum eine Funktionsstörung im Kiefergelenk für diese häufigen und vielfach sehr belastenden Beschwerden verantwortlich sein kann.

Der Kopfschmerz wird durch eine Reizung im Bereich des Großhirns verursacht. Durch Nervenfasern ist das Großhirn direkt mit dem Hirnstamm verbunden, wo auch die die Verschaltung des Gesichtsnervs erfolgt.

Der Gesichtsnerv sendet Informationen aus dem Bereich der Kaumuskulatur an den Hirnstamm. Wird durch einen Fehlbiss eine Überaktivität ausgelöst, führt das zu einer Projektion auf die Nervenzellen, die mit dem Großhirn verbunden sind. Auf diese Weise kommt es zu einem Reiz im Bereich des Großhirns, der dort Verspannungskopfschmerzen oder Migräne provoziert.


Beckenschiefstellung

Knieschmerzen können durch eine Beckenschiefstellung hervorgerufen werden (©fotolia-91703046-Monika Wisniewska)
Eine Beckenschiefstellung kann u.a. Knie- und Hüftgelenksschmerzen, Kiefergelenkgeräusche, Verspannungen sowie Wirbelsäulenproblematiken nach sich ziehen. Ausdruck eines Beckenschiefstandes ist nicht selten eine reversible Beinlängendifferenz, die Ursache dahinter ist jedoch oftmals eine CMD.

Körper- und Beckenstatik werden durch die Skelettmuskulatur beeinflusst, die über das Rückenmark gesteuert wird. Das Rückenmark geht direkt in den Hirnstamm über, wo verschiedene Nerven verschaltet werden. 

Der Gesichtsnerv, der über Nervenfasern mit der Wirbelsäule und dadurch mit der Beckenmuskulatur verschaltet ist, sendet Informationen aus dem Bereich der Kaumuskulatur an den Hirnstamm. Liegt ein Fehlbiss vor, kommt es zu einer Überaktivität, die zu einer störenden Reizweiterleitung führt und so eine Fehlsteuerung im Bereich der Beckenmuskulatur verursacht. Durch solche Reize kann eine reversible Beinlängendifferenz provoziert werden.

Dieser Artikel dient nur der allgemeinen Information, nicht der Selbstdiagnose, und ersetzt den Arztbesuch nicht. Er spiegelt die Meinung des Autors und nicht zwangsläufig die der jameda GmbH wider.

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Kommentare (9)

Christina M., 02.06.2021 - 13:21 Uhr

Diesen ausführlichen Bericht fand ich sehr hilfreich, da ich schon seit neun Jahren an einer schweren CMD leide, mit fast allen Symptomen, und nun die Zusammenhänge besser begreife, was mir hinsichtlich meiner Therapie von Nutzen sein wird. Vielen Dank für diese Informationen.

Antwort von Dr. med. dent. Clemens Fricke, verfasst am 17.11.2022

Gerne. Wir hoffen, dass sich Ihre Therapie positiv entwickelt.

Elisabeth B., 19.09.2020 - 16:12 Uhr

Ich habe diese Beschwerden nur mir glaubt keiner

Andrea P., 06.09.2017 - 09:17 Uhr

2003 bekam ich plötzlich einen Hörsturz. Eine Behandlung mit Kortisoninfusionen wurde sofort eingeleitet, aber seitdem leide ich unter meinem Tinnitus. Ich habe permanent Sendeschluss im Ohr. Welche Möglichkeiten habe ich nach den vielen Jahren noch? Schmerzen Hüfte, Knie, habe ich auch, allerdings bin ich bereits 58 Jahre.

Antwort von Dr. med. dent. Clemens Fricke, verfasst am 27.06.2019

Tinnitus ist nach unserer Auffassung ein unspezifisches Alarmsignal, da kann sehr oft eine Überlastungsstörung hinter stecken. Manchmal hilft allerdings auch eine CMD Schiene

Olli, 02.07.2017 - 01:05 Uhr

Ich hatte Zähneknirschen schon als Kind. Mit ca. 20 Jahren hatte ich plötzlich die bekanten CMD Symptome, Schmerzen am Nacken, Li. Schläfe. Allgemein ist nur die linke Körperseite betroffen. Dann nach ca. vier Wochen Quälerei bin ich mal zum Zahnarzt und habe dann eine Schiene nur für die Nacht erhalten. Zusätzlich gab's noch eine neue Brille. Dann nach drei bis vier Tagen war ich schmerzfrei über Jahre durch einsetzen der Schiene nur zur Nacht. Jetzt seit 3,5 Jahren habe ich erneut Dauerschmerzen am linken Kopf und an der Kiefermuskulatur. Schmerzmittel bringen gar nichts. Schmerzklinik, Opiate, Botox und CMD Centrum HH hatten nur kurzzeitig Erfolge. Das CMD Centrum Kiel war auch wieder nur eine ca vier wöchige Schmerzpause bzw. Reduktion. Die Schiene passte wesentlich besser. Osteopathie und mehrfache Krankengymnastik mit Benzodiezepin brachten besseren Schlaf und Entspannung mit weniger Schmerzen. Sport/ aufgehört zu rauchen/ Massagen Antidepressiva "Venlafaxin" Angefangen war ich bei 37,5mg bis vor vier Wochen war ich bei 300mg angekommen, jetzt bin ich auf null. Ich habe schon alles hinter mir. Mir fällt nichts mehr ein was ich noch machen soll und habe bereits über 10.000€ ausgegeben. Also falls jemand noch ein Tipp hat gerne her damit. Danke

Antwort von Dr. med. dent. Clemens Fricke, verfasst am 27.06.2019

Puh, da müsste man mal schauen, was sich wirklich dahinter verbirgt- vielleicht ein unbehandelter Deckbiss??? Da könnten wir helfen...

Gunnar B., 06.02.2017 - 14:40 Uhr

Ich leide seit ca. 3 Monaten an heftigen Kopfschmerzen. Tinnitus habe ich schon über Jahre. Nach MRT, Doppler-Sono u.ä. bisher keine klare Diagnose. Bisher lässt sich seitens der behandelnden Ärzte keine Ursache finden. Können Sie mir einen Rat geben?

Antwort von Dr. med. dent. Clemens Fricke, verfasst am 17.02.2017

Ich würde in Richtung CMD nachforschen, aber auch Störfelder im Kieferbereich beseitigen lassen...

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